• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Wie viel Alkohol macht krank? Trägt Alkohol zur Gesundheit bei?" (02.06.2000)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Wie viel Alkohol macht krank? Trägt Alkohol zur Gesundheit bei?" (02.06.2000)"

Copied!
4
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A-1538

M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 22, 2. Juni 2000 nzählige Publikationen haben

sich in den letzten Jahren mit dem Zusammenhang von Al- koholkonsum und Gesundheitsförde- rung befasst. Hintergrund sind Un- tersuchungen, deren Ergebnisse da- hingehend interpretiert werden, dass geringfügiger Alkoholkonsum im Ver- gleich zu vollständiger Abstinenz das Risiko für eine koronare Herzerkran- kung und einen ischämischen Apoplex senken. Auch im Deutschen Ärzte- blatt erschienen im Jahr 1998 die Er- gebnisse einer Konferenz zum Thema

„Gesundheitliche Vorteile durch mäßi- gen Konsum alkoholischer Getränke“, die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung abgehalten wurde. Das Fa- zit dieses Berichtes war, dass die Ent- scheidung für oder gegen regelmäßi- gen Alkoholkonsum in vernünftigen

Mengen individuell in der Praxis des behandelnden Arztes erfolgen muss, wobei keine klare Aussage über die

„vernünftige“ Dosis gemacht wurde.

War nun Alkohol über Jahrzehn- te hinweg als toxische Substanz im Mittelpunkt des ärztlichen Interesses, so wurde diese Ansicht innerhalb von wenigen Jahren nahezu auf den Kopf gestellt. Aufgrund dieser Verunsiche- rung und zur Klarstellung von Nutzen und Gefahren chronischen Alkohol- konsums hat die Deutsche Hauptstelle gegen Suchtgefahren eine Experten- kommission beauftragt, die neueste Datenlage zum Thema: „Fördert Al- kohol die Gesundheit?“ zusammenzu- tragen. Die Ergebnisse dieser Exper- tenrunde vom 4. Februar 1998 und 22.

Juni 1998 sind im Folgenden zusam- mengefasst.

KONGRESSBERICHT

Wie viel Alkohol macht krank?

Trägt Alkohol zur Gesundheit bei?

Ergebnisse einer Arbeitstagung der Deutschen Hauptstelle gegen Suchtgefahren

U

K

Ka arrd diioop prrootteekkttiivvee W Wiirrkkuunng g iinnd diivviid duueellll uunntteerrsscchhiieed dlliicchh

Verschiedenste Forschungsergeb- nisse deuten darauf hin, dass ein gerin- ger bis moderater Alkoholkonsum von 10 bis 25 g pro Tag, entsprechend 1/8 bis 1/4 Liter Wein oder 1 bis 2 Glä- sern Bier von 0,3 Litern, einen günsti- gen Effekt auf das Herz-Kreislauf-Ri- siko hat. Die kardioprotektive Wir- kung erfolgt offenbar durch ein kom- plexes Zusammenspiel verschieden- ster Mechanismen, wie Erhöhung des HDL-Cholesterinspiegels oder eine verminderte Neigung zur Thrombose- bildung, aber auch durch Effekte zum Beispiel auf die Stressempfindung und Stresskontrolle. Die Risikoverminde- rung scheint grundsätzlich durch den Alkohol selbst bedingt zu sein. Trotz- dem kann sie je nach Getränketyp un- terschiedlich sein. Die möglicherweise

ausgeprägtere Risikoreduktion bei Weinkonsumenten lässt sich durch die psychologischen Charakteristika des typischen Weintrinkers durchaus er- klären, weitaus weniger jedoch durch bestimmte Inhaltsstoffe des Weines, wie zum Beispiel Polyphenole. Des Weiteren zeigt sich die kardioprotekti- ve Wirkung durch Alkohol mehrheit- lich bei älteren Menschen, vor allem wenn andere Herz-Kreislauf-Risiko- faktoren vorhanden sind. Dieses Zu- sammentreffen verschiedener Umstän- de deutet darauf hin, dass es sich nicht um eine von anderen Risikofaktoren völlig unabhängige Beziehung handelt.

Im Vergleich zur Risikoredukti- on durch Kontrolle von anderen eta- blierten Herz-Kreislauf-Risikofakto- ren (zum Beispiel Rauchen und Er- höhung der Blutfette) ist die durch moderaten Alkoholkonsum erzielte Risikoverminderung relativ gering, was eher gegen eine direkte Kausa-

litätsbeziehung spricht. Ob moderate Alkoholmengen das koronare Risiko vermindern können, ist individuell sehr unterschiedlich und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Empfeh- lungen können entsprechend nur auf individueller Basis erfolgen. Neuere Studien zeigen, dass nicht nur der mo- derate, sondern auch der leichte Al- koholkonsum (das heißt um 5 bis 10 g Alkohol pro Tag) mit einer Verminde- rung des Risikos von Herz-Kreislauf- Erkrankungen verbunden ist.

Junge Konsumenten unter 50 Jah- ren können durch Alkoholkonsum ihr Herz-Kreislauf-Risiko kaum beeinflus- sen, erhöhen jedoch andere Risiken (zum Beispiel Bluthochdruck, Unfall- gefahr).

Wenngleich auch bei Frauen das koronare Risiko durch moderaten Al- koholkonsum (10 bis 12 g pro Tag) scheinbar günstig beeinflusst wird, ist zu beachten, dass Frauen vor dem Be- ginn der Wechseljahre ein geringes Koronarrisiko aufweisen, sodass mög- liche Alkoholeffekte kaum eine zu- sätzliche Schutzwirkung verleihen. Zu- dem ist zu bedenken, dass bereits ein geringerer Alkoholkonsum mit einem deutlich erhöhten Brustkrebsrisiko einhergehen kann.

V

Veerrssttä ärrkkuunng g zzuussä ättzzlliicchheerr K

Krra annkkhheeiittssrriissiikkeenn

Leichter bis moderater Alkohol- konsum – so wie er von relativ vielen Menschen betrieben wird (bis 15 g pro Tag bei der Frau und bis 30 g pro Tag beim Mann) – stellt bei gesunden Men- schen ein im Durchschnitt geringes Krankheitsrisiko dar. Die eingehende Besprechung der zahlreichen Erkran- kungen durch übermäßigen Alkohol- konsum in den nachfolgenden Ab-

(2)

schnitten zielt nicht darauf, den Men- schen, die in dem vorgenannten leich- ten bis moderaten Umfang alkoholi- sche Getränke genießen, generell zur Abstinenz zu raten. Voraussetzung für einen risikoarmen Konsum alkoholi- scher Getränke ist allerdings, dass kei- ne zusätzlichen Krankheitsrisiken be- stehen, die durch diesen Alkoholkon- sum verstärkt werden. Zu solchen grundlegenden Risiken zählt zum Bei- spiel zusätzliches Rauchen, eine gene- tische Prädisposition zur Abhängig- keit, das Vorliegen einer Lebererkran- kung anderer Ätiologie, Bluthoch- druck, verschiedenste Stoffwechsel- störungen, eine familiäre Häufung von Brustkrebs, um nur einige zu nennen.

Daraus ist zu ersehen, dass jeder Mensch ein individuelles Risiko für un- terschiedliche alkoholassoziierte Or- ganschäden hat. Wie bei allen Kosten- Nutzen-Relationen muss man sich be- wusst sein, dass dem positiven Stim- mungseffekt und anderen, mit dem Konsum alkoholischer Getränke als angenehm empfundenen Wirkungen ein Krankheitsrisiko gegenübersteht.

Bei den angegebenen Dosen und bei gesunden Menschen ist dieses Risiko allerdings sehr gering. Auf keinen Fall sollte Alkohol als koronares Thera- peutikum, auch nicht in kleinen Dosen, empfohlen werden.

Risikofaktor Abhängigkeit

Eine der bedeutendsten negativen Effekte von Alkohol ist die Abhängig- keit. Familien-, Zwillings- und Adopti- onsstudien haben einen genetischen Einfluss zweifelsfrei zeigen können.

Verwandte ersten Grades von Alko- holkranken haben ein etwa siebenfach höheres Risiko, selbst abhängig zu werden. Soziale Faktoren haben dabei einen erheblichen Einfluss darauf, ob jemand tatsächlich abhängig wird. So ist bekannt, dass die Zahl der schweren Trinker mit der Gesamtmenge des von der Bevölkerung konsumierten Alko- hols zunimmt. In diesem Zusammen- hang scheint es wichtig darauf hinzu- weisen, dass eine generelle Empfeh- lung von Alkohol zur Koronarprotek- tion für Menschen, die bisher keinen Alkohol getrunken haben, mit einer circa zehnprozentigen Abhängigkeits- rate einhergehen würde.

Alkoholassoziierte Organschäden

Chronischer Alkoholkonsum in höheren Dosen oder aber auch bei Ri- sikopatienten in moderaten Dosen führt zu Schäden der Leber, des Pan- kreas, des Gastrointestinaltrakts und des Herzens. Bezüglich der Leber weisen mehrere Studien darauf hin, dass kein risikofreier Schwellenwert für den Alkoholkonsum gesehen wer- den kann. Zusammenfassend spre- chen die Daten jedoch dafür, dass das Risiko für die Entwicklung einer fort- schreitenden Lebererkrankung bei Männern bis zu einem Alkoholkon- sum von circa 40 g pro Tag gering ist.

Die Leber von Frauen scheint wesent- lich empfindlicher zu sein und hier werden die Grenzwerte für einen risi- koarmen Alkoholkonsum mit 20 g pro Tag angegeben. Bei einem Konsum

von 40 bis 60 g Alkohol pro Tag fand sich ein sechsfach erhöhtes Zirrhose- risiko im Vergleich zu einer Gruppe mit einem Konsum zwischen 0 bis 40 g pro Tag. Ein circa 14-fach höheres Ri- siko fand sich bei einem Konsum von 61 bis 80 g pro Tag und ein über 50-fa- ches Risiko bei 81 bis 1 000 g Alkohol pro Tag. Eine enge Beziehung besteht zwischen Alkoholkonsum und Zir- rhosesterblichkeit. Der Anstieg der Zirrhosesterblichkeit in Deutschland zwischen 1950 und 1980 betrug circa 400 Prozent. Wichtig erscheint ferner, dass Alkoholkonsum einen ungünsti- gen Einfluss auf den Verlauf chroni- scher Lebererkrankungen anderer Ursache hat. Patienten mit einer He- patitis C beispielsweise müssen Alko- hol komplett meiden.

Auch die chronische Pankreatitis ist eine Folge chronischen Alkohol- missbrauchs. Ein bis vier Prozent aller

A-1539

M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 22, 2. Juni 2000 KONGRESSBERICHT

Grafik

Kaiser-Perm 1

0 50 100

0 50 100 0 50 100

0 50 100

0 50 100 0 50 100

0 35 70 0 35 70

0 35 70 0 35 70

Männer

Frauen

Am Cancer British Drs

Gesamtmortalität in Prozent

Framingham 20

12

40

25

40

32 10

7

5

4,4

10

6

18

10

28

20

3

2

3,5

2,5 Kaiser-Perm 2 Whitehall

Am Cancer Framingham

Alkoholeinheiten pro Woche

Kaiser-Perm 2 Nurses

Einfluss der Alkoholzufuhr auf das Risiko der Gesamtmortalität in verschiedenen epidemiologischen Studien.

Auffallend ist, dass die niedrigste Gesamtmortalität nicht einheitlich bei derselben Alkoholzufuhr liegt, son- dern dass die niedrigste Gesamtmortalität in den unterschiedlichen Studien bei unterschiedlicher Alkoholzu- fuhr zu registrieren ist. Dies spricht für ein unterschiedliches Risiko bei unterschiedlich untersuchten Popula- tionen und somit für ein populationsspezifisches und letztendlich für ein individualspezifisches Mor- talitätsrisiko durch Alkohol (eine Alkoholeinheit entspricht 9 g) (nach White, J Clin Epidemiol 1999; 52:

967–975; mit Erlaubnis des Autors).

(3)

Menschen mit chronischem Alkohol- abusus entwickeln eine solche chroni- sche Pankreatitis und 30 bis 60 Prozent zeigen eine Schädigung der Bauch- speicheldrüse. Alkohol führt auch zu schweren Veränderungen der gastro- intestinalen Mukosa. Der Konsum größerer Mengen alkoholischer Ge- tränke führt häufig zu ausgeprägten Schleimhautverletzungen bis zu Blu- tungen. Erheblich verstärkt wird die Neigung zur Entstehung solcher Ver- letzungen bei zusätzlicher Einnahme von acetylsalicylhaltigen Medikamen- ten zur Linderung von „Katersympto- men“. Des Weiteren wird die Mukosa des Dünndarms morphologisch und funktionell geschädigt, was zu einer Malabsorption von Vitaminen (insbe- sondere Thiamin), aber auch Ami- nosäuren und Fetten führen kann.

Aufgrund der vermehrten Durchläs- sigkeit der Mukosa werden Endotoxi- ne über das Pfortadersystem aufge- nommen und der Leber zugeführt.

Alkoholkonsum jenseits der als mäßig zu betrachtenden Grenzen ist ebenfalls mit einem erhöhten Risiko verbunden, an Herz-Kreislauf-Erkran- kungen zu sterben, bedingt durch das gehäufte Auftreten von Bluthoch- druck, von alkoholischen Herzmuskel- erkrankungen und Rhythmusstörun- gen. Alkohol wird als eine der be- deutendsten und häufigsten Ursachen der sekundären Hypertonie und auch der therapieresistenten Hypertonie beschrieben. Eine klinisch manifeste Hypertonie kommt bei Alkoholkon- sumenten doppelt so häufig vor wie beim Nichtkonsumenten. Zwischen dem Alkoholkonsum und dem Blut- druck besteht eine mehr oder weniger lineare Beziehung ohne Schwellen- konsum. Alkoholabstinenz oder Kon- sumreduktion führt praktisch immer zu einer Blutdrucksenkung. Aufgrund der Blutdruckeffekte ist der Alkohol- konsum mit einem deutlich erhöhten Schlaganfallrisiko verbunden.

SSyysstteem miisscchhee SSttöörruunng geenn

Neben diesen wichtigen organbe- zogenen Alkoholschäden führt Alko- hol auch zu systemischen Störungen sowie Störungen des Immunsystems, was gehäuft zu bakteriellen Infektio- nen, zum Beispiel Lungenentzündun-

gen und Tuberkulose führen kann.

Bakterielle Infektionen einschließlich septischer Erkrankungen sind eine wesentliche Ursache für die erhöhte Krankheitsanfälligkeit und erhöhte Sterblichkeit bei Patienten mit Alko- holmissbrauch. Alkohol führt auch zu hormonellen Störungen, beim Mann zu vermindertem Testosteronspiegel mit Hodenatrophie, was klinisch in ei- nem deutlichen Libidoverlust und Im- potenz resultiert. Liegt gleichzeitig ei- ne Leberschädigung vor, fällt außer- dem eine Feminisierung mit erhöhten Östradiolspiegeln auf, was zu einem typisch weiblichen Behaarungstyp und einer Gynäkomastie führt. Alko- hol schädigt zudem die Spermienpro- duktion. Bei der Frau führt ein mode- rater Alkoholkonsum zu einer Er- höhung der Östradiolwerte, was einer- seits das Risiko für den Herzinfarkt vermindert, andererseits das Risiko für das Auftreten von Brustkrebs er- höht.

Alkohol führt auch zu einer Rei- he von Krebserkrankungen, nämlich zu Karzinomen des oberen Alimentär- und Respirationstrakts (Oropharynx, Larynx und Ösophagus), zu Leberkar- zinomen auf dem Boden einer alkoho- lischen Zirrhose aber auch – wie be- reits erwähnt – zu Mammakarzinomen und Kolorektalkarzinomen. Das Risi- ko für den oberen Alimentärtrakt ist besonders hoch und bei gleichzeitigem Rauchen sieht man einen synergisti- schen Effekt. So liegt das Risiko eines Ösophaguskarzinoms bei mehr als 80 g Alkohol pro Tag bei einem Faktor von 18, bei mehr als 20 Zigaretten pro Tag, bei einem Faktor von 5 und wenn beides zusammenkommt, bei einem Faktor von 44!

Weiterhin kann Alkohol zu schweren Ernährungs- und Stoff- wechselstörungen führen. Der Stoff- wechsel aller Vitamine und Spuren- elemente wird durch Alkohol auf al- len Stufen des Stoffwechsels ungün- stig beeinflusst, angefangen von der Zufuhr mit der Nahrung, der Verdau- ung, der Aufnahme, des Transportes im Blut, der Speicherung, der Stoff- aktivierung und der Ausscheidung.

Nicht nur wegen des beträchtlichen Kaloriengehaltes von Alkohol (7,1 kcal/g), sondern auch weil der Fett- stoffwechsel (Verminderung der Fett- verbrennung durch Alkohol) gestört

wird, muss der moderate Alkohol- konsum auch als Risikofaktor für die Entstehung von Übergewicht be- trachtet werden. Übergewicht gehört zu den wichtigsten Faktoren, die das Herzkreislaufrisiko erhöhen.

Aufgrund des Stoffwechsels von Alkohol in der Leber wird die Leber- zelle mit Reduktionsäquivalenten in Form von NADH überflutet. Dies kann zu einer Reihe von Stoffwech- selstörungen führen, insbesondere wenn eine solche präformierte Stö- rung bereits vorliegt. Im Einzelnen sind zu nennen: Hyperlipoprotein- ämie, Hyperurikämie bis hin zum Gichtanfall, Hyperlactacidämie mit Acidose, Hypoglykämien und Por- phyrien.

Die Wechselwirkung zwischen Alkohol und einer großen Zahl von Medikamenten stellt für die Praxis und die Klinik ein wichtiges Problem dar. Die Wechselwirkungen betreffen sowohl den Arzneimittelstoffwechsel als auch zum Teil die Arzneimittel- wirkung.

FFeetta alleess A Allkkoohhoollssyynnd drroom m

Die häufigste Ursache für eine geistige Retardierung des Neugebore- nen ist das fetale Alkoholsyndrom (noch vor dem Down-Syndrom). Die Zahlen schwanken je nach untersuch- ter Gruppe zwischen 1:100 und 1:1 000. Das Risiko für Alkoholiker, ein Kind zur Welt zu bringen, das durch ein fetales Alkoholsyndrom ge- schädigt ist, liegt bei 32 bis 43 Prozent und ist abhängig von der zugeführten Alkoholmenge sowie dem Stadium der chronischen Abhängigkeit. Es konnte gezeigt werden, dass bereits zwei bis drei Drinks pro Tag (25 bis 35 g Alkohol pro Tag) zu stark vermin- dertem Geburtsgewicht führen kön- nen. Auch die Fehlbildungsrate ist do- sisabhängig. Eine sichere Schwellen- dosis für den mütterlichen Alkohol- konsum gibt es nicht.

R

Reessüüm meeee

Zwischen positivem und nega- tivem Alkoholeffekt besteht ein schmaler Grad. Alkoholkonsum för- dert die Gesundheit nicht, sondern A-1540

M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 22, 2. Juni 2000

KONGRESSBERICHT

(4)

A-1541

M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 22, 2. Juni 2000 ein geringfügiger Alkoholkonsum

senkt das relative Risiko für wenige, sehr spezifische Erkrankungen wie koronare Herzerkrankungen, den ischämischen Schlaganfall.

Die Nebenwirkungen chroni- schen Alkoholkonsums sind be- trächtlich und unterliegen nicht nur der Dosis, sondern auch einer indivi- duellen Suszeptibilität. So ist es sehr schwer, negative Folgeerkrankungen durch chronischen Alkoholkonsum vorherzusagen.

Es gibt keinen risikofreien Alko- holkonsum. Man kann lediglich eine risikoarme, maximale Trinkmenge angeben (die risikoarme maximale Trinkmenge für alkoholische Geträn- ke pro Tag bei gesunden Personen be- trägt für Männer dreimal 1/4 Liter Bier oder dreimal 1/8 Liter Wein und bei Frauen zweimal 1/4 Liter Bier oder zweimal 1/8 Liter Wein).

Ein täglicher Alkoholkonsum über die risikoarme Trinkmenge hin- aus erhöht das Risiko für zahlreiche Erkrankungen. Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang darauf hinzu- weisen, dass es eine Reihe von Men- schen gibt, die aufgrund anderer Risi- ken (Neigung zu Stoffwechselerkran- kungen, Bluthochdruck, Rhythmus- störungen, genetische Prädisposition für Brust- und Kolorektalkarzinome, Lebererkrankungen und so weiter) auch von kleinen Alkoholmengen (ri- sikoarm) negative gesundheitliche Konsequenzen erwarten können.

Literatur beim Verfasser

Prof. Dr. med. Helmut K. Seitz Internist und Gastroenterologe Innere Abteilung

Krankenhaus Salem Zeppelinstraße 11–33 69121 Heidelberg

KONGRESSBERICHT/FÜR SIE REFERIERT

In Zusammenarbeit mit der Kommission des wissenschaftlichen Kuratoriums der Hauptstel- le gegen die Suchtgefahren:

Prof. Dr. med. Helmut K. Seitz, Heidelberg Prof. Dr. med. Christian Bode, Stuttgart Dr. med. Gerhard Bühringer, München Prof. Dr. med. Heinz Maier, Ulm

Prof. Dr. med. Hans Rommelspacher, Berlin Prof. Dr. med. Paolo M. Suter, Zürich Edith Göcke, Hamm

Ein seit längerem in den USA be- obachtetes Phänomen besteht darin, dass die Zahl der täglichen Todesfälle über den Verlauf eines Monates sinkt.

Im Durchschnitt der Jahre 1973 bis 1988 hat man festgestellt, dass auf 100 Todesfälle in der letzten Woche eines Monats 114 in der folgenden Woche kommen. Eine Untersuchung der To- tenscheine hat ergeben, dass unter den Todesursachen der ersten Mo- natswochen Drogengebrauch, Alko- holmissbrauch, Mord und Selbsttö- tung eine besondere Rolle spielen.

Überproportional vertreten waren bei diesen Diagnosen Nichtweiße. Da der soziale Status der Verstorbenen nicht dokumentiert ist, folgern die

Autoren, dass sich hier möglicherwei- se ein Armutsphänomen zeigt. Am Ende des Monats werden üblicher- weise Sozialhilfen und ähnliche Lei- stungen ausgezahlt. Da gegen Mo- natsende in den betroffenen Bevölke- rungskreisen wenig Geld zur Verfü- gung steht, wird am Monatsanfang mehr Geld für Alkohol und Drogen ausgegeben, was dann zu den höheren Todesfallzahlen führt. bt Phillips DP, Christenfeld N, Ryan NM:

An increase in the numbers of deaths in the United States in the first week of the month. N Eng J Med 1999; 341: 93–98.

Dr. David P. Christenfeld, Sociology De- partment, 0533, University of California at San Diego, La Jolla, CA 92093-0533.

Mehr Todesfälle am Monatsanfang in den USA

Eine englische Untersuchung konnte zeigen, dass bei Partnerinnen männlicher Arbeiter der atomaren Wiederaufbereitungsanlage Sellafield in Abhängigkeit von der präkonzep- tionellen Strahlendosis erhöhte Tot- geburtenraten auftraten. Von 1950 bis 1989 wurden 130 Totgeburten von Partnerinnen männlicher Angestell- ter der Wiederaufbereitungsanlage identifiziert. Die Höhe der berufli- chen Strahlenexposition der Väter vor der Konzeption korrelierte mit der Rate der Totgeburten, das relative Risiko betrug im Mittel 1,24. Für Tot-

geburten mit kongenitalen Anomali- en war dieser Zusammenhang noch deutlicher, am ausgeprägtesten bei Schädigung des Neuralrohrs. Anders berechnet konnten 32 der 130 aufge- tretenen Totgeburten unmittelbar auf die Strahlenbelastung der Väter zurückgeführt werden. acc Parker L et al.: Stillbirths among offspring of male radiation workers at Sellafield nuclear reprocessing plant.

Lancet 1999; 354: 1407–1414.

Dr. Louise Parker, Sir James Spence In- stitute, Royal Victoria Infirmary, New- castle upon Tyne NE1 4LP, England.

Erhöhte Totgeburtenrate bei Arbeitern einer nuklearen Wiederaufbereitungsanlage

Das Risiko, ein kolorektales Kar- zinom auf den Boden einer Colitis ul- cerosa zu entwickeln, nimmt mit der Erkrankungsdauer und dem Ausmaß des Darmbefalls zu; so wiesen 40 Jahre nach Beginn einer Pankolitis 25 bis 30 Prozent aller Patienten ein kolorekta- les Karzinom auf. In einer Fall-Kon- troll-Studie an 102 Patienten mit kolo- rektalem Karzinom auf dem Boden ei- ner Colitis ulcerosa wurde gezeigt, dass die regelmäßige Einnahme von 5-ASA das Krebsrisiko um 75 Prozent zu sen- ken vermag. Koloskopische Überwa- chungsmaßnahmen werden von den

Autoren in erster Linie bei Patienten empfohlen, die aufgrund einer Arz- neimittelallergie nicht in der Lage sind, regelmäßig 5-ASA einzunehmen. Ein unabhängiger Risikofaktor ist darüber hinaus eine familiäre Krebsbelastung für das kolorektale Karzinom. w Eaden J, Abrams K, Ekbom A, Jackson E, Mayberry J: Colorectal cancer preven- tion in ulcerative colitis: a case-control study. Aliment Pharmacol Ther 2000; 14:

145–153.

The Gastrointestinal Research Unit, Leice- ster General Hospital, Gwendolen Road, Leicester LE 5 4PW, Großbritannien.

Krebsprävention bei Colitis ulcerosa durch 5-ASA

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Einige (über- eifrige) Kanzlermitarbeiter haben dann allerdings mit Hilfe des „Spie- gel“ für Desinformation gesorgt: Sie verbreiteten flugs und falsch, die Ärzte seien mit

365 Wohlfühltips für Körper und Seele, aus dem Ame- rikanischen von Christina Kotte und Judith Mayer, Verlag Herder, Freiburg, Basel, Wien, 1999, 409 Seiten, kartoniert, 39,80

Kontrollierte Untersuchungen bei Patienten mit geringem Risiko für einen Kreatininanstieg zeigen ein glei- ches Risiko dieser Nebenwirkung un- ter ACE-Hemmer und AT1RA.. Des-

Auch die negative Beeinflussung der Psoriasis durch Alkohol wird vermutlich über ei- ne vermehrte Sekretion proinflamma- torischer Zytokine verursacht.. Die Verschlechterung

C) Die gesetzliche Verpflich- tung des Herstellers, die Ärzte über neu bekannt gewordene unerwünschte Wirkungen sei- ner Arzneimittel, auch in be- gründeten Verdachtsfällen,

Aber auch fachübergreifen- de Themen wie Kardioembo- lien, periphere arterielle Ver- schlusskrankheit sowie psy- chosoziale Aspekte der Herz- erkrankungen spiegeln die

Kornhuber fordert auch ei- ne Sonderabgabe auf Alkohol und Zigaretten, nicht zugun- sten des Staates, sondern für unsere (Not leidenden) Kran- kenkassen.. Das 71 Seiten star-

durch eine Nachoperation noch kurativ behandelt werden können (im ei- genen Krankengut konnte bei der Hälfte aller Tumorrezidive nach anteriorer Rektumresektion noch