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Archiv "Alkohol- und Nikotinschäden" (01.07.1976)

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Academic year: 2022

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Bericht und Meinung

Daß der Übergang von der statio- nären zur ambulanten Behandlung, mit dem sich der Kommissionsbe- richt vielfach befaßt, voller Proble- me ist, bestritt Prof. Christiani kei- neswegs. Unter den Patienten, die aus einer stationären psychiatri- schen Behandlung entlassen wer- den, ist immer ein bestimmter Pro- zentsatz vorhanden, die für eine gewisse Zeit noch weiterhin Schutz und Führung brauchen; allerdings, so betonte er, ist es überaus frag- würdig, diesen Schutz und diese Führung prinzipiell Institutionen zu übertragen. Für diese Patienten nämlich war die klinische Behand- lung in einer Institution der Höhe- punkt ihrer psychischen Störung.

Ein solcher Patient will aber mit der Institution, die für ihn mit die- sem Höhepunkt der Störung ver- bunden ist, im allgemeinen nichts mehr zu tun haben — weitere insti- tutionelle Behandlung und Betreu- ung könnte sogar neue psychische Schäden setzen.

Wer ärztlichen Schutz und ärztli- che Führung im Interesse des Pa- tienten verlangt, könne dies des- halb — ohne die vorhandenen In- stitutionen nun etwa abzuwerten — nicht weiterhin auf institutionellem Wege verlangen.

Prof. Christiani kündigte an, daß der nächste Deutsche Ärztetag sich erneut den Fragen der psych- iatrischen Versorgung der Bevölke- rung widmen werde. Die Enquete- Kommission ist aufgelöst; die Ge- sundheitsministerin hat ein nicht- ärztliches Institut beauftragt, die fi- nanziellen Probleme zu prüfen, die mit der Verwirklichung der von der Enquete-Kommission vorgeschla- genen Maßnahmen verbunden sind [Anmerkung des Referenten: ganz so, als ob das Ergebnis der Enque- te-Arbeit schon der Weisheit letzter Schluß und parlamentarisch be- schlossenes Gesetz wäre]. Wesent- lich ist, so sagte Prof. Christiani abschließend, daß die Psychiatrie

„im Gerede bleibt". Insofern bleibe es ein dauerndes Verdienst der Psychiatrie-Enquete-Kommission, darauf aufmerksam gemacht zu ha- ben, daß niemand unter den Ärzten

mehr ohne Kenntnis der Grundla- gen der Psychiatrie auskomme.

In der anschließenden Diskussion wurde vor allem deutlich, daß es in der Ärzteschaft an einer Stelle ein Informationsdefizit gibt: Vielfach wird die Meinung, ja Überzeugung der auf diesem Gebiet berufspoli- tisch aktiven Mitglieder der Ärzte- schaft, die sich gegen die Präpon- deranz der „Institutionen" richtet, verwechselt mit einer angeblichen Aversion gegen die „Träger" von Aktivitäten karitativer Art in diesem Bereich. Hier muß ein offenbar weit verbreiteter Irrtum richtiggestellt werden. Dies tat Dr. Thomas Zick- graf, in der Bundesärztekammer

ZITAT

Alkohol- und Nikotinschäden

„Die volkswirtschaftlichen Schäden durch Alkohol und Nikotin werden auf jährlich 15 bis 20 Milliarden DM ge- schätzt. Nach Meinung ame- rikanischer Forscher sind die Errungenschaften der Medi- zin der letzten vierzig Jahre allein durch das Fehlverhal- ten der Bevölkerung wieder aufgehoben worden."

Professor Dr. med. Hans- Werner Müller, Hauptge- schäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, in:

Das Krankenhaus, Heft 3/

1976, Seite 77.

für Fragen der Psychiatrie zustän- diger geschäftsführender Arzt: Er wies am Beispiel des Alkoholismus darauf hin, daß auf die Mithilfe von

„Trägern" von halbstationären oder auch ambulanten Einrichtungen gar nicht verzichtet werden kann, die die Lebensführung des aus ei- ner Entzugsbehandlung kommen- den Patienten beeinflussen. Gera- de in diesem Falle sei sogar bis- weilen der „Träger", wie zum Bei- spiel die „Anonymen Alkoholiker", dem Arzt überlegen, der sich nicht

davor schützen könne, von dem Patienten hinsichtlich der Verord- nung von Medikamenten „herein- gelegt" zu werden. Weder die „In- stitution", nämlich das die die Ent- giftung durchführende Kranken- haus, noch der niedergelassene Arzt könne es verhindern, daß ein Patient nach dieser Entgiftungsbe- handlung am zweiten Wochenende wieder „umgeworfen" werde. Ne- benbei: Dr. Zickgraf wies darauf hin, daß das Thema der Alkohol- krankheit im Medizinstudium gar nicht vorkomme.

Schließlich sollte aus der Diskus- sion noch ein Beitrag erwähnt wer- den, der erfrischend deutlich machte, daß Schlagworte allzu- leicht das Denken vernebeln, wenn man nicht auf den Grund ihrer Be- deutung geht. Zwar ist es heute nichts anderes als eine Mode be- stimmter politischer Kreise, das Krankheitsgeschehen auf die Um- welt oder auf die sozialen Bedin- gungen zu reduzieren — mit dem Zweck nämlich, mit gesundheitspo- litischen und gesundheitlichen Ar- gumenten politische Forderungen nach Änderungen der sozialen Be- dingungen zu motivieren. Dr. Ferdi- nand Oeter aber stellte in diesem Zusammenhang den Stellenwert der sozialen Bedingungen einmal klar: Wenn beispielsweise der so- ziale Wohnungsbau, so sagte er, nichts anderes als Hühnerställe für die Eltern und Pferche für die Kin- der produziert habe, wenn der Städtebau nichts anderes als eine unwirtliche Umwelt schaffe, so würden also von dieser Umwelt die Grundlagen für psychische Störun- gen geschaffen. Die Ärzte aber, so folgerte Dr. Oeter, sollten deutlich auf die Verantwortlichkeiten hin- weisen: „Der Arzt kann nicht Flick- schuster für die Fehlentwicklungen der Gesellschaft sein." Hier wie- derum — und diesmal nicht in Klammern — eine Bemerkung des Referenten: Der Arzt darf sich aber ebensowenig in den Elfenbeinturm eines die gesellschaftlichen Bedin- gungen völlig negierenden Behan- delns zurückziehen: Er läßt dann die Kranken mit der fehlentwickel- ten Gesellschaft allein. bt

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 27 vom 1. Juli 1976 1797

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