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Archiv "Ambulante fachärztliche Versorgung: Angriff von allen Seiten" (22.11.2002)

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s sieht nicht gut aus für die nieder- gelassenen Fachärzte. Überhaupt nicht gut, wie Dr. med. Axel Munte, der Vorsitzende des Bundesverbandes Niedergelassener Fachärzte (BNF), zu Beginn des 10. Deutschen Fachärzteta- ges in Köln verdeutlichte: „Der ambu- lante Facharzt ist extrem gefährdet. Er ist kaum noch zu retten.“

Was Munte den rund 400 anwesen- den Kolleginnen und Kollegen mitteil- te, hatte keineswegs den Charakter von bloßem Theaterdonner. Die ambulant tätigen Fachärzte stehen tatsächlich vor einer bedrohlichen Situation. Die Poli- tik ist nach Auffassung zahlreicher ärzt- licher Standesvertreter nämlich seit ge- raumer Zeit dabei, den Spezialisten in freier Praxis den Boden unter den Füßen wegzuziehen.

Dass dies keine unbeabsichtigte Ent- wicklung ist, steht für Dr. med. Hans- Friedrich Spies außer Frage. Der Frank- furter Internist ist Vorsitzender der Kas- senärztlichen Vereinigung Hessen und wie Axel Munte Mitglied im Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung. Spies sprach auf dem Fachärztetag von einem „schrittweisen, aber konse- quenten Vorgehen der Politik“, von ei- nem Angriff von allen Seiten.

Als Belege für seine These führte Spies zum einen die vom Gesetzgeber angeordnete Trennung der kassenärztli- chen Gesamtvergütung in einen haus- ärztlichen und fachärztlichen Teil an.

Bei der Berechnung der Anteile hat man – zulasten der Fachärzte – das Jahr zugrunde gelegt, in dem die Hausärzte ihren höchsten Umsatz erzielt hatten.

Daneben sind die Psychologischen Psy- chotherapeuten im Rahmen ihrer Inte- gration in die vertragsärztliche Versor- gung den Fachärzten zugeordnet wor- den. Sie beziehen ihre Honorare seither aus dem „fachärztlichen Topf“.

Hinzu kommt eine erhebliche Lei- stungsverlagerung aus dem Kranken- haus in die ambulante fachärztliche Versorgung, was bei einer strikten Bud- getierung den Druck auf die Honorare der Fachärzte erhöht. Mit der jetzt an- stehenden Einführung des DRG-Sy- stems im stationären Sektor dürfte sich die finanzielle Misere der ambulanten Fachärzte weiter verschärfen, denn je früher die Patienten aus dem Kranken- haus entlassen werden, desto rentabler werden dort die Fallpauschalen, und de-

sto größer wird der Versorgungsbedarf durch die Niedergelassenen.

„Fakt ist“, resümierte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung, Dr. med. Manfred Richter-Reich- helm, „dass immer weniger Geld für die ambulante fachärztliche Versorgung bleibt.“ Selbst wenn die sektorale Bud- getierung aufgehoben werden sollte, wä- re dies kein Anlass zur Entwarnung.

Richter-Reichhelm: „Wenn dies unter einem Globalbudget passiert, ist die wei- tere Entwicklung absehbar: Die Kran- kenhäuser werden noch mehr Geld ab- sorbieren als heute, die Hausärzte wer-

den auf ihrem festgeschriebenen Vergü- tungsanteil bestehen, und die Arzneimit- telausgaben werden steigen. Was bleibt da eigentlich noch für die niedergelasse- nen Fachärzte?“

In derartigen Situationen, wenn die Not groß ist, sucht man nach Verbünde- ten. Relativ spät erst entdecken die Fach- ärzte dabei den Hausarzt.Auch Prof. Dr.

med. Klaus-Dieter Kossow mag dies selt- sam vorgekommen sein. Der Vorsitzen- de des Hausärzteverbandes war gebeten worden, über die Zukunft der Fachärzte aus Sicht der Hausärzte zu reden, und er tat dies erkennbar aus einer Position der Stärke heraus. Kossow verhehlte nicht, dass ein Großteil der aktuellen Proble- me der Spezialisten aus seiner Sicht in der mangelhaften Kooperationsbereit- schaft mit den Hausärzten in den ver- gangenen Jahren begründet ist. Doch in der langen verweigerten Zusammenar- beit sieht der Vorsitzende des Hausärz- teverbandes einen Weg aus dem Dilem- ma. Kossow hält die „Kosten-Logik“ für so zwingend, dass sich die Dinge zwangs- läufig in eine Richtung entwickeln. Er sagte: „In allen Fällen wird am Ende nur die kostengünstigste Versorgungsstufe wettbewerbsfähig sein. Die stationäre Krankenhausbehandlung wird erst nach der ambulanten fachärztlichen Versor- gung infrage kommen. Die gleiche Lo- gik gilt für die Kooperation zwischen Hausärzten und Fachärzten. Wenn Hausärzte kostengünstiger und integra- tiver arbeiten als Spezialisten, werden sie in irgendeiner Form primär in Anspruch genommen werden müssen.“

Auch Dr. med. Norbert Metke, Or- thopäde und stellvertretender Vorsit- zender der KV Nord-Württemberg, plädierte für eine neue Form der Zu- sammenarbeit zwischen Fach- und Hausärzten. Er könne sich beispielswei- se gut vorstellen, dass man künftig bei P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 4722. November 2002 AA3145

Ambulante fachärztliche Versorgung

Angriff von allen Seiten

Die niedergelassenen Spezialisten steuern in eine ungewisse Zukunft. Beim 10. Deutschen Fachärztetag

in Köln prägten düstere Prognosen die Diskussion.

Sorgen um die Zukunft der Fachärzte: Axel Munte (l.) und Michael Hammer, die Organisa- toren des Fachärztetages Foto: Johannes Aevermann

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der direkten Inanspruchnahme von Spezialisten eine obligatorische Rück- überweisung zum Hausarzt vorsehe.

Dieser würde dann die weiteren Schrit- te koordinieren. Metke glaubt nicht, dass die fachärztliche Einzelpraxis noch Zukunft hat: „Das ist ein Auslaufmo- dell, wir brauchen neue Strukturen.“

Das meinte auch Spies, der beispiels- weise Großgerätepraxen künftig am Krankenhaus sieht. „Wir müssen über neue Wege nachdenken – über eine Stär- kung des kooperativen Belegarztwesens, über eine Konsiliartätigkeit der nieder- gelassenen Fachärzte im Krankenhaus und über die Nutzung gemeinsamer Res- sourcen beim ambulanten Operieren.“

Die KVen, sagte Spies, müssten „ihre fachärztlichen Mitglieder wiederent- decken“ und ihre Aufgabenstellung an- passen. Die KVen könnten Verträge über qualitätsgesicherte Leistungen zu festen Preisen schließen. Sie könnten dabei für Chancengleichheit mit den Krankenhäusern sorgen und eine Nota- riatsfunktion für den niedergelassenen Facharzt übernehmen, der selbst Ver- träge mit Krankenhäusern schließt.

Und die KVen könnten schließlich für flexiblere Praxisstrukturen – wie etwa Gesundheitszentren – eintreten.

Die Frage ist nur, ob den Kassenärztli- chen Vereinigungen und der KBV noch die Möglichkeit zur Mitgestaltung einge- räumt wird. Was die vermuteten Absich- ten der Bundesregierung angeht, zeigten sich die Redner auf dem Fachärztetag mehr als skeptisch. Prof. Dr. Jörg-Diet- rich Hoppe, der Präsident der Bundes- ärztekammer, sagte bei der Podiumsdis- kussion: „Man will die Steuerung des Gesundheitswesens aus der Arzt-Pati- ent-Beziehung in anonymere Strukturen verlagern.“ Richter-Reichhelm sprach von einer „Kahlschlagpolitik, der man den Kampf ansagen“ müsse.

Hoffnung setzen die Ärzte dabei auf die Patienten als die potenziellen Ver- bündeten, deren wachsender Unmut die Politik noch am ehesten beein- drucken dürfte. „Die Patienten“, zeigte sich der KBV-Vorsitzende überzeugt,

„wollen die wohnortnahe und flächen- deckende Versorgung durch ambulant tätige Fachärzte erhalten wissen. Die Patienten wollen keine niederländi- schen Verhältnisse mit langen Warteli-

sten.“ Josef Maus

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A3146 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 4722. November 2002

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ie Abgeordneten der Regierungs- fraktionen müssen sich hinter den dicken Mauern des Reichstagsge- bäudes wie in einer Trutzburg vorge- kommen sein. Gerade ging eine Sitzung des Gesundheitsausschusses zu Ende, als sich draußen, vor den Toren des hohen Hauses, der außerparlamentari- sche Protest gegen die Sparpläne im Gesundheitswesen formierte. Die Fen- ster blieben vorsichtshalber geschlossen – so konnten das Trommeln und Trillern der Demonstranten nicht in den Sit- zungssaal dringen.

Mehr als 15 000 Beschäftigte aus dem Gesundheitswesen waren kurzfri- stig einem Aufruf der 38 im „Bündnis Gesundheit 2000“ zusammengeschlos- senen Berufsverbände und der Deut- schen Krankenhausgesellschaft gefolgt und haben ihrem Ärger über das Spar- paket der Bundesregierung Luft ge- macht. Es waren keine geübten De- monstranten, die sich hier versammel- ten – schon gar keine radikalen. Die

meisten von ihnen zählten augen- scheinlich zur „politischen Mitte“ – ei- ner Wählerschicht also, die in Zeiten des Wahlkampfes emsig umworben wurde. Wenige Wochen nach der Wahl allerdings tat Bundeskanzler Gerhard Schröder die Kritik von Ärzten und anderen im Gesundheitswesen Tätigen lapidar als „Gejammere“ und „Lobby- istengeschrei“ ab.Viele von ihnen fühl- ten sich verletzt und gingen deshalb auf die Straße – manche zum ersten Mal in ihrem Leben.

„Man muss jetzt endlich den Mund aufmachen. Sonst machen die Politi- ker doch, was sie wollen“, sagt ein All- gemeinmediziner aus Kassel gegen- über dem Deutschen Ärzteblatt. „Ge- meinsam können wir es schaffen“, zeigt sich eine junge Krankenschwe- ster aus Schleswig-Holstein optimi- stisch. Ein Apotheker aus Bayern sorgt sich um die Jobs seiner Mitarbei- ter. Ein junger Chirurg aus Hamburg befürchtet ebenfalls, dass die geplante

Kundgebung

„Endlich den Mund aufmachen“

Mehr als 15 000 Demonstranten waren am Dienstag

vergangener Woche nach Berlin gekommen, um gegen das Sparpaket für das Gesundheitswesen zu protestieren.

Es waren keine geübten Demonstranten, die sich in Berlin versammelten. Aus Protest gegen die Kostendämpfungspolitik der Bundesregierung gingen sie auf die Straße – manche zum ersten Mal.

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Nullrunde Arbeitsplätze kosten wird:

„Wir machen doch schon jetzt etliche unbezahlte Überstunden.“ Eine Kran- kenschwester berichtet, dass bei der Arbeit alles nur noch „schnell, schnell“ ginge. Man habe kaum noch Zeit, sich näher mit den Patienten zu befassen.

Die offiziellen Redner der Veran- staltung trafen bald den richtigen Ton, um ihre Zuhörer zu erreichen. „Die Politiker lassen uns zur Ader und er- höhen sich selbst die Diäten um 129 Euro im Monat“, rief der Erste Vorsit- zende der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung, Dr. med. Manfred Rich- ter-Reichhelm, den Protestierenden zu. Rot-Grün sei nicht dafür gewählt worden, dass medizinische Leistungen eingeschränkt und Wartelisten einge- führt werden. So werde der Sozialstaat

„vor die Wand“ gefahren, sagte Rich- ter-Reichhelm. „Die Regierung drückt uns die Luft ab und zwingt uns zum Luftröhrenschnitt.“ Man werde diese Form der Rationierung nicht mitma- chen. „Dies ist keine Drohung, son- dern ein Versprechen.“

Vorschaltgesetz bedroht Tausende Arbeitsplätze

Der Vorsitzende des Marburger Bun- des, Dr. med. Frank Ulrich Montgo- mery, versprach der Regierung einen

„heißen Herbst und kochenden Win- ter“, sollte das Kostendämpfungsgesetz

– wie vorgesehen – in Kraft treten.Auch die Apotheker schlossen einen Arbeits- kampf nicht länger aus. Es sei zu be- fürchten, so der Vizepräsident der Bun- desvereinigung Deutscher Apotheker- verbände, Heinz-Günter Wolf, dass vor allem in Ostdeutschland zahlreiche Apotheken schließen müssten, wenn die eingeforderten Rabatte vom Groß- handel an die Apotheker weitergereicht würden.

Gertrud Stöcker, Vorsitzende des Bundesausschusses der Lehrerinnen und Lehrer für Pflegeberufe, wies dar- auf hin, dass wegen der geplanten Null-

runde für Krankenhäuser rund 40 000 Krankenschwestern und Krankenpfle- ger um ihren Arbeitsplatz fürchten müssten. Stöcker: „Damit ziehen Sie uns den Boden unter den Füßen weg, Frau Ministerin Schmidt!“

Der Protest der Demonstranten war nicht nur akustisch zu vernehmen, son- dern auch als Parolen auf Transparen- ten zu lesen. Dabei reichte die Spann- breite von klaren politischen Aussagen wie „Keine Nullrunde für Krankenhäu- ser“ bis hin zu etwas rumpeligen Rei- men: „Die Verwaltung der Kassen ist ein Moloch, deshalb ist im Etat ein Loch.“

Damit ihre Botschaft auch bis ins Kanzleramt dringt, nahmen die Teil- nehmer zum Abschluss der Kundge- bung eine gemeinsame Resolution des

„Bündnisses Gesundheit 2000“ und der Deutschen Krankenhausgesell- schaft an, die Kanzler Schröder über- reicht werden sollte. Darin fordern die Beschäftigten aus dem Gesund- heitswesen ein Ende der „konzepti- onslosen, beschäftigungs- und patien- tenfeindlichen Kostendämpfungspoli- tik“ sowie eine Abkehr von den so ge- nannten Verschiebebahnhöfen. Die Resolution schließt mit der Aufforde- rung an Gerhard Schröder: „Herr Bundeskanzler, es steht in Ihrer Macht: Ziehen Sie dieses Gesetz

zurück!“ Samir Rabbata

P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 4722. November 2002 AA3147

Beschäftigte aus nahezu allen Bereichen des Gesundheitswesens sind gekommen, um ihrem

Ärger Luft zu machen. Fotos: Daniel Rühmkorf

Freuen sich, dass mehr als 15 000 Demonstranten dem Aufruf des „Bünd- nisses Gesundheit 2000“ und der Deutschen Krankenhausgesellschaft gefolgt sind: Dr. med. Manfred Richter-Reichhelm, Heinz-Günter Wolf (Vizepräsident der ABDA), Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe (von links)

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