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Archiv "Fachärztliche ambulante Versorgung: In Zukunft zu wenig Basisversorger" (15.10.2010)

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A 1954 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 41

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15. Oktober 2010

FACHÄRZTLICHE AMBULANTE VERSORGUNG

In Zukunft zu wenig Basisversorger

Die Bevölkerung schrumpft – ihr Bedarf an fachärztlichen Leistungen nicht.

Diese Auffassung vertritt Prof. Dr. Eberhard Wille in einem Gutachten. Seine Empfehlung:

Mehr Angebote an der Schnittstelle ambulant-stationär – unter fairen Bedingungen.

W

er eine möglichst flächende- ckende ambulante fachärzt- liche Versorgung sicherstellen will, darf sich nicht darauf verlassen, dass der bevorstehende Bevölke- rungsrückgang auch zu einer rück- läufigen Nach frage nach ärztlichen Leistungen führen wird. Aufgrund der steigenden Zahl alter Menschen wird vielmehr der Bedarf steigen – bei sinkenden Vertragsarztzahlen.

Dass deshalb Lösungen für die Versorgung gefunden werden müs- sen, verdeutlicht ein Gutachten des Gesundheitsökonomen Prof. Dr.

Eberhard Wille zu Entwicklung, Stand und Perspektiven der flächen- deckenden ambulanten fachärztli- chen Versorgung. Wille hat im Auf- trag des Deutschen Facharztverbands (DFV)* beispielhaft analysiert, wie sich die Versorgung in Baden-Würt- temberg entwickeln wird; eine Aus- wertung für Bayern ist in Arbeit.

Die Zahl der Ärzte ist in den ver- gangenen Jahren zwar stetig gestie- gen. So nahm die Zahl der Kranken- hausärzte zwischen 1993 und 2008 um 24,8 Prozent zu, die der ambulant tätigen Ärzte um 13,9 Prozent. Doch dieser Trend kann einen nach Willes Auffassung angesichts der zu er - wartenden Zunahme der Anzahl alter Patienten in den nächsten Jahren nicht beruhigen.

Denn seinem Gutachten zufolge gibt es unter den ambulant tätigen Fachärzten nur wenig „Basisversor- ger“ mehr als vor Jahren. Nach An- gaben von Wille „verzeichneten die hausarztnahen Fachärzte wie Au- gen-, Haut-, Hals-Nasen-Ohren- Ärzte sowie Gynäkologen relativ

niedrige Zuwächse, während die krankenhausnahen Spezialisten wie Neurochirurgen, Nuklearmediziner sowie Kinder- und Jugendpsychia- ter überdurchschnittliche Wachs- tumsraten aufweisen“.

Alte Ärzte, alte Patienten – neue Herausforderungen Die relativ starke Zunahme dieser Spezialisten, betont der Ökonom, sei an sich noch kein Indiz für eine ineffiziente Versorgung, wie sie Kritiker der „doppelten Facharzt- schiene“ in ambulanter und statio- närer Versorgung anführen. Sie kön- ne schließlich auch darauf zurück- gehen, dass zahlreiche stationäre Leistungen nun ambulant erbracht werden.

Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate bei den ambulant tätigen Fachärzten betrug jedenfalls im analysierten Zeitraum 1,8 Pro- zent. Klammert man ärztliche Psy- chotherapeuten und Kinder- und Ju- gendlichenpsychiater sowie opera- tiv tätige Ärzte aus, waren es 1,2 Prozent. Dazu kommt, dass solche Steigerungsraten ob der Altersstruk- tur der Vertragsärzte für die Zukunft kaum fortzuschreiben sein werden.

Bis zum Jahr 2015 werden nach Berechnungen für das Gutachten fast ein Viertel aller heute praktizie- renden ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte 65 Jahre alt sein, bis zum Jahr 2025 sind es sogar 65 Prozent.

Diese Prognose umfasst allerdings Haus- wie Fachärzte. Zudem wird in Baden-Württemberg den Prognosen zufolge die Nachfrage nach ambu- lanten Leistungen in schwächer be- siedelten Gebieten deutlicher anstei- gen als in Ballungszentren.

Willes Prognosen beruhen zum einen auf Bevölkerungsvorausbe- rechnungen des Statistischen Bun- desamtes bis zum Jahr 2060 sowie des Statistischen Landesamtes Ba- den-Württemberg bis zum Jahr 2030. Letztere erlaubt eine Analyse der Bevölkerungsentwicklung in einzelnen Kreisen. Drei daraus ab- geleitete Szenarien gehen von ei- nem Rückgang der Bevölkerung bis zum Jahr 2030 zwischen 0,1 und 3,5 Prozent aus.

Zum anderen hat Wille Daten der Kassenärztlichen Vereinigung Ba- den-Württemberg zu Arzt-Patient- Kontakten aus dem Jahr 2009 ver- wendet. Im Durchschnitt waren die Baden-Württemberger danach 8,3- mal bei einem Vertragsarzt, die Ba- den-Württembergerinnen 10,9-mal.

Hier sei zu bedenken, dass zumin- dest die Anzahl der dokumentierten

*Der DFV unter Vorsitz von Dr. med. Thomas Scharmann setzt sich für den Erhalt der ambulanten Facharztmedizin in Praxen ein. Er ist die Dachorganisa- tion der Berufsverbände von Augenärzten, niedergelassenen Chirurgen, Dermatologen, Frauenärzten, niedergelassenen Gastroenterologen, Hals-Nasen- Ohrenärzten, Orthopäden und Unfallchirurgen, Pneumologen, Rheumatologen.

Für ein gedeihliches Miteinander von Vertrags- und Krankenhausärzten fehlen die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen.

Prof. Dr. Eberhard Wille

Foto: Uni Mannheim

P O L I T I K

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Deutsches Ärzteblatt

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15. Oktober 2010 A 1955 Kontakte als Folge stärker pauscha-

lierter Honorare im Vergleich zu den Vorjahren niedriger sei, sagte Wille.

Für die Zukunft muss man sie auf- grund der steigenden Zahl älterer Patienten eher höher anzusetzen.

So oder so – in allen drei Szena- rien fehlen nach seiner Darstellung trotz einer schrumpfenden Bevölke- rung Ärzte im ambulanten Bereich.

Selbst nach Szenario 1 (Bevölke- rungsrückgang um 3,5 Prozent) wür- de die Gesamtnachfrage insgesamt um rund vier Prozent steigen. Im Einzelnen wären dies etwa 20 Pro- zent bei den Urologen, 15 Prozent bei Kardiologen sowie Hämatolo- gen/Onkologen, zehn Prozent bei Augenärzten und sieben Prozent bei den Gastroenterologen.

Was tun? In größerem Umfang und effizienter als heute noch an den Schnittstellen von ambulanter und stationärer Versorgung mitei- nander arbeiten, empfahl Ökonom Wille. Er verwies auf die große Zahl an Eintages- sowie Zweitages - aufenthalten in Krankenhäusern (2,56 beziehungsweise 2,09 Millio- nen Fälle im Jahr 2008). Hier bieten sich nach seiner Auffassung Chan- cen, über Leistungsverlagerungen zwischen stationärem und ambu- lantem Bereich Effizienz und Ef- fektivität zu steigern.

Ob dies besser gelingen kann, in- dem man den Wettbewerb zwischen Vertrags- und Krankenhausärzten anheizt oder zielorientierte Koopera- tionen zwischen beiden Gruppen

fördert, ließ Wille offen. Eines stellte er aber klar: „Für ein gedeihliches Miteinander fehlen die ordnungspo- litischen Rahmenbedingungen.“

Der DFV verlangt deshalb von der Politik, es nicht länger an fairen Wettbewerbsregeln zulasten der ambulant tätigen Fachärzte fehlen zu lassen. „Der DFV fordert zum Beispiel einen Zuschlag für die Facharztpraxen auf die Leistungen, bei denen Klinik und Praxis in di- rekter Konkurrenz stehen“, hieß es.

Rebscher: Zahnärzte rechnen mit Bedarfslücken

Weniger eindeutig als Willes Prog- nosen fielen die Einschätzungen im Rahmen einer Diskussionsveran- staltung „Quo vadis ambulante ärz- liche Versorgung“ aus, zu der in Berlin die Kassenärztliche Vereini- gung (KV) Baden-Württemberg eingeladen hatte. Nach Meinung des DAK-Vorstandsvorsitzenden Prof. Dr. Herbert Rebscher stehen genaue Analysen, wie sich der Ver- sorgungsbedarf infolge der Bevöl- kerungsalterung entwickeln wird, noch aus: „Wenn wir 2060 zehn bis 15 Millionen Menschen weniger sein werden, müssen wir erst ein- mal überprüfen, ob wir durch die äl- tere Bevölkerung wirklich einen höheren Versorgungsbedarf haben.

Den Zahnärzten fehlen dann auf je- den Fall 320 Millionen zu behan- delnde Zähne.“

Einen sich abzeichnenden Ärzte- mangel in naher Zukunft erwartet

Ministerialdirektor Thomas Halder nicht. „Wir haben zurzeit den Höchststand an niedergelassenen Leistungserbringern in Baden- Württemberg“, stellte der Amtschef im Ministerium für Arbeit und So- zialordnung, Familien und Senioren in Baden-Württemberg klar. Sie seien allerdings schlecht auf die Re- gionen verteilt.

„Die hausärztliche Versorgung in Baden-Württemberg wird bis 2015 nicht zusammenbrechen“, prognosti- zierte Halder. Dennoch müsse die Bundesregierung die Bedarfsplanung reformieren. Halder sprach sich dafür aus, den Ländern dabei mehr Kompe- tenzen zu übertragen. „Ich habe nichts gegen diese Verantwortung – man muss sie uns nur geben.“ Vor allem bei der Verteilung der Gelder aus dem morbiditätsorientierten Risi- kostrukturausgleich und der Honorar- mittel wünschte sich der Landesver- treter mehr Mitspracherechte.

Dr. med. Berthold Dietsche, Vor- standsvorsitzender des Hausärzte- verbands Baden-Württemberg, be- tonte, dass mit den Hausarztverträgen nach Paragraf 73 b SGB V bereits eine gute Zukunftslösung existiere:

„Wir bieten eine flächendeckende integrierte Versorgung an – und das mit Praxissicherung. Deshalb ver- stehen wir auch nicht, warum die Bundesregierung mit dem GKV- Finanzierungsgesetz den 73 b beer- digen will.“

Annette Widmann-Mauz (CDU), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesund- heit, betonte, der drohende Ärzte- mangel sei ein komplexes Problem:

Um gegenzusteuern, müsse man verschiedene Maßnahmen ergreifen, erklärte die Staatssekretärin. Bei- spielsweise sei die Zahl der Medi- zinstudierenden zu gering, aber:

„Wir arbeiten daran, neue Studien- plätze zu schaffen“, sagte Wid- mann-Mauz. Darüber hinaus müss- ten die Arztsitze in ländlichen und strukturschwachen Regionen at- traktiver werden. Dazu gehörten nicht nur der Abbau von Bürokra- tie, sondern auch angepasste Regel- leistungsvolumina, die beispiels- weise auf dem Land höher ausfallen könnten als in der Stadt. ■ Dr. rer. nat Marc Meißner, Sabine Rieser In Thüringen und Westfalen-Lippe

werden im Jahr 2025 mehr Hausärz- te benötigt, als im Jahr 2007 verfüg- bar waren. Um für ausscheidende Ärzte genug Nachfolger zu finden und den Mehrbedarf zu decken, der sich aus der steigenden Anzahl älte- rer Menschen in Deutschland ergibt, müsste die Anzahl jährlich neu zuzu- lassender Hausärzte in Westfalen- Lippe im Vergleich zum Jahr 2008 bis 2025 um 22 Prozent steigen.

In Thüringen wären es sogar 53 Prozent.

Der Bevölkerungsrückgang allein wird die Probleme nicht beseitigen. Das hat das Zentralinstitut für die kassen- ärztliche Versorgung in der Bundesre- publik Deutschland (ZI) in einer im Mai vorgelegten Studie ermittelt. Sie ähnelt der von Prof. Dr. Eberhard Wille für Baden-Württemberg; die Autoren kom- men zu vergleichbaren Schlüssen.

Auch das ZI verweist darauf, dass neben Allgemeinmedizinern vor allem ein hoher Bedarf an Augenärzten, In- ternisten und Urologen bestehen wird (Infos unter: www.zi-berlin.de). Rie

ZI: LÜCKEN IN OST WIE WEST

P O L I T I K

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