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Archiv "Priorisierung: Zum Scheitern verurteilt" (20.11.2009)

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A 2370 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 106

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Heft 47

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20. November 2009 dizin. Ein Mehr an Medikamenten,

an Röntgenuntersuchungen, an Ope- rationen oder anderen invasiven Ein- griffen birgt unnötige und zusätzli- che Risiken. Der gute Arzt, die er- fahrene Ärztin wenden seltener und gezielter diese Methoden an als An- fänger – und zwar nicht, weil so Geld gespart wird, sondern weil sie in der Lage sind, eine bessere Medi- zin zu machen.

Wenn u. a. behauptet wird, dass öko- nomische Zwänge zu einer Vermin- derung medizinischer Eingriffe ge- führt hätten, so werden damit die tat- sächlichen Verhältnisse umgekehrt.

Der ökonomische Hebel führte und führt zu einer gefährlichen Auswei- tung dieser Eingriffe. Es wird in Deutschland nicht zu wenig, sondern zu viel geröntgt, operiert und mit fragwürdigen Methoden therapiert.

Eine Priorisierung im ursprünglichen Sinne würde zu einer Verminderung von Maßnahmen durch gezielteren Einsatz der Methoden führen.

Besonders unethisch ist die Be- schränkung der Priorisierungsforde- rung auf die gesetzlich Versicherten.

Selbstzahler (IGeL) und Privatpa- tienten werden in allen Stellungnah- men von der Priorisierung ausge- nommen. Sie können sich sozusagen freikaufen. Und das ist der entschei- dende Unterschied zu dem gepriese- nen schwedischen Vorbild. Dort gilt die Priorisierung uneingeschränkt für alle. Die von der Mehrheit der Ärztetagsdelegierten 2009 begrüßte Variante der Priorisierung würde zu einer dramatische Verstärkung der Zweiklassenversorgung hierzulande führen mit der Aufspaltung in ge- setzlich Versicherte auf der einen so- wie den privat Versicherten und den sogenannten IGeL-Patienten auf der anderen Seite.

Hinter der Kampagne eines Teils der Ärzteschaft unter Führung ihres Prä- sidenten Hoppe für die Priorisierung steckt meines Erachtens nicht die Sorge um eine drohende Unterver- sorgung. Sie will vielmehr bei einer reduzierten Patientenversorgung Gelder freisetzen, um die Einkom- men der Ärzte durch die dann üppi- ger fließenden privaten Honorare aufzubessern.

Dr. Winfried Beck, Mitglied im Vorstand des VDÄÄ, Wolframstraße 10, 63067 Offenbach am Main

Zum Scheitern verurteilt

Ahlert und Kliemt schlagen eine Priorisierungsänderung bei der Zu- weisung von Spendernieren mit Einführung eines weiteren von dem Erkrankungsbeginn abhängigen Kriteriums vor. Begründet wird dies mit der besseren Prognose und so- mit medizinischen Notwendigkeit von kurz nach Dialysebeginn trans- plantierten Patienten im Vergleich zu Langzeitdialysepatienten, veröf- fentlicht 2002 in einer Auswertung einer US-amerikanischen Daten- bank. Leider ist dieser Vorschlag aus zwei Gründen zum Scheitern verurteilt:

1. Es existiert derzeit kein objekti- ver Parameter, der eine Vorhersage des Zeitpunkts des Übergangs einer chronischen Niereninsuffizienz in eine terminale Niereninsuffizienz ermöglicht. Somit kann der in der Grafik aufgeführte maximale Punkt - wert des neu zu berücksichtigenden Priorisierungskriteriums nur mit dem Dialysebeginn zusammenfal- len und nicht wie von den Autoren angedeutet präemptiv zum Tragen kommen. Er verliefe damit absolut gegenläufig zum Wartezeitpunkt- wert.

2. Der medizinische Aspekt ist si- cherlich richtig, allerdings gilt die- ser medizinische Aspekt ebenfalls für das HLA-Kriterium, das heißt, je mehr Mismatches, desto höher die Fünf- und Zehnjahresmortalität mit ebenfalls nicht unerheblichen Unterschieden. Dies führte zu ei- nem zufälligen Transplantations- zeitpunkt (Zufall = HLA-Zusam- mensetzung von Spender und Emp- fänger), weshalb Wujciak und Opelz diese Zufallskomponente durch eine zusätzliche Komponente (Wartezeit) abfederten. Das von den Autoren vorgeschlagene weite- re wartezeitabhängige Kriterium wäre somit nur ein Rückschritt zu dieser Zufallskomponente und wäre der Verteilungsgerechtigkeit sicher- lich nicht zuträglich. Aus medizini- schen Gründen müsste man vor Einführung eines weiteren Parame- ters konsequenterweise die Ab- schaffung des Wartezeitparameters befürworten . . .

Dr. med. Christian Weber, Hindenburgstraße 38 a, 91054 Erlangen

Das griffige Habermas-Adjektiv

„postsäkular“ ist umstritten. Säku- larisation war ursprünglich die Um- wandlung eines „ewigen“ (geistli- chen und/oder kirchlichen) Gutes in ein „zeitliches“ (säkulares, das heißt weltliches und/oder staatliches). Ei- ne aktuelle Abkehr vom Zeitlichen sah Habermas in den apokalypti- schen Terrorflügen des 11. Septem- ber 2001, sodass für ihn (und offen- bar auch für die Herausgeber des theologischen Pathosophiebandes) die „post säkularen Ge sellschaften“

(inklusive Krankheit, Kranke und Ärzte) im gerade angebrochenen Jahrhundert neuerlich der Religion be dürfen. Werden jedoch Krankheit und Medizin alternativ zum wissen-

schaftlichen Kenntnis- stand gebietend religiös- gläubig reflektiert, ist das Nietzsche-Wort zu beachten: „Der ‚Glaube’

als Imperativ ist das Veto gegen die Wissenschaft.“

In diesem „postsäku- laren“ Dilemma und im Glauben an ewige Güter werden in dem Werk für die wissenschaftliche (sä- kulare) Krankheitsdeu- tung, für Behandlung und Pflege, für Sterben und Tod theo logische Ergänzungen an- geboten. Leider handelt es sich nur bedingt um ein „interdisziplinäres Gespräch“, weil neben 33 Dokto- ren der Theologie lediglich zwei Ärzte zu Wort kommen und ein wünschenswerter symmetrischer Dialog somit a priori nicht erfolgt.

Vermittelnd stellt deshalb der weltliche Leser des geistlich be- mühten Bandes die Frage, ob nicht für die dargelegte postsäkulare Krankheitsdeutung ein abgewan- deltes Jesus-Wort (Matth. 22, 21) dialektisch gelten sollte: „So gebet dem Arzt, was des Arztes ist, und dem Theologen, was des Theolo-

gen ist.“ Horst Nizze

Günter Thomas, Isolde Karle (Hrsg.): Krank- heitsdeutung in der postsäkularen Gesell- schaft. Kohlhammer, Stuttgart 2009, 618 Seiten, kartoniert, 49 Euro

KRANKHEITSSEELSORGE

Postsäkulare Krankheitsdeutung

B R I E F E M E D I E N

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