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Archiv "Das Renten-Defizit der Krankenversicherung zugeschoben . . ." (11.11.1976)

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Rentner haben's heute besser

Entwicklung des Altersruhegel- des in der Bundesrepublik Deutschland in Prozent des Net- toarbeitsentgelts jeweils zum jährlichen Anpassungstermin (seit 1972: 1. Juli)

66,9 62, 60,4 577 59,7 59,2 56,2 57,2 56,8 58,01

156,6 54,1 56,61 54,61

1957119591196111k311965119671969119711193119751 1958 19601962 1964196619681970 1972 1974 1976

Die Rentenversicherung ist ins Gerede gekommen. Doch trotz ihrer Finanzprobleme — an den Renten selbst will — einstweilen

— niemand sparen. Die nächste Erhöhung ist bereits verspro- chen. Schon in den letzten Jah- ren sind die Renten überdurch- schnittlich gestiegen: Von 1969 auf 1975 um 31,7 Prozent. Trotz Preissteigerungsraten stehen sich die Rentner damit erheblich besser als in früheren Jahren.

Redaktion:

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DEUTSCHE S ÄRZTEBLATT

Ärztliche Vitteilungen

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

Das

Renten-Defizit der

Krankenversicherung zugeschoben . . .

Die Krankenkassen müssen darauf gefaßt sein, daß sie maßgeblich zur Deckung des Defizits in der Rentenversicherung beizutragen haben. Bundesarbeitsminister Walter Arendt hat der Rentenversi- cherung bereits zugesagt, daß ihr Beitrag zur Krankenversicherung der Rentner 1977 uni drei Milliarden Mark gekürzt wird. Dies bedeu- tet, daß die Rentenversicherung vom 1. Juli 1977 an nur noch 11 Prozent der Rentenausgaben und nicht mehr wie bisher 16 bis 17 Prozent zur Finanzierung der Rentner-Krankenversicherug an die Krankenkassen überweisen muß. Das würde de facto heißen, daß die Rentenversicherung zumindest teilweise auf Kosten der Kran- kenversicherung saniert würde.

Dies kommt nicht überraschend. Arendt hatte bereits Ende 1974 in seinem Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung diese Verlagerung der Kosten von einem Zweig der Sozialversicherung auf den anderen vorgeschlagen.

Die Fraktionen von FDP und SPD waren ihm vor der Wahl aber nicht gefolgt. Walter Arendt und Bundeskanzler Helmut Schmidt hatten schon im September angekündigt, daß diese Vorschläge in der neuen Legislaturperiode wieder aus der Schublade geholt werden sollten.

Die Absicht, die Krankenkassen 1977 zunächst mit drei Milliarden Mark und danach jährlich zusätzlich mit sechs Milliarden Mark zu belasten, war von RegierungsAprecher Grünewald nach einer Ka- binettssitzung bekanntgegeben worden, auf der Arendt über sein Konzept zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit der Rentenversiche- rung im Jahr 1977 berichtet hatte. Grünewald hatte den Eindruck vermittelt, als sei dieses Konzept bereits von der Bundesregierung gebilligt worden. Dies hat dann den FDP-Vorsitzenden Hans- Dietrich Genscher veranlaßt, darauf hinzuweisen, daß im Kabinett keine Beschlüsse gefaßt worden seien. Künftige Entscheidungen im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung und der Kran- kenversicherung der Rentner seien damit nicht präjudiziert worden, ließ Genscher über den Pressedienst der FDP verbreiten.

1111

1570 ; 524 53,9 1

11

511,29 15112i5i2,6 ; Ilid

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 46 vom 11. November 1976

2917

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Die Information:

Bericht und Meinung

Defizit der Rentner

-

Krankenversicherung

Richtig ist, daß die Bundesregie- rung am 27. Oktober nur beschlos- sen hat, den Haushaltsentwurf 1977 der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte nicht zu beanstan- den. Richtig ist auch, daß die poli- tischen Entscheidungen über die fi- nanzielle Konsolidierung der Ren- tenversicherung endgültig erst im Rahmen der Koalitionsverhandlun- gen bis Mitte Dezember fallen wer- den. Es wäre aber falsch anzuneh- men, daß der von Arendt vorge- zeichnete Weg noch korrigiert wer- den könnte. Offen ist nur die Frage, wie denn die der Krankenversiche- rung zugedachte Mehrbelastung aufgefangen werden soll.

Dabei gibt es prinzipiell nur drei Wege:

• Entweder müssen die Beiträge der Kranken-Versicherten erhöht werden,

• oder die Rentner müssen zu ei- ner eigenen Beitragsleistung zu ihrer Krankenversicherung ver- pflichtet werden,

• oder Bundesregierung und Par- lament beschließen ein wirksames Programm zur Ausgabenbegren- zung der Krankenkassen.

Viel spricht dafür, daß am Ende im politischen Kompromiß diese drei Möglichkeiten miteinander ver- knüpft werden. Gegenüber der Öf- fentlichkeit ließe sich das dann leicht mit dem Hinweis begründen, daß alle Gruppen möglichst gleich- mäßig belastet werden sollten. Mit solchen Parolen ließe sich aus der Not, soziale Leistungen zurückneh- men zu müssen, auch noch eine Tugend machen.

Regierungssprecher Grünewald setzt bereits die Akzente. Die An- kündigungen der Krankenkassen, bei der Verwirklichung der Pläne Arendts die Beitragssätze im Durchschnitt um 1,2 Prozentpunkte erhöhen zu müssen, bezeichnete Grünewald als „verfrüht". Denn das beruhe auf der Annahme, die Bundesregierung werde nichts zur Kostensenkung unternehmen. Die- se Annahme sei „irreal". Auch Arendt ließ mitteilen, daß in seinem

Ministerium an einem Programm zur Kosteneinsparung gearbeitet werde. Einzelheiten wurden zu- nächst nicht mitgeteilt. In welcher Richtung gedacht wird, deutete Grünewald jedoch an: „Flankieren- de Maßnahmen" hätten schon im vergangenen Jahr begonnen.

Arendt, so sagte Grünewald, habe es vermocht, die kassenärztlichen Vereinigungen zu einem bestimm- ten Verhalten bei den Honorarver- handlungen zu bewegen. Das gleiche werde „weiterhin gesche- hen, und es werden weitere Kreise, die die Krankenversicherung ko- stenmäßig belasten, in solche Ge- spräche einbezogen werden".

Offensichtlich soll also das, was der Bundesverband der Ortskran- kenkassen als „einnahmeorientier- te Ausgabenpolitik" umschreibt, zur regierungsamtlichen Maxime werden. Auf dem Fernsehschirm kommentierte der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Orts- krankenkassen, Töns, die Absich- ten Arendts aber sehr kritisch: Die Stabilisierung der Beiträge sei nur

„durch eine intensive Mitwirkung"

der Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäu- ser und Apotheken zu erreichen gewesen. „Wir glauben aber nicht, daß wir sie dazu motivieren kön- nen, weiterhin in dieser Weise mit- zumachen, wenn das nur dazu dient, um die Rentenversicherung zu finanzieren. Deswegen ist diese Aktion geradezu der Todesstoß für die Kostendämpfungsbemühun- gen." Soweit Töns, der weiß, daß eine jährliche Mehrbelastung von rund sechs Milliarden Mark durch kein Kostensenkungsprogramm wegzubringen ist.

„Schwarzer Peter"

zunächst an die Kassen ...

Die Krankenkassen und ihre Ver- tragspartner haben auch zu regi- strieren, daß die Bundesregierung schon heute versucht, ihnen die Verantwortung für die zwangsläufig notwendigen Beitragserhöhungen in die Schuhe zu schieben. So hat Regierungssprecher Grünewald auf die Frage eines Journalisten, ob

denn der Kanzler im Wort stehe, die Bürger nicht stärker zu bela- sten, wie folgt geantwortet: Der Kanzler stehe nur bezüglich der Bundesregierung im Wort, und die Bundesregierung beabsichtige ja auch keine Beitragserhöhung. Die Krankenkassenbeiträge würden nicht von der Bundesregierung be- schlossen, sondern von den Mitglie- derversammlungen der Kranken- kassen. „Und hier sitzen Arbeitneh- mer und Arbeitgeber in einem Boot. Ich glaube", so Grünewald wörtlich, „die werden die nötige Disziplin aufbringen, um Beitrags- erhöhungen zu vermeiden."

... und dann an die Vertragspartner

Die Argumentationskette wird sichtbar: Beitragserhöhungen hat selbstverständlich nicht die Bun- desregierung, sondern die Selbst- verwaltung der Kassen zu verant- worten. Und wenn diese sich dann mit dem Hinweis auf die von ihr nicht zu beeinflussenden Einnah- men und Ausgaben zu exkulpieren sucht, so wird man eben die Ver- tragspartner, also Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Pharma-lndustrie und Krankenhäuser politisch haftbar zu machen suchen. Was eigentlich sagt die FDP dazu? Vorerst weist sie nur daraufhin, daß ja noch nichts beschlossen sei.

Aber dennoch: die Weichen sind bereits gestellt. Da Mitte 1977, wie von allen Parteien vor der Wahl versprochen, die Renten um zehn Prozent erhöht werden sollen, kann die Liquidität der Rentenversiche- rung nur durch eine Entlastung bei der Rentner-Krankenversicherung gesichert werden. Ob die CDU/CSU mit ihrer Bundesrats- mehrheit diese Pläne torpedieren wird, erscheint mehr als fraglich, denn auch die Opposition hat die Rentenerhöhung garantiert, und für höhere Zahlungen des Bundes kann sie nicht eintreten, solange sie die Erhöhung der Mehrwertsteuer blockiert. Die

FDP

wird auch prinzipiell nichts gegen die Kostenverlagerung von der

2918 Heft 46 vom 11. November 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(3)

Schwerer Brocken: Rentner-Krankenversicherung

Die Information:

Bericht und Meinung

Renten- zur Krankenversicherung einwenden können, denn sie hat diesen Plänen ja schon einmal, nämlich vor zwei Jahren, zuge- stimmt. Der Bundesarbeitsminister hat der Rentenversicherung am 18.

Oktober in Anwesenheit von Ver- tretern des Bundesfinanzministe- riums .und der Bundesbank namens der Bundesregierung die feste Zu- sage gegeben, daß die sogenannte Überzahlung der Rentenversiche- rung an die Krankenversicherung zum 1. Juli 1977 beendet wird. Die Rentenversicherung wird darauf natürlich ihre Finanzplanung ab- stellen. Das wäre nur zu korrigie- ren, wenn Finanzminister Apel 1977 aus dem Haushalt zusätzlich drei Milliarden Mark zur Rentenfinan- zierung bereitstellen würde. Einen solchen finanziellen Spielraum hat Apel jedoch nicht.

Diese Entwicklung wird vielen So- zialdemokraten auch ganz gelegen

kommen, da die zusätzliche Ko- stenbelastung der Krankenversi- cherung Anlaß gibt, die Vertrags- partner unter politischen Druck zu halten. Hinter vorgehaltener Hand wird dieses Argument verbreitet.

Auch schafft die zusätzliche Bela- stung der Krankenkassen bei der Rentner-Krankenversicherung die Legitimation, in der gegliederten Krankenversicherung einen Finanz- ausgleich einzuführen, der vor al- lem zu Lasten der Ersatzkassen gehen wird. Auch diese Konse- quenz der Bonner Pläne gilt es zu beachten.

Die Rentenversicherung kann, das steht fest, allein mit der Entlastung bei der Rentner-Krankenversiche- rung nicht saniert werden. 1976 ist ein Defizit von acht Milliarden Mark, 1977 eines von 15 Milliarden Mark zu erwarten. Im Juli noch hat- te Arendt vor dem Bundestag er- klärt, daß Eingriffe in das Lei- stungs- und Beitragsrecht nicht nö- tig seien. Die neuen Modellrech- nungen für den Rentenanpassungs- bericht, der nach dem Gesetz be- reits vorliegen müßte, nun aber wahrscheinlich erst im Januar dem Bundestag zugeleitet wird, besa- gen das Gegenteil. Nimmt man die

mittlere Variante der von Arendt vorgelegten Rechnungen, so zeigt sich, daß die Rücklage der Ren- tenversicherung, die ohnehin nur begrenzt zu liquidisieren ist, 1979 rechnerisch, de facto aber früher, verbraucht sein wird. 1980 ergibt sich ein nicht zu deckendes Defizit von mehr als zehn Milliarden Mark, das dann bis 1990 auf fast 160 Mil- liarden Mark anwachsen dürfte.

Dieser Rechnung liegt die Annah- me zugrunde, daß die Löhne jähr- lich um acht Prozent steigen, die Arbeitslosenquote schrittweise auf 2,5 Prozent sinkt und die Renten- versicherung, wie oben beschrie- ben, bei der Krankenversicherung der Rentner entlastet wird. Sollte unter Beibehaltung der übrigen An- nahmen die Arbeitslosenquote auf 1,5 Prozent sinken, so entstünde dennoch bis 1990 ein Defizit von mehr als 130 Milliarden Mark.

Deshalb überrascht es auch nicht, daß der Sozialbeirat Eingriffe in das Renten- und Beitragsrecht für erforderlich hält. Seine Alternativ- empfehlung sieht wie folgt aus:

• Die nächste Rentenerhöhung soll auf den Jahresbeginn 1978 ver- schoben werden; zusätzlich wird die Entlastung bei der Krankenver- sicherung der Rentner auf Kosten der Beitragszahler der Krankenver- sicherung vorgeschlagen.

• Oder: Verschiebung der über- nächsten Rentenanpassung auf

1979, Entlastung der Rentenversi- cherung bei der Rentner-Kranken- versicherung, Einführung eines Ei- genbeitrags der Rentner in Höhe von fünf Prozent und Erhöhung der Rentenbeiträge von jetzt 18 auf 19 Prozent des Arbeitsentgelts. We- gen des Krankenversicherungsbei- trages betrüge die tatsächliche Rentenerhöhung in diesem Fall nur fünf Prozent.

Die SPD/FDP-Koalition scheint bei- den Vorschlägen nicht folgen zu wollen. Sie akzeptiert weder die Verschiebung der nächsten Ren- tenanpassung auf 1978, noch die Einführung eines Krankenbeitrags der Rentner von fünf Prozent, noch die Erhöhung des Rentenbeitrags auf 19 Prozent. Vorerst scheinen nur zwei Maßnahmen möglich: Ent- lastung der Rentenversicherung um sechs Milliarden Mark, wobei offen ist, wer dies endgültig be- zahlt; Verschiebung der übernäch- sten Rentenanpassung vom 1. Juli 1978 auf den 1. Januar 1979. Auf längere Sicht könnte damit die Rentenversicherung wieder ins fi- nanzielle Gleichgewicht gebracht werden. Aber diese beiden Maß- nahmen würden nicht ausreichen, um die Liquidität der Rentenversi- cherung langfristig sicherzustellen.

Wenn die Koalition an diesem Kon- zept festhält, so bleibt ihr nur die Wahl, entweder zusätzlich die Ren- tenbeiträge zu erhöhen oder infla- tionäre Politik zu betreiben ... wst

DEUTSCHES , ÄRZTEBLATT Heft 46 vom 11. November 1976 2919

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