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Keine der im Bonner Parlament vertretenen Parteien hat bislang ein überzeugendes Konzept zur fi- nanziellen Konsolidierung der Ren- tenversicherung vorgelegt. Als All- heilmittel wird aber jetzt immer häufiger die Reform der Kranken- versicherung der Rentner genannt.
Bundeskanzler Schmidt hat in ei- nem Interview sogar ausdrücklich auf den im Bundestag hängenge- bliebenen Gesetzentwurf von Ar- beitsminister Arendt verwiesen, auf den die Regierung in der nächsten Legislaturperiode zurückkommen werde. Dies muß die Befürchtung wecken, daß die Defizite der Ren- tenversicherung auf die gesetzli- chen Krankenkassen abgewälzt werden sollen. Arendts Gesetzent- wurf hätte die Beitragssätze der gesetzlichen Kassen um 1,2 Pro- zentpunkte in die Höhe getrieben.
Der Bundeskanzler steht mit seiner Forderung nach der Neuordnung der Rentner-Krankenversicherung nicht allein. Minister Arendt hatte zuvor bereits entsprechende An- kündigungen gemacht. Und für die CDU scheint der frühere Arbeitsmi- nister Hans Katzer ähnliche An- sichten zu vertreten. So sprach Katzer im Zusammenhang mit den Problemen der Rentner-Kranken- versicherung von den großen Ratio- nalisierungsmöglichkeiten im Ge- sundheitswesen, was doch wohl nur heißen kann, daß Katzer bei Aus- schöpfung dieser Rationalisierungs- möglichkeiten die Chance sieht, Belastungen von der Rentenversi- cherung auf die Krankenversiche-
rung zu übertragen. Oder? Wahr- scheinlich haben solche Äußerun- gen aber nur den Sinn, die Zeit bis zum Wahltag zu überbrücken. Wer von der Neuordnung der Rentner- Krankenversicherung spricht, läßt offen, wen er am Ende zur Kasse bitten will.
Der FDP-Sozialpolitiker Schmidt (Kempten) bewies da mehr Mut.
Bislang hatte er zur Konsolidierung der Rentenversicherung nur die
„Aktualisierung" der Rentenanpas- sung empfohlen. Die Renten sollen danach den Löhnen nicht mehr im Abstand von drei Jahren, sondern nur noch im Abstand von einem Jahr folgen. Ein solcher Schritt brächte zwar Einsparungen, aber sie reichten bei weitem nicht aus.
Nun hat der Abgeordnete Schmidt auch davon gesprochen, daß nach der Wahl ganz rasch die Probleme der Rentner-Krankenversicherung
„auf den Tisch" gehörten. Wenn die Rentner selbst wieder einen Beitrag zu ihrer Krankenversiche- rung zahlten, so könnten Beitragbe- lastungen ganz vermieden oder in Grenzen gehalten werden, meinte er.
Aber Schmidt, immerhin der Vorsit- zende des sozialpolitischen Ar- beitskreises der FDP-Fraktion, hat- te sich zu weit vorgewagt. Sein Fraktionsvorsitzender Mischnick pfiff ihn zurück. Mischnick erklärte dezidiert, für die FDP komme die Wiedereinführung des zweiprozen- tigen Krankenversicherungsbei-
Kein Rezept
gegen die Rentenmisere
Parteien fordern die „Neuordnung" der Rentner-Krankenversicherung
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 38 vom 16. September 1976 2405
Leserdienst
Hinweise • Anregungen
Kein Rezept gegen Rentenmisere
trags der Rentner oder eine ähn- lich „falsche Lösung" nicht in Fra- ge. Basta! Mischnick sagte aber nicht, was er denn für die richtige Lösung hält. Schmidt hatte offen- sichtlich in der Wahlkampfzeit zu laut gedacht.
Wie sehen nun heute die Fakten aus?
• Mit der Rente ist im Regelfall auch die beitragsfreie Krankenver- sicherung verbunden. Die große Koalition hatte 1968 einen zweipro- zentigen Krankenversicherungsbei- trag eingeführt; die SPD/FDP-Koa- lition hatte diesen Beitrag wieder abgeschafft. Damit tragen heute die Beitragszahler in der Renten- versicherung und in der Kranken- versicherung die Ausgaben für die Krankenversicherung der Rentner.
• 1968 war gesetzlich festgelegt worden, daß die Rentenversiche- rung 80 Prozent und die gesetzli- chen Krankenkassen 20 Prozent dieser Ausgaben zu tragen haben.
Seit Anfang der siebziger Jahre wird dieses Gesetz aber nicht mehr korrekt angewandt, da das Bun- desarbeitsministerium nicht die entsprechenden Verordnungen er- ließ. Dies hat zu Überzahlungen der Rentenversicherung geführt.
Die vom Arbeitsministerium ange- strebte „Reform" lief nun darauf hinaus, die Krankenkassen stärker zu belasten. Die Kassen hätten auf die Dauer mehr als 50 Prozent der Rentner-Kosten übernehmen müs- sen. Auf diesen Vorschlag will Kanzler Schmidt, wie er sagt, zu- rückkommen. Die Bundesregierung hat sich dabei gegen den Vorwurf zu wehren, den Beitrag zur Renten- versicherung, dessen Erhöhung der Gesetzgeber zu beschließen hätte, auf Kosten der Krankenkas- sen stabil zu halten, deren Selbst- verwaltungen dann das unpopuläre Geschäft der Beitragserhöhung zu übernehmen hätten.
• Auch bietet eine solche Neuord- nung der Rentner-Krankenversi- cherung den Ansatzpunkt zur Sy- stemveränderung. Je höher die Be- lastungen der Krankenkassen aus
der Rentner-Krankenversicherung werden, um so zwingender wird ein Finanzausgleich zwischen den Krankenkassen und den Kassenar- ten; der Anteil der Rentner ist von Kasse zu Kasse unterschiedlich hoch. Mit einem solchen Finanz- ausgleich könnten die Weichen in Richtung Einheitsversicherung ge- stellt werden.
• Aber auch die geplante Neuord- nung der Rentner-Krankenversi- cherung würde nicht ausreichen, die Rentenversicherung finanziell zu konsolidieren. Im laufenden Jahr muß die Rücklage um fast neun Milliarden Mark abgeschmol- zen werden, im nächsten Jahr wird das Defizit bereits auf etwa 15 Mil- liarden Mark anwachsen, eine gute Konjunkturentwicklung noch unter- stellt. Bei der Rentner-Krankenver- sicherung könnte die Rentenversi- cherung allenfalls um etwa sechs Milliarden Mark entlastet werden.
Es bliebe also weiterhin ein gewal- tiges Loch, das letztlich der Bund abzudecken hätte, da die liquiden Rücklagen der Rentenversicherung nur noch bis Anfang des nächsten Jahres reichen. Schmidts und Arendts Lage sähe nur besser aus, wenn die Löhne wieder mit zwei- stelligen Zuwachsraten in die Höhe schnellten. Dies aber wäre gleich- bedeutend mit der Neubelebung des inflationären Prozesses.
Wer immer nach den Bundestags- wahlen regiert, er hat zwischen drei möglichen Wegen zur Sanie- rung der Rentenfinanzen die Wahl:
1. Er kann die Beiträge erhöhen;
2. er kann die Rentendynamik bremsen — so zum Beispiel durch das Zurückstellen der nächsten Rentenanpassung um ein halbes Jahr, durch Besteuerung der Ren- ten, durch Einführung eines Kran- kenversicherungsbeitrages für die Rentner, durch „Aktualisierung"
der Rentenanpassung;
3. er kann auch der Inflation wie- der freien Lauf lassen. Die nächste Krise wäre dann aber schon pro-
grammiert. wst
Aus der
pharmazeutischen Industrie
Sandoz-Betriebsstätte für Immun- biologie — Die Sandoz AG hat in Nürnberg ihre neue Betriebsstätte für Immunbiologie eröffnet. San- doz betritt mit der Immunbiologie ein neues Arbeitsgebiet. Die Ent- scheidung darüber fiel bereits in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre, als sich das Unternehmen zur Errichtung eines neuen For- schungszentrums in Wien ent- schloß. Ausschlaggebendes Motiv war dabei die Überlegung, daß die zukünftige Medizin zu einem er- heblichen Teil Präventivmedizin sein wird. Im Rahmen der dezen- tralisierten internationalen For- schung des Sandoz-Konzerns sollte sich das neue Forschungsin- stitut in Wien folglich primär mit der Therapie und Prophylaxe von Infektionskrankheiten beschäftigen.
Die Arbeiten auf dem immunbiologi- schen Sektor, die wegen der Dyna- mik der weltweiten Forschung auf diesem Gebiet besonders hohe An- strengungen bedingen, wurden vor gut fünf Jahren aufgenommen. Er- stes Ergebnis dieser engagierten Forschungsarbeiten ist eine inno- vative Influenza-Vakzine, mit der eine Idealvorstellung vieler nam- hafter Virologen erfüllt wird. Produ- ziert wird diese Grippevakzine in der neuen Betriebsstätte „Immun- biologie" in Nürnberg. Sie ist für die weltweit orientierte Herstellung, Entwicklung und Prüfung von Impfstoffen voll eingerichtet. Zu- nächst wird das Werk, das mo- dernste Fabrikations- und Umwelt- bedingungen erfüllt, zu 30 Prozent für die Produktion und zu 70 Pro- zent für Entwicklungen genutzt.
Das Investitionsvolumen des Pro- jektes betrug 20 Millionen DM; da- von ging relativ wenig in den ei- gentlichen Bau ein. Umweltschutz und die neuen WHO-Qualitätsnor- men machten den Löwenanteil aus:
Mehr als die Hälfte der Gesamtko- sten entfielen auf die Technik, auf Umweltschutzmaßnahmen insge-
samt 20 Prozent. KI
2406 Heft 38 vom 16. September 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT