A1708 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 24⏐⏐15. Juni 2007
A K T U E L L
Die Kassenärztliche Bundesverei- nigung (KBV) soll bei den Ver- handlungen zum neuen Einheitli- chen Bewertungsmaßstab auf ver- bindlichen Finanzierungszusagen der Krankenkassen bestehen. Dies forderten die Delegierten der Ärz- tegenossenschaft Schleswig-Hol- stein (ÄGSH) bei ihrer Generalver- sammlung am 6. Juni in Rends- burg. Angesichts der zu erwarten- den Finanzierungslücke von mehr als 18 Milliarden Euro für die haus- und fachärztliche Versorgung seien
„vage Hoffnungen auf eine morbi- ditätsorientierte Vergütung und die Verlagerung des Morbiditätsrisikos auf die Krankenkassen“ zu wenig, heißt es in dem Beschluss der Ge- nossenschaft. Sollten keine zusätz- lichen Gelder fließen, bleibe es trotz der Vergütungsumstellung bei einer „inflationären Muschel- währung“, warnte der Vorstands- sprecher der ÄGSH, Dr. med.
Klaus Bittmann. Die Ärzteschaft stehe in der Pflicht, mit allen Mit- teln gegen eine solche Unterfinan- zierung zu kämpfen. Gegebenenfalls müsse die KBV eine Ersatzvornah- me durch das Bundesgesundheits- ministerium riskieren. Damit läge
die Verantwortung für die Unter- finanzierung der ambulanten Ver- sorgung bei der Politik, sagte Bitt- mann, der auch Vorsitzender des Bundesverbandes der Ärztegenos- senschaften und des NAV-Virchow- Bundes ist.
Statt das Finanzierungsproblem zu lösen, greife das GKV-Wettbe- werbsstärkungsgesetz massiv in das Gesundheitswesen ein, kritisierte der Genossenschaftschef. Gewach- sene Strukturen würden destabili- siert. Dadurch würden Ärzte und Patienten verunsichert. Betroffen seien auch die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen). Deren Si- cherstellungsauftrag werde künftig noch stärker durch Integrationsver- träge und den Ausbau der haus- arztzentrierten Versorgung aus- gehöhlt.
Dringlicher denn je sei daher die Stärkung von Parallelorganisatio- nen zu den KVen, betonte Bittmann.
Im Vertragsgeschäft mit den Kran- kenkassen könnten diese Organisa- tionen Finanzmittel zurückholen, die in den letzten Jahren durch die Absenkung des kollektivvertragli- chen Gesamthonorars verloren ge- gangen seien. Bittmann hob hervor,
dass seine Genossenschaft dabei mit der KV Schleswig-Holstein zusam- menarbeiten wolle: „Der Apparat der KV ist für das operative Ge- schäft bestens geeignet.“
Gleichzeitig schränkte er ein, dass man eine Konkurrenzsituation beider Organisationen nicht gänz- lich vermeiden könne. „Vielleicht müssen wir auch manche Schlacht gegeneinander führen“, sagte Bitt- mann mit Blick auf vorangegangene Auseinandersetzungen zwischen Ärztegenossenschaft und KV. So hatte sich die KV Schleswig-Hol- stein vom Hausärzteverband das Mandat für Verhandlungen über Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung geben lassen. Auch die Genossenschaft hatte auf ein sol- ches Mandat gehofft. SR MEDIZINISCHE REHABILITATION
Jeder fünfte Kassenarzt darf verordnen
Rund ein Fünftel der Vertragsärzte ist dazu berechtigt, eine medizinische
GENOSSENSCHAFTEN
Bittmann für faire Konkurrenz zum KV-System
Rehabilitation zu verordnen. Das geht aus der Antwort der Bundesre- gierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion hervor. Demnach verfügen nur 19,5 Prozent der Kas- senärzte über eine Qualifikation, die den Anforderungen der seit Anfang April gültigen Rehabilitations-Richt- linie des Gemeinsamen Bundesaus- schusses (G-BA) entspricht.
Die Verteilung qualifizierter Haus- und Fachärzte ist regional sehr unterschiedlich: Während die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Hamburg lediglich einen Anteil von 1,4 Prozent verzeichnet, sind bei der KV Bayerns 27,4 Prozent der nie- dergelassenen Ärztinnen und Ärzte zur Verordnung berechtigt. Der zu- ständige G-BA-Unterausschuss soll
nun auf seiner Sitzung Ende Juni klären, ob die Zahl der Ärzte aus- reicht, um die Versorgung sicherzu- stellen. Die FDP hatte dies in der Anfrage bezweifelt. Fraglich sei deshalb, ob die Rehabilitation mit der Gesundheitsreform wirklich ge- stärkt worden sei. Die Liberalen be- fürchten, die Umwandlung der Reha von einer Ermessens- in eine Pflichtleistung der Krankenkassen könne unter den gegebenen Um- ständen gar nicht greifen.
Die umstrittene G-BA-Richtlinie gilt nur für Rehabilitation zulasten der Krankenkassen. Andere Kosten- träger, wie etwa die Deutschen Ren- tenversicherung, sind nicht betrof- fen. Ebenfalls ausgenommen sind Anschlussheilbehandlungen. BH
Klaus Bittmann:
Parallelorganisatio- nen zu den KVen sind dringlicher denn je.
Foto:ÄSGH