A 1352 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 24|
17. Juni 2011NEUORDNUNG DER AMBULANTEN ONKOLOGIE
Wer kann, der darf – in Grenzen
Berufsverband und Fachgesellschaft haben ein Gutachten in Auftrag gegeben, um klären zu lassen, unter welchen Rahmenbedingungen vor allem
die medikamentöse Tumortherapie in Zukunft erbracht werden sollte.
D
ie Hämatologen und Onkolo- gen unterstreichen ihre seit langem aufgestellte Forderung nach einer Neuordnung ihres ambulanten Versorgungsbereichs mit der Vorla- ge eines Gutachtens. Der Berufs- verband der niedergelassenen Hä- matologen und Onkologen in Deutschland (BNHO), die Deut- sche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) sowie die Deutsche Krebsgesellschaft präsen- tierten Ende Mai eine Expertise*von Prof. Dr. Jürgen Wasem und Mitarbeitern, die vor allem auf die medikamentöse Tumortherapie Be- zug nimmt.
Die Gesundheitsökonomen favo- risieren einen eigenen spezialärztli- chen Versorgungssektor „Ambulan- te Onkologie“, dessen Grenzen der Gesetzgeber abstecken soll. Dem Gemeinsamen Bundesausschuss wäre es danach überlassen, perso- nen- und einrichtungsbezogene Qualitätsanforderungen für alle in- teressierten Leistungserbringer zu formulieren. Denkbar wären zwei Varianten: Erstens ein freier Markt- zugang ohne Bedarfsplanung und Zulassungsbeschränkungen, zwei- tens eine geplante Zulassung auf Basis von populations- und morbi- ditätsorientierten Kennziffern. Der- zeit gebe es ein ungeordnetes Ne-
beneinander, bemängelte der BNHO- Präsident, Priv.-Doz. Dr. med. Ste- phan Schmitz. So könnten sich auf- grund der Bedarfsplanung junge Kolleginnen und Kollegen nicht niederlassen, obwohl der Versor- gungsbedarf hoch sei. Krankenhäu- ser erhielten hingegen auf Basis der Regelungen nach § 116 b Sozial - gesetzbuch V relativ einfach eine Zulassung. Dazu komme, dass nie- dergelassene Onkologen sich mit gedeckelten Budgets arrangieren müssten, während die Kliniken un- begrenzt Leistungen mit den Kran- kenkassen abrechnen könnten.
Ältere onkologische Patienten erfordern mehr Expertise
Wasem weist auf weitere Unter- schiede hin: Danach sind die Zulas- sungs- und Teilnahmevoraussetzun- gen zur Behandlung onkologischer Patienten für Krankenhaus- und Vertragsärzte zwar ähnlich hoch, doch wird die Einhaltung bei den Niedergelassenen kontinuierlicher überprüft. Auch können Kranken- häuser onkologische Patienten sta- tionär aufnehmen und im Rahmen des geltenden Verbotsvorbehalts Leistungen erbringen, während dies den Vertragsärzten verwehrt ist.Prof. Dr. med. Mathias Freund, DGHO-Sekretär, betonte, dass die
Entwicklung zahlreicher neuer Tu- mormedikamente und die inter - nistischen Begleiterkrankungen der zunehmend älteren Patienten die Kollegen inzwischen vor erhebli- che Anforderungen stellten: „Diese Patienten bedürfen einer ganzheit - lichen Betreuung, dies kann nicht mehr nebenbei, am Nachmittag nach dem Operations- und Endo- skopieprogramm geschehen.“
Die medikamentöse Tumorthera- pie ist nach Freunds Ansicht auch nichts für Vertragsärzte, die nur auf geringe Fallzahlen kommen. Alle therapierenden Ärzte sollten in Netzwerke eingebunden sein, um eine umfassende Kompetenz zu ga- rantieren, forderte er. Deshalb soll- ten onkologische Zentren bei der Neuordnung der ambulanten Ver- sorgung eine zentrale Rolle spielen.
Dem Gutachten zufolge würde die Umsetzung der Vorschläge für den neuen Bereich „Ambulante Onkologie“ auf Landesebene er - folgen, und zwar in einem Landes- ausschuss Ambulante Onkologie mit Vertretern der Kassenärztlichen Vereinigung, der Landeskranken- hausgesellschaft und den Landes- verbänden der Krankenkassen. Re- präsentanten des Bundeslandes, der Landesärztekammer und des Me - dizinischen Dienstes der Kranken- kassen sollten beratend mitwirken.
Sinnvoll wäre nach Auffassung der Wissenschaftler auch ein ein- heitliches Vergütungssystem auf der Basis dreiseitiger Verträge zwi- schen dem GKV-Spitzenverband, der Kassenärztlichen Bundesverei- nigung und der Deutschen Kran- kenhausgesellschaft. Darüber hin - aus schlagen sie eine monistische Finanzierung der Investitionskosten und gleiche Marktbedingungen für den Bezug von Zytostatika vor. ■
Sabine Rieser Im Referentenentwurf zum Versorgungsstruktur-
gesetz wird vorgeschlagen, einen sektorverbin- denden Versorgungsbereich einzuführen. Er soll mehr als die onkologische Versorgung umfassen.
Dazu heißt es unter anderem: „Es wird stufen- weise eine ambulante, spezialärztliche Versor- gung für Erkrankungen mit besonderen Krank- heitsverläufen, seltenen Erkrankungen, hochspe-
zialisierten Leistungen sowie bestimmten ambu- lanten Operationen und stationsersetzenden Ein- griffen als eigenständiger Bereich im Gesund- heitsversorgungssystem der GKV mit gleichen Qualifikationsanforderungen für niedergelassene Vertragsärztinnen und Vertragsärzte und Kranken- häuser geschaffen. Die Vergütung erfolgt vorläu- fig nach EBM.“
NEUORDNUNG IST TEIL DES GESETZENTWURFS
*Das Gutachten ist nachzulesen unter:
www.bnho.de/
aktuelles.