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Archiv "Onkologie: Längere Überlebenszeiten erfordern ein neues Nachsorgekonzept" (28.11.2014)

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A 2114 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 48

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28. November 2014

ONKOLOGIE

Längere Überlebenszeiten erfordern ein neues Nachsorgekonzept

Die Frage, wie Krebserkrankungen und ihre Behandlung die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit der Patienten langfristig beeinflussen, wurde bislang wenig untersucht.

Patienten nach Abschluss der onko- logischen Therapie umfassend zu begleiten. Das betrifft praktisch alle Konsequenzen der Erkrankung und deren Behandlung.“

Damit steht die Nachsorge vor neuen Anforderungen: Neben dem Erkennen von Rezidiven, Zweit- neoplasien und therapieassoziierten

Spätkomplikationen sind psychoso- ziale Folgen der Erkrankung zu hin- terfragen. Es ist zu eruieren, wie der Patient seine Erkrankung auf psy- chischer Ebene verarbeitet und ob eine adäquate Integration des Krankheitserlebnisses in die per- sönliche Biografie erfolgt. Viele Pa- tienten brauchen Hilfe bei der Re- habilitation und der Reintegration in den Arbeitsprozess.

Junge Patienten haben oft einen Beratungsbedarf hinsichtlich ihrer Berufswahl und der beruflichen

Karriere, aber auch hinsichtlich Fer- tilität und Familienplanung. Je jün- ger die Patienten sind, umso wichti- ger ist zudem ein konsequentes Ri- sikofaktorenmanagement. Es soll potenzielle Spätfolgen der Behand- lung abwenden, damit nicht bei- spielsweise eine Herzschädigung als Folge der Chemotherapie durch verhaltensbedingte oder metaboli- sche kardiovaskuläre Risikofakto- ren wie Rauchen oder eine Hyperli- pidämie noch potenziert wird.

Die Aufgaben der Nachsorge sind vielfältiger geworden

„Die Nachsorge wird damit auf eine wesentlich breitere Basis gestellt als bisher, die Aufgaben sind viel- fältiger geworden“, so Bokemeyer.

„Wir müssen deshalb regelrechte Survivorship-Programme etablie- ren und brauchen im Idealfall eine spezielle Nachsorgekoordination“, betont der Onkologe. „Diese Pro- bleme müssen die Behandlungszen- tren gemeinsam im Netzwerk der Versorger, also mit den niedergelas- senen Fachärzten und Hausärzten, aufgreifen.“

Welche Probleme anstehen, zei- gen Krebserkrankungen bei Kin- dern, Jugendlichen und jungen Er- wachsenen mit einer hohen Rate an Langzeitüberlebenden. Damit sind der Hodenkrebs sowie Leukämien und insbesondere das Hodgkin- Lymphom quasi Modelltumore für ein Survivorship-Programm. Die Heilungsraten sind bei diesen Tu- moren so erfreulich hoch, dass laut Bokemeyer zu reflektieren ist, wann ein Patient als noch krank oder wieder als „gesund“ zu betrachten sei. Fragen, die für die Betroffenen enorm bedeutsam sind, bislang aber einer Antwort harren.

Foto: Fotolia /Tomasz Zajda

M

ittlerweile gibt es in Deutsch- land mehr als drei Millionen Menschen, die eine Krebserkran- kung überstanden haben. Während Patienten mit Hodentumoren, Lym- phomen oder akuten Leukämien ge- heilt werden können, leben andere mit ihrem Tumor wie mit einer chronischen Krankheit. Bislang standen bei der Nachsorge nach Krebserkrankungen tumorspezifi- sche Kontrollen im Vordergrund:

Primäres Ziel war es, eventuelle Rezidive sowie körperliche Spät- folgen der Krebstherapie frühzeitig zu erkennen. Hierzu wurden insbe- sondere in der Kinderonkologie schon vor Jahren strukturierte Kon- zepte zur Nachsorge entwickelt.

„Nicht zuletzt durch die gestie- gene Lebenserwartung bei ver- schiedenen Tumorentitäten spielt die Nachsorge eine zunehmende Rolle in der internistischen Onkolo- gie“, betont Prof. Dr. med. Thorsten Langer, Klinik für Kinder- und Ju- gendmedizin am Universitätsklini- kum Schleswig-Holstein und Studi- enleiter des Late Effects Surveil- lance System (LESS). Unter ande- rem die Erfahrungen in der Kinder- onkologie haben laut Langer we- sentlich dazu beigetragen, dass sich die Zielsetzung bei der Nachsorge derzeit erweitert.

Adäquate Integration in die persönliche Biografie

„Wir müssen das Konzept der Nachsorge an die veränderten Be- dürfnisse von Patienten nach er- folgreicher Krebsbehandlung an- passen“, erläutert hierzu Prof. Dr.

med. Carsten Bokemeyer, II. Medi- zinische Klinik am Universitätskli- nikum Hamburg-Eppendorf. „Es geht inzwischen zunehmend darum,

Ein „zartes Pflänzchen“: Die internistische Nach- sorge von onkolo - gischen Patienten entwickelt sich.

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28. November 2014 Denn bereits die Tatsache, eine

Krebserkrankung überstanden zu haben, stelle eine gewisse Stigma - tisierung dar, die mit beruflichen, sozialen und versicherungsrechtli- chen Nachteilen verbunden sein kann, erläutert Dr. med. Gabriele Calaminus, Pädiatrische Hämatolo- gie und Onkologie an der Universi- tätsklinik Münster: „Wir müssen in der Öffentlichkeit ein besseres Be- wusstsein dafür schaffen, dass sol- che Patienten geheilt sind.“

Die stärkere Fokussierung auf die Nachsorge ist aus ihrer Sicht so- mit ein zweischneidiges Schwert, da sie einerseits das Bewusstsein für ein gewisses Gesundheitsrisiko schärfen soll, anderseits den Betref-

fenden aber vermittelt werden soll- te, dass sie von ihrer Krebserkran- kung geheilt sind, die meisten ein ganz normales Leben führen kön- nen und auch von der Gesellschaft als gleich zu behandeln akzeptiert werden sollten. Eine wichtige Auf- gabe der Langzeitnachsorge ist es nach Calaminus daher, die Patien- ten zu erkennen, die einer besonde- ren Beratung und medizinischer Überwachung bedürfen.

Viele engagierte Projekte, doch es fehlt die Transparenz

Nach Angaben von Langer gibt es bereits verschiedene Zentren und Initiativen in Deutschland, die praktisch ein Survivorship-Pro- gramm in die Nachsorge integrie- ren. Allerdings fehlt es noch an der notwendigen Transparenz. „Wir er- fahren immer wieder von einzelnen regionalen Projekten“, so Langer.

Diese sollten unbedingt gebündelt und vernetzt werden, so die Forde- rung des Kinderonkologen, der der- zeit in einem eigenen Projekt unter- sucht, wie sich eine entsprechende Transparenz der Nachsorgeprojekte herstellen und etablieren lässt.

Mehr Transparenz soll unter an- derem die „Leitlinie für die Tumor-

nachsorge“ bringen, die derzeit er- arbeitet wird. Auch das von LESS initiierte Projekt „Von der Krebser- krankung geheilt: Nachsorge ist Vorsorge“ mit Informationsbro- schüren und Nachsorgekalender für unterschiedliche Tumore im Kin- des- und Jugendalter soll hierzu beitragen. Zum Thema „Knochen- tumore“ und auch zu „Leukämien“

liegen Broschüre und Nachsorge- kalender bereits vor. Außerdem ist eine Internetseite zum Motto

„Nachsorge ist Vorsorge“ seit kur- zem online (www.nachsorge-ist- vorsorge.de).

Um die Situation der Nachsorge in Deutschland konkreter zu erfas- sen, wurde zudem die erste bundes-

weite Befragung „VIVE“ zum Ge- sundheitszustand und der Lebens- qualität ehemaliger Krebspatienten im Kindesalter gestartet. Gefördert durch die Deutsche Krebshilfe werden rund 11 000 Erwachsene im Alter von 25 bis 45 Jahren, die im Deutschen Kinderkrebsregister (DKKR) erfasst sind, befragt, unter anderem zu möglichen Funktions- einschränkungen (Herzschädigung, Amputationen), Fertilitätsproble- men, ihrer Lebensqualität, even - tuell bestehenden psychosozialen Beeinträchtigungen und zu der be- ruflichen Integration nach ihrer Krebserkrankung.

Hoffnungen auf eine effektive Weiterentwicklung der aktuellen Nachsorgekonzepte setzen Cala- minus und Langer außerdem auf das EU-Projekt PanCareLIFE zu dieser Thematik. Beide Forscher leiten Projekte zur Lebensqualität und zu Hörproblemen als Spät- komplikation einer Chemothera- pie. Anhand genetischer Untersu- chungen soll zudem das individu- elle Risiko für Spätkomplikatio- nen eruiert werden. „Zeigt sich ein Zusammenhang, so würde dies künftig eine gezielte Nach- sorge und auch eine gezieltere

Krebstherapie ermöglichen“, sagt Langer.

Die Notwendigkeit von Survi- vorship-Programmen rückt laut Bokemeyer auch die Transitions- medizin stärker in den Fokus der Onkologie: „Wir brauchen in der Krebsnachsorge verbesserte Stra- tegien für den Übergang von Ju- gendlichen in die Erwachsenenme- dizin.“

Konstante Anbindung an weiter betreuenden Arzt fehlt

Die Jugendlichen und jungen Er- wachsenen haben oft einen hohen Beratungsbedarf beispielsweise hinsichtlich ihrer Berufswahl oder in puncto Familiengründung, kön- nen nach dem 18. Lebensjahr aber nicht mehr in den pädiatrisch-hä- matologischen und pädiatrisch-on- kologischen Abteilungen betreut werden. „Es fehlt dann oft eine kon- stante Anbindung an einen weiter betreuenden Arzt und die Koordina- tion verschiedenster Unterstüt- zungsangebote und Interventio- nen“, moniert Bokemeyer.

Um diese Versorgungslücke zu schließen, wird beispielsweise im Rahmen des Survivorship-Pro- gramms am Universitären Cancer Center Hamburg (UCCH) zurzeit das Programm „L.O.T.S.E – Leben ohne Tumor, Strategie und Kom- munikation“ implementiert. Dabei werden Nachsorgepatienten der pä- diatrischen Onkologie, die das 18.

Lebensjahr überschritten haben, einmal monatlich vom Pädiater ei- nem Kollegen der Erwachsenen - medizin vorgestellt und damit wird eine strukturierte Übergabe durch- geführt. Gemeinsam wird der wei- tere Betreuungsplan mit den erfor- derlichen Verlaufs-Kontrolluntersu- chungen festgelegt.

In der speziellen AYA-Sprech- stunde für Jugendliche und junge Erwachsene (AYA = Adolescents and Young Adults) werden außer- dem psychosoziale Unterstützungs- bedürfnisse der Patienten ermittelt und mögliche Interventionsangebo- te besprochen. Wie solche Projekte jedoch langfristig zu finanzieren sind, sei bislang, so Bokemeyer,

noch offen.

Christine Vetter

Wir brauchen in der Krebsnachsorge verbesserte Strategien für den Übergang von Jugendlichen in die Erwachsenenmedizin

Carsten Bokemeyer, II. Medizinische Klinik am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

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