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Archiv "Onkologie: Wie chronische Entzündungen zu Krebserkrankungen führen" (10.03.2006)

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M E D I Z I N R E P O R T

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A592 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 10⏐⏐10. März 2006

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hronische Entzündungen sind Trig- gerfaktoren für Malignome. „Der- zeit wird etwa jede fünfte Krebser- krankung damit in Zusammenhang ge- bracht“, sagte Prof. Dr. med. Curtis C.

Harris vom US National Cancer Institute (NCI) bei einem internationalen Sym- posium in Heidelberg. Die Forscher ge- hen jedoch davon aus, dass chronische Entzündungen an weit mehr Krebsarten beteiligt sind, als heute bekannt ist. Zum Spektrum der Entzündungen, die mit einem höheren Entartungsrisiko ein- hergehen, gehören unter anderem:

>die entzündlichen Darmerkran- kungen Morbus Crohn und Colitis ul- cerosa;

>Entzündungen auf viraler Basis, beispielsweise die Hepatitis B und C;

>bakteriell verursachte Inflamma- tionen durch Helicobacter pylori oder

>parasitär bedingte Entzündungen, zum Beispiel durch den Leberegel;

>Sodbrennen erhöht das Risiko für ein Ösophaguskarzinom um das Fünf- zig- bis Hundertfache und

>Asbestexposition für die Entste- hung eines Bronchialkarzinoms um mehr als das Zehnfache.

Die schwelenden Entzündungen im Körper lösen eine Kaskade von Reaktio- nen aus. Wie Harris berichtete, werden bioaktive Peptide aus Nervenzellen, Zy- tokine oder Rezeptormoleküle aktiviert, welche die mikrobiellen Erreger erken- nen und bewirken, dass das Immun- system Mastzellen und Leukozyten an den „Schadensort“ dirigiert. Dadurch

komme es zu einer „Atmungsexplosion“

– also einer verstärkten Aufnahme von Sauerstoff, die letztlich dazu führe, dass verstärkt Radikale aus den Leukozyten freigesetzt und Makrophagen aktiviert werden. Diese Überproduktion von frei- en Radikalen wird als „oxidativer Stress“

bezeichnet. Die angriffslustigen Radika- le attackieren die DNA im Zellkern.

Ferner beeinflussen sie das Zell- wachstum und die Tumorausbreitung, indem sie Signalübertragungswege ak- tivieren. Potenzielle Krebsgene werden dadurch ebenfalls aktiviert. Somit ist die Anfälligkeit für Krebs nach Aussage von Harris „eine krankhafte Folge von bestimmten Entzündungen und dem damit verbundenen anhaltenden Stress durch freie Radikale sowie den daraus resultierenden DNA-Schäden“.

Ein Exempel für die Krebsentstehung auf dem Boden einer chronischen Ent- zündung ist das hepatozelluläre Karzi- nom. Chronische Entzündungen durch Virusinfektionen oder Alkoholmiss- brauch führen zu oxidativem Stress.

Diese Verbindungen könnten entweder direkt oder über entzündliche Verände- rungen entstehen, sagte Prof. Dr. med.

Helmut K. Seitz (Salem).

Reaktive Sauerstoffmoleküle

So führe zum Beispiel das Hepatitis-C- Virus über sein Cor-Protein und das NS5A-Protein zu oxidativem Stress;

ebenso setze eine virusbedingte chroni- sche Entzündung Oxidationsprozesse in Gang, und bei der Umwandlung von Al- kohol zu Azetaldehyd über Cytochrom P4502E1 entstünden ebenfalls reaktive Sauerstoffmoleküle. Durch deren Über-

Onkologie

Wie chronische Entzündungen zu Krebserkrankungen führen

Die stufenweise Entwicklung von malignen Tumoren auf der Basis von

langzeitigem oxidativen Stress und Inflammation wurde bei einem internationalen Symposium in Heidelberg an konkreten Beispielen vorgestellt.

Wie spleißende Taue sehen Asbestfasern unter dem Mikroskop aus. Lagert sich das Mineral im Lungengewebe ab, wird das Karzinomrisiko um den Faktor zehn erhöht.

Foto:Lilly Deutschland/Okapia

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produktion komme es zur Lipidperoxi- dation. Freie Radikale greifen dabei die Doppelbindungen an den mehrfach un- gesättigten Fettsäuren der Zellmembra- nen an. Es entstehen wiederum reaktive Stoffwechselprodukte, die dann mit der DNA im Zellkern reagieren und die erb- gutverändernden Addukte bilden.

Eine neuere Erkenntnis sei, dass auch die nichtalkoholische Steatohepatitis ein Risiko für ein Leberkarzinom dar- stellt, berichtete Seitz. Gefährdet für diese Form von Leberentzündung be- ziehungsweise für die Zirrhose sind übergewichtige Typ-2-Diabetiker mit einem metabolischen Syndrom. „Es ist zu viel Fett in der Leber, dies macht sie sehr empfindlich gegen oxidativen Stress. Die entstehenden Sauerstoffradi- kale greifen die Leberzellen an, schädi- gen sie, es kommt zur krankhaften Bin- degewebsvermehrung und Krebsbil- dung“, erklärte Seitz.

Da die Zahl der übergewichtigen Personen in den westlichen Ländern dramatisch zunimmt (80 Prozent aller 50- bis 60-jährigen und 40 Prozent der 20- bis 30-jährigen deutschen Männer sind übergewichtig), rechnet Seitz da- mit, dass die Leberkarzinomrate ent- sprechend zunehmen wird. Dieser durch Übergewicht und metabolisches Syndrom bedingte Mechanismus der Onkogenese könnte auch anderen Or- gantumoren zugrunde liegen, mut- maßen die Forscher.

So wird geschätzt, dass Adipositas das Krebsrisiko für verschiedene Organ- krebserkrankungen versechsfacht. Das gilt zum Beispiel auch für die Bauchspei- cheldrüse. „Als kleines Organ mit einer zeitweisen sehr hohen Stoffwechsel- aktivität ist das Pankreas besonders emp- findlich für Zellschäden“, betonte Prof.

Dr. med. Matthias Löhr, der Leiter der Klinischen Kooperationseinheit Mole- kulare Gastroenterologie des Deutschen Krebsforschungszentrums an der II. Me- dizinischen Klinik des Universitätsklini- kums Mannheim. Die Arbeitsgruppe ha- be bereits zeigen können, dass sich bei Patienten mit einer chronischen Pan- kreatitis, die überdies stark rauchen, mo- lekulare Veränderungen häufen,wie man sie auch beim Pankreaskarzinom findet.

Es handele sich dabei um Mutationen im so genannten K-ras-Onkogen. Durch die- se Mutationen werde das Genprodukt so

verändert, dass es dauerhaft aktiv sei und nicht mehr inaktiviert werden könne.

Welche Bedeutung Mutationen im K-ras- Onkogen zukommt, bestätigt ein Modell zur Tumorentstehung, das die Arbeits- gruppe um Löhr etabliert hat: „Es ist uns im Reagenzglas gelungen, genau diese aktivierende K-ras-Mutation in normale Pankreasgangzellen einzuführen und da- durch die Entstehung einer Pankreaskar- zinomzelle nachzuahmen.“

Rauchen sowie die chronische Ent- zündung der Bauchspeicheldrüse er- zeugen besondere reaktive Sauerstoff- und Stickstoffmoleküle (ROS bezie- hungsweise RNS), die ihrerseits weitere Reaktionen eingehen – unter anderem mit den natürlich vorkommenden Fettsäuren. Die hierbei entstehenden Aldehyde können sich an der Erbsub- stanz anlagern und diese direkt oder auch indirekt schädigen.

Etheno-Addukte als Biomarker für oxidativen Stress

Solche DNS-Addukte können nach Angaben von Löhr alleine noch keinen Tumor hervorrufen, sind aber wichtige Kofaktoren, die die Reparaturkazapität fehlerhafter DNS verhinderten und das Persistieren tumorverursachender Mu- tationen (etwa im K-ras-Onkogen) er- möglichten. Diese Kapazität sei dann schneller erschöpft, wenn Noxen und schädliche Einflüsse wie Alkohol und Rauchen die Überhand gewinnen. Um Risikopersonen herauszufiltern, bei denen sich die Entzündungsreaktion zu Krebs entwickelt, wurden in der Ab- teilung Toxikologie und Risikofaktoren des Deutschen Krebsforschungszen- trums unter der Leitung von Prof. Dr.

med. Helmut Bartsch viel versprechen- de DNS-Biomarker entwickelt.

Die Rationale dafür ist, dass DNS- Schäden schon frühzeitig durch die Ad- dukte, die sich als Folge von Entzün- dungen an die Erbsubstanz anlagern, messbar sind. So wird als Abwehrmaß- nahme der Zelle gegen eine chronische Infektion, eine Entzündung oder eine Noxe ein Enzym hochreguliert, wel- ches Stickstoffmonoxid (NO) erzeugt.

Durch Folgereaktionen bilden sich Etheno-Addukte an der DNA, die zu genetischer Instabilität und damit zur

Umwandlung prämaligner in maligne Zellen führen. Somit könnten Etheno- addukte als Biomarker für permanen- ten oxidativen Stress genutzt werden.

Dies hat die Arbeitsgruppe um Bartsch an Gewebeproben von Patienten mit chronischer Pankreatitis, Leberzirrho- se, Colitis und der familiären adenoma- tösen Polyposis zeigen können. Die Wertigkeit dieser hoch empfindlichen Nachweismethoden konnte bestätigt werden. Die Adduktspiegel waren bei Patienten mit alkoholbedingter Leber- zirrhose und Fibrose deutlich höher als bei gesunden Personen.

In einer von der Deutschen Krebshil- fe geförderten Studie soll jetzt überprüft werden, ob diese Marker im Pankreas- saft von Patienten mit einer chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündung eine Aussage darüber zulassen, ob das Risiko für eine Krebsentwicklung auf dem Bo- den der Entzündung anhand der Menge der DNS-Addukte vorhersehbar ist.

Bartsch: „Wir wollen wissen, ob sich an- hand der Adduktspiegel, die in Körper- flüssigkeiten, Biopsien oder Blutzellen gemessen werden, der Krankheitsver- lauf von Krebsvorstufen bis zur bösarti- gen Geschwulst vorhersagen lässt.

Für die Krebsprävention könnte die- se Messmethode einen Fortschritt brin- gen, wenn sich die Wirksamkeit thera- peutischer und chemopräventiver Maß- nahmen, wie beispielsweise die Antioxi- danzienzufuhr aus der Nahrung, über- prüfen ließe. Erste Untersuchungen deuten darauf hin: Eine Pilotstudie in- nerhalb der großen Ernährungsstudie (EPIC) hat bestätigt, dass Probandin- nen, die sich mit einer sehr vitaminrei- chen Kost – vor allem Vitamin E und C – ernährt hatten, deutlich weniger DNS-Schäden in ihren Lymphozyten hatten als jene mit einer normalen Kost.

Dies hat sich auch in einer japani- schen Interventionsstudie bestätigt, wo Frauen, die über einen bestimmten Zeitraum zu gesunder Kost angehalten wurden, deutlich weniger DNS-Schä- den im Blut aufgewiesen hatten. Jetzt wird die Effizienz dieses viel verspre- chenden „Krebsrisiko-Tests“ in der Klinik erprobt. Ingeborg Bördlein

Internationales Expertentreffen über den „Zusammen- hang zwischen oxidativem Stress, chronischer Entzün- dung und Krebs“ am Deutschen Krebsforschungszen- trum in Heidelberg

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