Ernest Igls Aluminium-Plastik „Befreit geheilt"
Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen FEUILLETON
E
nde 1981 fand in der Hautklinik der Universität Kiel eine Ta- gung von Dermatologen statt. Es wurden Referate über „Pseudo- maligne Dermatosen" (Dr. S.Marghescu, Hannover), „Zum Krankheitsbild der palmo-planta- ren Pustulose" (Dr. A. Klint, Gent), über die „Behandlung der Rosa-
cea mit Metronidazol" (Dr. F. Va- Günther Ott kilzadeh, Münster) u. a. gehalten
anhand oder illustriert von Farb- dias. Dr. H. Zaun, Homburg, sprach über „Seltenere Arzneimit- telnebenwirkungen an der Haut", Dr. M. Rupec, Marburg, „Zum Feinbau mit Metronidazol". Und stets schlossen sich auch lebhafte Diskussionen und Fragen an. Auf die große Leinwand im Hörsaal wurden Bilder von Entzündungen, äußeren Hautentstellungen, Pu- steln, Geschwüren und Fußnagel- deformierungen geworfen.
Gezeigt wurden ferner hundertfa- che Vergrößerungen von Mikro- aufnahmen, von eingefärbten Schnittpräparaten, und es erga- ben sich für manchen kunstsinni- gen Betrachter auch Vergleiche zur tachistischen Malerei, zu Kom- positionen des informel. In der ge- genwärtigen umfangreichen Aus- stellung im Münchener Haus der Kunst „Amerikanische Malerei 1930 bis 1980" befinden sich vor- nehmlich in der Abteilung „Bio- morphe Abstraktion" „abstrakte"
Gemälde, als kämen die Anregun- gen hierzu direkt aus dem Labor dermatologischer Institute.
Künstlerischer Höhepunkt der Kie- ler Tagung war — wie Prof. Dr. En- no Christophers, der Direktor der Kieler Hautklinik, sich in seiner Ansprache äußerte — die Enthül- lung der Plastik „Befreit — geheilt"
des Bildhauers Ernest Igl im Gar- ten vor dem Bettenhaus im Univer- sitätskomplex.
Für dieses Werk ging der Künstler freilich nicht von mikroskopischen Aufnahmen aus, ihm war der kran- ke, geschundene Mensch, dessen verunstaltete, zerfressene Haut, wie man sie mit bloßem Auge er- lebt, Ausgangspunkt.
Die sechs Meter hohe „Röhrenpla- stik", eine Stiftung der Biberacher PI-- rmafirma Basotherm an die Universität Kiel, stellt die Heraus- lösung des geheilten Menschen aus einer angegriffenen Haut dar.
Anklänge an den mythologischen Vogel Phoenix, Symbol der Un- sterblichkeit, der aus seiner Asche verjüngt wiedererstand? Hoffnung für jene Patienten, die aus ihren Fenstern der Hautklinik auf diese Plastik im Garten blicken, aber auch eine Art „Hommage" für die Ärzte, die den Kranken hilfreich zur Seite stehen.
Der Schöpfer des Werkes, Ernest Igl, wurde 1920 in Prag geboren und lebt heute als freier Bildhauer und Maler in Kampen auf Sylt. Sei- ne Jugend verbrachte er in Karls- bad, wo er die Handelsakademie besuchte und mit Auszeichnung absolvierte. Vor Leningrad schwer verwundet, zeitweilig gelähmt, ist er inzwischen wieder gesund und dynamisch; er hat also am eigenen Leib erfahren, was seine Plastik — allerdings auf dem Gebiet der Der- matologie — aussagt: „Befreit— ge- heilt". Seine künstlerischen Kenntnisse erwarb er sich an den Kunsthochschulen in Prag (Prof.
Eric Köhler) und München (Prof.
Marxmüller, Prof. von Dombrows- ky), und er war nach dem Kriege als Illustrator in Bayern tätig; aus der Reihe seiner 16 illustrierten Bücher sei das Tierbuch von Paul Eiper erwähnt.
Den bildhauerischen Weg be- schritt Igl von der Vollplastik (Tie- re, Köpfe) zur säulenhaften Röh- renplastik aus Aluminium (Tänzer, Tennisspieler, Schauende, Engel).
„Aluminium", so der Künstler, „ist der Werkstoff unseres Jahrhun- derts. Es hat in die Industrie vom Küchengerät bis zum Flugzeug Eingang gefunden, warum nicht auch in die Ateliers von Plasti- kern?"
Anschrift des Verfassers:
Günther Ott Raschdorffstraße 8 5000 Köln 41
Befreit — geheilt
Freiplastik von Ernest Igl
vor der Hautklinik in Kiel enthüllt
98 Heft 8 vom 26. Februar 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A/B