Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 106|
Heft 33|
14. August 2009 A 1595 GESUNDHEITSREPORT 2009Ärzte blicken pessimistisch in die Zukunft
Das Hin und Her in der Gesundheitspolitik hat Misstrauen erzeugt.
Eine Allensbach-Umfrage zeigt, dass Ärzte wie Versicherte um die Qualität der Versorgung fürchten. Und: Um den Arztberuf ist es schlecht bestellt.
D
r. med. Frank Ulrich Mont- gomery kann sich bestätigt fühlen. Die Ergebnisse des 4. MLP- Gesundheitsreports spiegeln wider, dass in Deutschland Skepsis über die Zukunft der medizinischen Ver- sorgung herrscht – bei Ärzten wie Patienten gleichermaßen. „Das ist das Ergebnis einer fehlgeschlagenen Politik der letzten Jahre“, kommen- tierte der Vizepräsident der Bundes- ärztekammer bei der Präsentation des vom Finanz- und Vermögens - berater MLP in Auftrag gegebenen Reports Anfang August in Berlin.Der Studie zufolge sehen 65 Pro- zent der Bürger und 81 Prozent der Ärzte Bedarf für eine umfassende Reform des Gesundheitswesens.
Allerdings glauben nur wenige, dass die Politik in der Lage ist, Kor- rekturen zeitnah umzusetzen. Je- weils 79 Prozent zweifeln sogar da- ran, dass es der Politik längerfristig gelingt, eine gute Versorgung für al- le sicherzustellen. Mediziner wie Patienten beklagen eine Verschlech- terung in der Versorgung – und fürchten weitere Einschnitte.
Zwar bezeichnen 61 Prozent der Niedergelassenen und 85 Prozent der Krankenhausärzte ihre wirt- schaftliche Lage aktuell als „gut“
oder „sehr gut“, doch viele Nie - dergelassene erwarten eine Ver- schlechterung; 86 Prozent der Nie- dergelassenen erbringen regelmäßig nach eigenen Angaben Leistungen, deren Kosten nicht übernommen werden. 77 Prozent der Mediziner sehen wegen des steigenden Kosten- drucks ihre Therapiefreiheit bedroht.
Die Studie unterstreicht: Beson- ders bei den Ärzten sind Unzufrie- denheit und Misstrauen groß. „Die Ärzteschaft ist momentan außeror- dentlich negativ gestimmt, das zei- gen viele Indikatoren“, sagte Prof.
Dr. Renate Köcher vom Institut für Demoskopie Allensbach. Die ver- schlechterte Stimmungslage zeige sich besonders deutlich mit Blick auf die Attraktivität des Arztberufs:
Mehr als die Hälfte aller befragten Ärzte würde von einer Niederlas- sung abraten. Dies sei ein alarmie- rendes Signal, urteilte Köcher.
Auch Montgomery sieht gerade hierin schlechte Vorzeichen für die Zukunft des Berufs: „Motivierte Ärzte sind ein entscheidender Punkt für die Zukunft. Wenn die Ärzte keine Perspektive mehr sehen, ist das ein absolutes Alarmzeichen.“
Die von der Bundesärztekammer
unterstützte Allensbach-Erhebung zeigt zudem, dass aufgrund der Un- zufriedenheit das Abwandern von Ärzten ins Ausland droht; für 43 Prozent ist eine Auslandstätigkeit eine ernsthafte Alternative zum Ar- beiten in Deutschland. Besonders hoch ist die Bereitschaft bei Kran- kenhausärzten und Jungmedizinern.
Ein weiterer Faktor zeigt das Di- lemma deutlich: Fast jeder zweite Niedergelassene hat in den vergan- genen Jahren schon einmal darüber nachgedacht, seine Praxis aufzuge- ben; für 28 Prozent von ihnen stellt sich diese Frage sogar aktuell.
Mehrheit denkt über Ausstieg aus Kassenarztsystem nach
Als Reaktion um das Gezerre im Ge- sundheitswesen denken viele Ärzte über einen Ausstieg aus dem Kassen- arztsystem nach: 59 Prozent der Nie- dergelassenen haben einen solchen Schritt schon in Erwägung gezogen.Um ihrem Ärger Luft zu ma- chen, fallen Protestaktionen bei den Ärzten der Umfrage zufolge auf fruchtbaren Boden. 54 Prozent der Niedergelassenen zeigen für Pro - teste Verständnis, 31 Prozent haben sogar selbst schon ihre Praxis bei Protestaktionen geschlossen. Die Klinikärzte zeigen sich in dieser Hinsicht mit den Kollegen solida- risch: 79 Prozent bringen Verständ- nis für Protestaktionen und Praxis- schließungen auf.
Insgesamt fällt der Blick der Ärzteschaft auf die Zukunft des Berufstands düster aus: 67 Prozent der Mediziner prognostizieren einen Ärz temangel in ihrer Region. ■
Nora Schmitt-Sausen
@
Der MLP-Gesundheitsreport im Internet: www.aerzteblatt.de/091595 Wohin geht dieReise? Deutsch- lands Ärzte pro - gnostizieren ihrem
Berufsstand eine schwierige Zukunft.
Nur noch wenige legen dem Nach- wuchs den Beruf ans Herz.
Foto: vario images