Deutsches Ärzteblatt
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16. September 2011 621M E D I Z I N
DISKUSSION
Wenig hilfreich
Die einseitige Darstellung der Antikoagulationsmög- lichkeiten in der Schwangerschaft ist nicht hilfreich.
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Keine der genannten Literaturstellen gibt die Aus- sage her, dass < 3 mg Phenprocoumon/Tag unpro- blematisch seien, dies ist nie untersucht worden.●
In der zitierten Arbeit von Schaefer et al. traten sehr wohl Embryopathien auf, und zwar mit Phenprocoumon, welches das in Deutschland ge- bräuchlichste Antikoagulans ist.●
In der Arbeit von Schaefer et al. wird über eine Fehlgeburtsrate von 42 % unter Coumarinen be- richtet, dies wird in der Arbeit von Regitz-Zagro- sek gar nicht erwähnt.●
Bei Chan et al. zeigt sich eine Rate für Warfarin- Embryopathien von 6,4 %, eine Spontanabortrate von 24,8 % sowie eine Rate für fetale Verluste und neonatale Todesfälle von 26,5 % (1).●
In einer anderen Arbeit konnte gezeigt werden, dass langfristig eine Intelligenzminderung bei Kindern aus Coumarin-Schwangerschaft resul- tiert.Es sollte bei geplanter Schwangerschaft rechtzeitig vor Empfängnis auf eine therapeutische Dosis eines niedermolekularen Heparins umgestellt werden. Dieses Vorgehen ist laut aktueller Literatur sicher und nicht mit einem erhöhten Thromboembolierisiko verbunden, wenn die Dosis richtig gewählt wird (2 × täglich ge- wichtsadaptiert 100 Anti-Xa-Einheiten/kg KG) (2).
So nennt jetzt die ACCP-Leitlinie (3) aus dem Jahre 2008 eine 2 × täglich dosisadjusierte Therapie mit nie- dermolekularen Heparinen bei Herzklappen-Patientin- nen an erster Stelle gleichberechtigt neben der Möglich- keit, ab der 13. SSW wieder auf Warfarin einzustellen.
DOI: 10.3238/arztebl.2011.0621a
LITERATUR
1. Chan S, Anand S, Ginsberg J: Anticoagulation of pregnant women with mechanical heart valves. Arch Int Med 2000; 160: 191–96.
2. McLintock C: Anticoagulant therapy in pregnant women with me- chanical prosthetic heart valves: no easy option. Thrombosis Re- search 2011; 127 (Suppl 3): 556–560.
3. Bates S, Greer IA, Pabinger I, Sofaer S, Hirsh J: Venous thromboem- bolism thrombophilia, antithrombotic therapy and pregnancy: Ame- rican college of chest physicians evidence-based clinical practice guidlines. Chest 2008; 133: 844–86.
4. Regitz-Zagrosek V, Seeland U, Geibel-Zehender A, Gohlke-Bärwolf C, Kruck I, Schaefer C: Cardiovascular diseases in pregnancy. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(16): 267–73.
Schlusswort
In der Arbeit von Schaefer et al. 2006 betrug die Em- bryopathie-Rate 0,7 % unter Phenprocoumon. Ein Risi- ko bestand nur dann, wenn orale Antikoagulanzien (OAC) über die 8. Schwangerschaftswoche (SSW) hi- naus nach der letzten Regel verabreicht wurden. Bei Gabe vor der 8. SSW bestand kein Risiko für eine Em- bryopathie, jedoch ein 3-fach erhöhtes Risiko für Fehl- geburten im Vergleich zu Frauen, die keine OAC er- hielten (24 % gegenüber 9 %).
Die Dosisabhängigkeit der Embryopathie-Rate wurde bei Warfarin untersucht, äquipotente Dosen anderer Coumarine sollten sich nicht unterschiedlich verhalten.
OAC gewähren den sichersten Schutz vor Klap- penthrombose und Thromboembolien, vor und wäh- rend der Schwangerschaft. 2.4 % der während der gesamten Schwangerschaft mit OAC behandelten Patientinnen erlitten eine Thromboembolie, hinge- gen 7 % der mit niedermolekularen Heparinen (NMH) Behandelten. Bei Gabe der NMH nur im ers- ten Trimester lag sie bei 3,6 % (2). Nach Oran 2004 betrug die Klappenthromboserate unter NMH wäh- rend der gesamten Schwangerschaft 9 %. Den Schutz vor Klappenthrombose und Thromboembo- lien zu gewährleisten ist das oberste Ziel in der Be- treuung und Aufklärung von Frauen mit mechani- schen Herzklappen bei einer Schwangerschaft, denn die Klappenthrombose ist mit einer hohen Mortalität sowohl für die Mutter als auch das Kind verbunden.
Da das Zeitintervall von der Schwangerschaftspla- nung bis zum Eintritt einer Schwangerschaft nicht vorhersehbar ist sollte nicht bereits vor der Emp- fängnis auf ein NMH umgestellt werden. Bei drin- gend notwendigen randomisierten Studien wird die bald erscheinende Leitlinie der Europäischen Gesell- schaft für Kardiologie (Regitz-Zagrosek 2011) eine große Hilfe für die betreuenden Ärzte sein, die kom- plexen Probleme der Antikoagulation in der Schwan- gerschaft zu handhaben.
DOI: 10.3238/arztebl.2011.0621b
LITERATUR
1. Schaefer C, Hannemann D, Meister R, et al.: Vitamin K antagonists and pregnancy outcome. A multi-centre prospective study. Thromb Haemost. 2006; 95(6): 949–57.
2. Abildgaard U, Sandset PM, Hammerstrom J, Gjestvang FT, Tveit A:
Management of pregnant women with mechanical heart valve pro- zu dem Beitrag
Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Schwangerschaft
von Prof. Dr. med. Vera Regitz-Zagrosek, Dr. med. Ute Seeland,
Prof. Dr. med. Annette Geibel-Zehender, Dr. med. Christa Gohlke-Bärwolf, Dr. med. Irmtraut Kruck und Dr. med. Christof Schaefer in Heft 16/2011
Dr. med. Hannelore Rott Duisburg
Hannelore.Rott@gzrr.de
Interessenkonflikt
Die Autorin erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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sthesis: thromboprophylaxis with low molecular weight heparin.
Thromb Res 2009; 124(3): 262–7.
3. Regitz-Zagrosek V, Blomstrom Lundqvist C, Borghi C et al.: ESC Gui- delines on the management of cardiovascular diseases during preg- nancy, The Task force on the management of cardiovascular disea- ses during pregnancy of the european society of cardiology (ESC), Eur Heart J 2011 in press; doi:10.1093/eurheartj/ehr218- 4. Regitz-Zagrosek V, Seeland U, Geibel-Zehender A, Gohlke-Bärwolf C,
Kruck I, Schaefer C: Cardiovascular diseases in pregnancy. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(16): 267–73.
Dr. med. Christa Gohlke-Bärwolf Ballrechten-Dottingen
Prof. Dr. med. Vera Regitz-Zagrosek
Geschlechterforschung in der Medizin und Center for Cardiovascular Research Charité – Universitätsmedizin Berlin
Interessenkonflikt
Prof. Regitz-Zagrosek hält Patente an Roche Diagnostics, erhielt Erstattung für Fortbildungsveranstaltungen von Berlin Chemie, Bayer und Willmar Schwabe und erhielt Gelder für Forschungsvorhaben von Crataegus sowie Willmar Schwabe. Dr. Gohlke-Bärwolf erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Berichtigung
In dem Beitrag „Konkordanzanalyse –Teil 16 der Serie zur Bewertung wissenschaftlicher Publikationen“ von Robert Kwiecien et al., abgedruckt im Deutschen Ärzteblatt vom 29. 7. 2011 (Heft 30), wurde in Grafik 1 b die X-Achse und in Grafik 3 c die Y-Achse falsch eingezeichnet. Im Folgenden sind die Grafiken korrekt dar- gestellt. MWR
GRAFIK 3
Punktwolke zum Vergleich zweier Messmethoden zwi- schen denen offenbar ein funktionaler Zusammenhang besteht; Beispiel c) Messung 1 versus Messung 2; Beispiel d) Messung 1 versus Messung 2
GRAFIK 1
Direkter Vergleich zweier Messmethoden mittels Punkt- wolke und Winkelhalbierender; Beispiel a) Messung 1 versus Messung 2; Beispiel b) Messung 1 versus Messung 2