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Archiv "Wie informativ ist der Beipackzettel für ältere Patienten?" (20.10.1988)

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DA EDITORIAL

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Wie informativ

ist der Beipackzettel für ältere Patienten?

Dieter Platt

11)

ie steigende Zahl älterer Patienten in Praxen und Kliniken, die Zu- nahme gleichzeitig auftretender Erkrankungen im höheren Alter sowie die Verschiebung akuter Krankheiten zu den chronischen Erkrankungen fordern jeden behandelnden Arzt heraus, sich intensiver mit der Pharmakotherapie im Alter zu befassen (2). Während aus medizinischer Sicht Dosierung, Fragen von Neben- und Wech- selwirkungen und Dauer der Behandlung im Vordergrund stehen, wird der Bedeutung der

„Information gegenüber älteren Patienten`

nicht der Stellenwert eingeräumt, der dem hohen Verbrauch der Pharmaka in dieser Altersgruppe adäquat ist. So erhob im Novem- ber 1983 das Emnid-Institut Bielefeld in einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage die Häu- figkeit des Arzneimittelverbrauchs in der Bun- desrepublik. Auf die Frage: „Wie häufig neh- men Sie Arzneimittel ein?", wurde von über 65jährigen Befragten in 47 Prozent die Antwort täglich oder fast täglich gegeben. Van Zonne- veld (3) fand bei 65jährigen und älteren Proban- den, daß 37,9 Prozent der Frauen und 26,6 Pro- zent der Männer auf ärztliche Verordnung Phar- maka einnahmen.

Im Rahmen einer Dissertation (1) wurde unter anderem der Frage nachgegangen, wie in- formativ der Beipackzettel von Pharmaka für äl- tere Patienten ist. Insgesamt wurden 110 Patien- ten befragt, die selbständig zu Hause, mit Ehe- partner oder Kindern lebten. Die Befragung wurde während des stationären Aufenthalts in der 2. Medizinischen Klinik des Klinikums Nürnberg durchgeführt. Es handelte sich dabei vorwiegend um Patienten mit chronischen Er- krankungen (Diabetes mellitus, Hypertonie, Herzinsuffizienz, apoplektischer Insult) oder ei- ne Kombination aus zwei oder mehreren dieser Krankheiten. Lediglich 10 Prozent der befragten Patienten litten an akuten Krankheiten. Die Pa- tienten wurden nach Geschlecht und Alter (40 bis 60, 61 bis 70, 71 bis 80, über 80 Jahre) ge- trennt befragt.

Die bestgemeinte Aufklärung und Informa- tion durch die pharmazeutische Industrie nützt

dann nichts, wenn der Patient sich allein auf die Verordnung des ihn behandelnden Arztes ver- läßt und sich für den informierenden Beipack- zettel nicht interessiert. Wie ist nun das Lesever- halten in bezug auf den Beipackzettel bei älteren Patienten? 72 Prozent der Patienten gaben an, daß sie den Beipackzettel immer, 13 Prozent sel- ten und 15 Prozent nie läsen. Am interessierte- sten unter den älteren Patienten war die Gruppe der 61- bis 70jährigen beiderlei Geschlechts.

Als Gründe dafür, daß der Beipackzettel nicht gelesen wird, wurden angegeben: man- gelndes Interesse, zu kompliziert, wird von Fa- milienangehörigen gelesen, eingeschränktes Sehvermögen. 41 Prozent der befragten Patien- ten besprechen die Medikamentenbeilage mit ihrem behandelnden Arzt. Das sind 56 Prozent der Patienten, die angaben, daß sie den Bei- packzettel immer läsen. Als Gründe dafür, daß mit dem Arzt nicht über Unklarheiten im Bei- packzettel gesprochen wird, wurden am häufig- sten genannt: der Hausarzt nimmt sich keine Zeit, es besteht kein Vertrauensverhältnis zum Hausarzt. Diese Begründungen wurden auch ge- nannt bei der negativen Antwort auf die Frage, ob der Arzt den Patienten von sich aus bei Ver- schreibungen eines Medikamentes über dessen Wirkungen und Nebenwirkungen aufkläre. Hier antworteten 39 Prozent mit „ja" , 61 Prozent mit

„nein".

Hinweis auf Nebenwirkungen und Kontraindikationen

Auf die Bedeutung von Wechsel- und Ne- benwirkungen wurde einleitend hingewiesen. In diesem Zusammenhang ist die Antwort auf die Frage, welche der Informationen des Beipack- zettels für den Patienten am wichtigsten seien, interessant. 55 Prozent der Patienten antworte- ten, die Nebenwirkungen seien am wichtigsten.

An zweiter Stelle standen die Anwendungsge- biete.

Um herauszufinden, welche der angegebe- nen Nebenwirkungen dem Patienten am ver- ständlichsten erschienen, wie intensiv sie den Dt. Ärztebl. 85, Heft 42, 20. Oktober 1988 (49) A-2905

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Text gelesen hatten und auf welche Art von Ne- benwirkungen sie besonders achteten, wurde die Frage gestellt, „bei welchen Nebenwirkungen würden Sie das Medikament absetzen?" Dabei zeigte sich, daß 9 Prozent der Patienten den Bei- packzettel nicht gelesen oder überhaupt nicht verstanden hatten. 55,5 Prozent der Patienten erinnerten sich an eine Nebenwirkung, 29 Pro- zent der Patienten an zwei Nebenwirkungen.

Unter den genannten Nebenwirkungen standen Angst vor Ubelkeit, Erbrechen und allgemeine Magenbeschwerden an erster Stelle.

Zur Frage der Kontraindikationen der ein- genommenen Medikamente gaben über 50 Pro- zent der Männer und 25 Prozent der Frauen an, selbst auf die Gegenanzeigen zu achten und dar- über hinaus den Arzt zu befragen. Die Dosie- rungsangabe des Arztes wird von 76 Prozent der Männer und 93 Prozent der Frauen genau einge- halten, während eine Änderung der Behandlung nur nach Rücksprache mit dem Arzt erfolgt.

Fünf Prozent der Patienten interessierten sich am meisten für die Kontraindikationen und die Dosierungsangaben. Große Unterschiede zwi- schen den Angaben der befragten Frauen und Männer sowie zwischen den Altersgruppen wa- ren nicht feststellbar. Auf die Frage „Heben Sie die Beipackzettel Ihrer Medikamente auf?", an- worteten 67 Prozent mit „ja" - so lange, bis das Medikament verbraucht ist.

Kritik am Beipackzettel

Liest der Arzt die Beipackzettel der Phar- maka, so kommt er nicht umhin anzunehmen, daß zahlreiche Begriffe als „Fremdwörter"

nicht verstanden werden können. Um die Ver- ständlichkeit von Beipackzetteln festzustellen, wurden fünf Beispiele aus fünf Medikamenten- gruppen herausgegriffen: Analgetika und Anti- rheumatika, Diuretika, Antibiotika, Glykoside, Nootropica. 44 Prozent der befragten älteren Patienten nahmen das angegebene Medikament zu Hause bzw. während der ersten zwei Tage des stationären Aufenthaltes im Krankenhaus ein. Zunächst wurde gefragt, ob der Beipackzet- tel ganz gelesen worden war, oder aber, ob ein Teil ausgelassen wurde. 63 Prozent hatten den Beipackzettel vollständig gelesen. Am häufig- sten wurde die Zusammensetzung des Präpara- tes ausgelassen. Als Grund hierfür wurde „Un- verständlichkeit" angeführt. Zum Teil wurde auch als Begründung für mangelndes Interesse am Beipackzettel der lange und komplizierte Text angegeben (26 Prozent). 86 Prozent der Männer und 88 Prozent der Frauen kritisierten die große Zahl an vermeidbaren Fremdworten.

Dies betraf die Beipackzettel aller fünf bespro- chenen Pharmaka. Ein kleiner Prozentsatz in-

teressierte sich nicht für die Dosierungsangaben, da diese in den meisten Fällen durch den Arzt oder Apotheker gegeben würden.

Aus 25 Beipackzetteln der fünf Medikamen- tengruppen wurden die elf am häufigsten vor- kommenden Fachausdrücke ausgewählt und dem Patienten zur Erklärung vorgelesen.

Am besten bekannt war den Patienten das Wort „Allergie" und der Begriff „Diabetes mellitus" (in 75 Prozent). Es folgte „Hyperto- nie" (36 Prozent bei den Männern und 14 Pro- zent bei den Frauen), „Gastrointestinaltrakt"

(28 Prozent der Männer und 10 Prozent der Frauen), alle anderen Begriffe waren mit höchstens 12 Prozent den befragten Patienten bekannt. Pro Patient erkannten die Männer zwei bis drei Begriffe, die Frauen wußten durch- schnittlich ein bis zwei Begriffe. Die Angabe

„cerebral" kannte keiner der Patienten, die ei- nen apoplektischen Insult erlitten hatten, jedoch von der Bewußtseinslage her orientiert waren.

Darüber hinaus wurde die fehlende oder mangelnde Patienteninformation sowie die An- gabe von Nebenwirkungen (zum Beispiel Kali- ummangel) ohne gleichzeitige Angabe von Sym- ptomen kritisiert. Es wurde auch vorgeschlagen, bei der wichtigsten Nebenwirkung anzugeben, in wieviel Prozent diese aufträten, um Ängste und Verunsicherung der Patienten durch die Fülle ne- gativer Information in vernünftigen Grenzen zu halten. Gliederung und Schrift der Beipackzettel wurden überwiegend positiv beurteilt.

Vertrauen zum Arzt ist groß

Auf die Frage, bei welchen Krankheiten (den vorgegebenen fünf Medikamenten ange- paßt) sich der Patient das entsprechende Medi- kament verschreiben lassen würde, antworteten 94 Prozent richtig. Das Vertrauen des älteren Patienten zu dem behandelnden Arzt ist nach wie vor groß! 80,5 Prozent der älteren Patienten antworteten auf die Frage: „Würden Sie dieses Medikament trotz der möglichen Nebenwirkun- gen, die Sie gerade gelesen haben, regelmäßig einnehmen, wenn es Ihnen der Arzt ver- schreibt?" mit „ja".

Literatur

1. Laschka-Franz, A.: Dissertation, 1988

2. Platt, D.: Pharmakotherapie und Alter, ein Leitfaden für die Praxis, Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York, Lon- don, Paris, Tokyo, 1988

3. van Zonneveld, R. J.: Arzneimittelverbrauch im Alter. Scrip- tum Geriatricum, 1972

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. Dieter Platt

Lehrstuhl Innere Medizin - Gerontologie der Universität Erlangen-Nürnberg Flurstraße 17 • 8500 Nürnberg A-2908 (52) Dt. Ärztebl. 85, Heft 42, 20. Oktober 1988

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