Pflanzliche Präparate gel- ten in der Bevölkerung als besonders leicht verträglich.
Doch gerade dadurch steigt die Gefahr, daß auch Medi- kamente mit zweifelhafter Wirksamkeit auf den Markt drängen, hieß es auf dem Symposium „Rationale The- rapie mit Phytopharmaka bei neurologisch-psychiatri- schen Erkrankungen: De- menz, Depressionen, Schlaf- störungen“, veranstaltet vom Qualitätszirkel Naturheilver- fahren Heidelberg, der Euro- pean Academy of Natural Medicine und dem Unterneh- men Dr. Schwabe.
Bestimmte Standards kön- nen jedoch die Qualität von Phytopharmaka sichern, er- klärten Prof. Theodor Din- germann (Universität Frank- furt) und Prof. Adolf Nahr- stedt (Universität Münster):
Zentrales Kriterium für beide Wissenschaftler ist genügend Transparenz. So sollten die Hersteller auf den Medika- mentenverpackungen genau deklarieren, woraus und mit welchen Verfahren sie ihr Präparat herstellen, um Ärz- ten und Patienten die Wahl des Arzneimittels zu erleich- tern.
Pflanzenteil ist entscheidend Entscheidend für die Wirksamkeit eines Phyto- pharmakons ist beispielswei- se, welcher Bestandteil der Pflanze in der Produktion verwendet wird; bei Extrak- ten ist das verwendete Ex- traktionsmittel von Bedeu- tung, bei ätherischen Ölen das Destillationsverfahren.
Beide Angaben sollten des- halb auf der Medikamenten- packung stehen. Die Qualität des Präparates wird zudem vom Drogen-Extrakt-Ver- hältnis (DEV) bestimmt, also
der Masse der eingesetzten Drogen geteilt durch die Masse des getrockneten Ex- trakts. Zu einer sinnvollen Deklaration gehören dane- ben die Menge des Arznei- stoffes, das Indikationsfeld und die Dosierung.
Verschiedene Inhaltsstoffe Dingermann überprüfte 37 Johanniskrautpräparate auf die Einhaltung dieser Kri- terien. Sein Ergebnis: nur sechs der Arzneimittel ent- hielten eine vollständige De- klaration, drei weitere erfüll- ten die Standards wenigstens annähernd. Mit 28 Medika- menten aber fiel die große Mehrheit durch seine Prü- fung. Häufig ist nicht geklärt,
welche Inhaltsstoffe die Wir- kung von Phytopharmaka hervorrufen. Das gilt auch für Baldrian und Hopfen, die tra- ditionell gegen Schlaflosig- keit eingesetzt werden. Die Wirkung der Pflanzen an sich sei jedoch belegt, sagte Prof.
Axel Brattström (Romans- horn/Schweiz). EEG-Mes- sungen hätten ergeben, daß
das Gehirn zeit- und dosisab- hängig auf die orale Einnah- me eines Hopfen-Baldrian- Präparates reagiere.
Probanden einer multi- zentrischen Studie fühlten sich nach der Einnahme „lei- stungsfähiger und ausgeruh- ter“. Selbst die nach einer Dauerbehandlung mit Ben- zodiazepin registrierte Auf- lösung der NREM-REM- Schlafzyklik könne durch ei- ne mehrwöchige therapeuti- sche Substitution mit Hop- fen-Baldrian zumindest parti- ell gemindert werden.
Einen kritischeren Stand- punkt vertrat Prof. Dieter Riemann (Universität Frei- burg): Lediglich zum Baldri- an gebe es Daten, die wissen- schaftlichen Kriterien stand- hielten. Diese sprächen zwar dafür, daß Baldrian sich posi- tiv auf die subjektive Ein- schätzung der Schlafquali- tät auswirkt, objektiv gebe es jedoch kein einheitliches Bild. Riemanns Fazit: „Wei- tere multizentrisch angelegte Studien scheinen notwen- dig.“ Alexandra Endres
A-832 (64) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 14, 3. April 1998
V A R I A AUS UNTERNEHMEN
In der Akuttherapie, der Erhaltungstherapie sowie der Rezidivprophylaxe kommt den Antidepressiva neben Verfahren wie Psycho- oder Lichttherapie eine zentrale Bedeutung zu. Jüngste Medi- kamentengruppe sind die se- lektiven Serotonin-Wieder- aufnahmehemmer (SSRI – selective serotonin reuptake inhibitors), die Antidepressi- va der dritten Generation.
Die neuen SSRI-Substan- zen haben eine gute Patien- tencompliance, weil sie in der Regel nur einmal täglich ver- abreicht werden. Sie verursa- chen keine Gewichtszunah- me, haben keinerlei Suchtpo- tential und besitzen nur eine geringe Toxizität. Damit be- steht nur ein geringes Über- dosierungsrisiko. Für ältere Patienten sind SSRI beson- ders geeignet, da sie die or- thostatische Hypertonie und
die Sedierung reduzieren.
Das verringert die Sturzge- fahr.
Dr. Fred Rappord (Lever- kusen) betonte auf der Fach- pressekonferenz in Köln, daß Citalopram als selektivste Substanz unter allen SSRI gelte. In präklinischen Studi- en erwies sich Citalopram als selektiver Hemmstoff der 5-HT-Wiederaufnahme. Die Wiederaufnahme von Norad- renalin wird so gut wie nicht beeinflußt. Das Interaktions- potential von Citalopram ist sehr gering, so wird die beim älteren Menschen häufig vor- handene Komedikation nicht beeinträchtigt. In der Wirk- samkeit sind SSRI mit den tri- und tetrazyklischen Anti- depressiva vergleichbar. Sie haben jedoch den Vorteil ei- ner signifikant besseren Ver- träglichkeit vorwiegend auf anticholinerge und kardio-
vaskuläre Effekte. Bayer Vi- tal bietet seit Anfang Februar den selektiven Serotonin- Wiederaufnahmehemmer Ci- talopram (Sepram®) an. Die Substanz wurde von der däni- schen Firma Lundbeck einli- zensiert. Das Präparat steht als Filmtabletten mit 20 mg oder 40 mg Wirkstoff zur Ver- fügung.
Angststörungen waren bis in die 60er Jahre Domäne der psychotherapeutischen Be- handlung. Diese Therapie reichte meist nicht aus. Heu- te, so erläuterte Dr. Borwin Bandelow (Göttingen), gehö- ren SSRI bereits zu den Mit- teln der Wahl in der Angstthe- rapie. Sinnvoll zeigt sich meist eine Kombination von Verhal- tens- mit einer Pharmakothe- rapie. In verschiedenen Län- dern, zum Beispiel in Groß- britannien, ist Citalopram be- reits für die Therapie von Pa- nikstörungen zugelassen. In Deutschland ist die Zulassung für diese Indikation bean- tragt. Ursula Petersen
Qualität von Phytopharmaka
Mehr Transparenz ist gefordert
Extrakte des Schöllkrauts werden seit Jahrhunderten bei Gallenwegsbe- schwerden und gastrointestinalen Krämpfen eingesetzt. Foto: B. Ernst, Basel