A-3196 (68) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 49, 10. Dezember 1999
V A R I A AUS UNTERNEHMEN
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ie Behandlung mit in- travenösem Immunglo- bulin G (IVIG) scheint ein vielversprechender The- rapieansatz bei multipler Sklerose (MS) zu sein. Der- zeit wird unter Leitung der Europäischen Charcot Foun- dation mit Unterstützung der Bayer AG die ESIMS-Studie in Europa und Kanada ausge- führt. Wie Studienleiter Prof.Otto R. Hommes (Nimwe- gen) auf einem Presseseminar in Mayschoß mitteilte, soll damit nachgewiesen werden, daß die Behandlung mit IVIG die Progression der MS verzögert.
Die multiple Sklerose ist eine Autoimmunkrankheit, die wahrscheinlich im Zusam- menspiel mit einer Virusinfek- tion entsteht. Zu den klini- schen Symptomen zählen Läh- mungen, Hirnnervenausfälle
und Gleichgewichtsstörungen, die schubförmig auftreten. „15 Prozent der Erkrankten sind an den Rollstuhl gebunden, bei zehn Prozent kommt es zu einer raschen Ver-
schlechterung mit Pflegebedürftig- keit“, so der Ham- burger Neurolo- ge Dr. Wolfgang Elias. Bei etwa 40 Prozent der Pati- enten verlaufe die MS eher gutartig.
Nach seinen Angaben konnte in mehreren Stu- dien nachgewiesen werden, daß die Therapie mit IVIG den klinischen Zu- stand der MS-Pa- tienten verbessert:
Mehr Erkrankte blieben schubfrei;
bei anderen Patienten konnte sowohl die Zahl akuter Schü- be als auch ihr Schwere- grad deutlich reduziert wer- den. In allen Studien wurde die Behandlung gut vertra- gen. „Auch bei Immundefek- ten, wie dem Antikörperman- gelsyndrom und bei Erkran- kungen im Kindesalter, bei denen die Antikörperbildung gestört ist, werden Immun- globuline zur Behandlung ein- gesetzt“, führte Prof. Volker
Wahn (Düsseldorf) aus. Sie könnten aber auch Personen mit normalem Immunsystem gegeben werden, um kurz- fristig einen vorbeugenden Schutz vor Infektionen zu er- reichen.
„Immunglobuline erken- nen bestimmte Antigene auf den Mikroorganismen, die in den Körper eindringen. Durch die anschließende Stimula- tion von Makrophagen wer- den die Erreger beseitigt“, erläuterte Dr. Ralf Gold (Würzburg). Da Immunglobuline aus menschlichem Blut- plasma hergestellt werden, muß jede Spende auf HIV, He- patitis B, C und Sy- philis-Antikörper ge- testet werden. Mit Hilfe der Polymerase- Kettenreaktion wer- den die Plasmapools auf das Hepatitis-C- Virus getestet. Dar- über hinaus muß das Plasma verschiedene Reinigungsverfahren durchlaufen, die Vi- ren inaktivieren oder eliminieren. EB Jeder MS-Schub hat eine Zerstörung von Hirngewebe zur Folge.
Dabei kommt es zu Entmarkungsherden, die im histologischen Bild als Plaques (Pfeile) imponieren. Foto: Bayer AG
Multiple Sklerose
Immunglobulin G als neuer Therapieansatz
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it der Einführung des ersten oralen Hydro- morphons mit zwölf- stündiger Wirkung hat sich die Palette der oralen Opio- ide der WHO-Stufe III wei- ter vergrößert. Aus klinischer Sicht ist diese Entwicklung begrüßenswert, da zur Be- handlung von starken, lang- dauernden Schmerzen nun- mehr Alternativen zur Verfü- gung stehen. Zur Begrün- dung verwies Dr. Marianne Kloke (Essen) auf die Tat- sache, daß bis heute keine ge- sicherten Daten zur Differen- tial-Indikation und -Kontra- indikation für die verschieden starken Opioide vorliegen.Aufgrund des individu- ell unterschliedlichen Anspre- chens auf die verschiedenen Präparate – wobei auch ge- netische Faktoren eine Rolle spielen – und der Ausprägung der opioid-typischen Neben- wirkungen ist ein breites Spek-
trum von Substanzen vorteil- haft, speziell auch bei not- wendigen Umstellungen. Wie die Referentin bei einer Veranstaltung des Unterneh- mens Mundipharma ausführ- te, „mehren sich die Hinweise, daß der Situation des Leber- und/oder Nierenversagens, des hohen Alters sowie der Po- lypharmakotherapie klinische Relevanz für die Opioidthera- pie in Abhängigkeit von der Substanz zukommt“.
Unterstützt wurde diese Aussage von Prof. Hans Georg Kress (Wien), der das Ergeb- nis einer Anwendungsbeob- achtung aus Österreich prä-
sentierte. Die neuen Retard- Kapseln des halbsynthetischen Hydromorphons, die im Au- gust auf den deutschen Markt als Palladon®in vier verschie- denen Wirkstärken in den Handel kamen, sind im Nach- barland seit eineinhalb Jah- ren verfügbar. Im Rahmen der Beobachtung wurde das Präparat bei 123 Patienten (Durchschnittsalter 72,5 Jah- re) mit onkologischer und nicht onkologischer Indikation über vier Wochen eingesetzt.
Hinsichtlich der Schmerzin- tensität wurde bei allen eine Reduktion um 50 Prozent und mehr notiert, wobei Pati-
enten über 70 Jahre und on- kologische Patienten im Ver- gleich stärker profitierten.
Entsprechende Daten wurden zur Wirksamkeit erhoben. Im Vergleich zur Vorbehandlung – schwache Opioide oder starke retardierte beziehungs- weise transdermale Opioide – verbesserte sich auch die Ver- träglichkeit, was Kress der günstigeren Metabolisierung im Vergleich mit Morphin zu- schrieb.
Hydromorphon werde überwiegend zu 3-Glucuro- niden verstoffwechselt, bei Morphin dagegen entstehe auch ein aktives 6-Glucuro- nid, das bei eingeschränkter Nierenfunktion akkumulieren kann. Kress sieht deshalb Hy- dromorphon vor allem bei geriatrischen Schmerzpatien- ten als Bereicherung an – all- gemein gelte dies aber auch für die „opioid rotation“.
Dr. Renate Leinmüller