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Archiv "EU-Arbeitszeitrecht: Kein einheitliches Bild" (08.04.2011)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 14

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8. April 2011 A 807

S T A T U S

Sozialdaten: Die KV muss Auskunftsbegehren nachkommen

Versicherte haben einen Anspruch auf Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Sozialda- ten bei einer Kassenärztlichen Vereinigung (KV).

Der Kläger hatte seine Krankenkasse gebeten, ihm mitzuteilen, welche medizinischen Leistungen während seiner Mitgliedschaft für ihn abgerech- net worden seien. Er benötige diese Angaben zur Beantragung einer privaten Berufsunfähigkeits- versicherung. Die Krankenkasse leitete das Begeh- ren an die KV weiter. Diese erteilte dem Kläger ei- ne Versichertenauskunft zunächst für das Jahr 2004 und später für das Quartal I/2005. Sie lehnt es aber ab, Daten für Zeiten vor 2004 zu über- mitteln, obwohl sie die Behandlungsdaten für das Geschäftsjahr 2003 elektronisch gespeichert hat.

Nach Auffassung der KV verpflichtet die Regelung des § 305 Sozialgesetzbuch (SGB) V („Auskünfte an Versicherte“) nur dazu, über in Anspruch ge- nommene Leistungen und deren Kosten für das jeweils letzte Geschäftsjahr zu informieren. Dage- gen macht der Kläger geltend, er habe einen Aus- kunftsanspruch hinsichtlich der gespeicherten Sozialdaten des Jahres 2003 gemäß § 83 Abs. 1 Nr. 1 SGB X („Auskünfte an den Betroffenen“).

Das Bundessozialgericht (BSG) folgte der Auf- fassung des Klägers, dass § 83 SGB X nicht durch die Vorschrift des § 305 SGB V verdrängt wird. § 305 SGB V hat von seiner Entstehungsge- schichte und Regelungszweck her das Ziel, die Transparenz der Leistungserbringung und Leis- tungsabrechnung zu erhöhen und hierdurch einen Beitrag zur Steigerung des Kostenbewusstseins der Versicherten zu leisten. § 83 SGB X will dem- gegenüber unter bereichsspezifischer Übertragung der datenschutzrechtlichen Auskunftsrechte des

§ 19 Bundesdatenschutzgesetz die Rechte der Betroffenen in den Sozialleistungsbereichen ver- stärken, insbesondere durch erweiterte Auskunfts- rechte. Der Betroffene soll sich die Kenntnis von der Verarbeitung seiner Sozialdaten verschaffen können, etwa um die Zulässigkeit der Verarbeitung und Richtigkeit der Daten überprüfen zu können.

Für Sozialdaten sind somit die einschlägigen Re- gelungen des SGB I und SGB X grundsätzlich gleichrangig, neben den übrigen Büchern des So- zialgesetzbuchs, um einen umfassenden Schutz zu schaffen. Daher ist die KV als eine zur Aus- kunft verpflichtete verantwortliche Stelle im Sinne des SGB X gehalten, dem Auskunftsbegehren nachzukommen. (BSG, Urteil vom 2. November 2010, Az.: B 1 KR 12/10 R) RAin Barbara Berner

RECHTSREPORT

EU-ARBEITSZEITRECHT

Kein einheitliches Bild

Die Europäische Kommission hat recherchiert, ob sich die EU-Staaten daran halten, dass Bereitschafts- dienste voll als Arbeitszeit zu werten sind.

E

lf Jahre nachdem der Europä - ische Gerichtshof (EuGH) ent- schieden hat, dass Bereitschafts- dienste als Arbeitszeit zu werten sind, kommen Ärzte in einigen Staaten der Europäischen Union (EU) immer noch nicht in den Ge- nuss dieses Urteils. Dies ergibt eine Analyse der Europäischen Kom- mission zur Umsetzung des gelten- den europäischen Arbeitszeitrechts auf Grundlage der EU-Arbeitszeit- richtlinie und der EuGH-Recht - sprechung. Grundlage der Untersu- chung waren nationale Berichte der EU-Staaten und Informationen un- abhängiger Sachverständiger.

Griechische und irische Ärzte müssen etwa ihre Bereitschafts- dienste weiterhin zusätzlich zur durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit ableisten. Dies gilt an- teilig auch für die „inaktiven“ Pha- sen während des Bereitschafts- dienstes. In Griechenland haben Ärzte im öffentlichen Sektor zudem keinen Anspruch auf die gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleichsruhe- zeiten. Auch in Dänemark dürfen Ärzte die inaktiven Zeiten während der Bereitschaft nicht voll auf ihre Arbeitszeit anrechnen. Anders sieht es dagegen in Frankreich, Polen, der Slowakischen Republik und Spanien aus. Hier wird der Bereit- schaftsdienst im Bereich der öffent- lichen Gesundheit inzwischen nach dem nationalen Recht, wie in Deutschland bereits seit 2004, voll- ständig als Arbeitszeit angesehen.

Rechtlich unklar ist dem Kommis- sionsbericht zufolge die Situation in Bulgarien, Rumänien und Slowe- nien. Im belgischen, finnischen und schwedischen Recht wiederum gilt der inaktive Bereitschaftsdienst zwar als Arbeitszeit, allerdings sind Abweichungen im Wege von Tarif- verträgen möglich.

Ein heterogenes Bild ergibt sich auch hinsichtlich der erlaubten Höchstarbeitszeit. Nach EU-Recht gilt eine durchschnittliche wöchent- liche Höchstarbeitszeit von 48 Stun- den inklusive Überstunden, sofern keine individuellen Ausnahmere - gelungen getroffen werden („Opt- out“). Gleichwohl kann zum Bei- spiel österreichischen Ärzten eine durchschnittliche Wochenarbeits- zeit von 60 Stunden auferlegt werden, ohne dass sie hierzu ihr Einverständnis geben müssen. In Frankreich sehen die Dienstpläne von in öffentlichen Krankenhäusern

beschäftigten Ärzten ebenfalls noch Wochenarbeitszeiten von mehr als 48 Stunden vor. Nach ungarischem Recht ist einschließlich der Bereit- schaftsdienste eine durchschnittli- che Wochenarbeitszeit von 60 bis 72 Stunden erlaubt. Dabei ist nach Angabe der EU-Kommission un- klar, ob die Verträge unter die Opt- out-Klausel fallen.

Von der Möglichkeit der Aus - nahmeregelung macht derweil eine Reihe von EU-Staaten Gebrauch:

Nach Angaben der Europäischen Kommission sieht das Arbeitsrecht von 16 der 27 EU-Mitgliedstaaten

Die Arbeits - belastung be- sonders der Ärz- tinnen und Ärzte in Weiterbildung ist in den EU- Ländern weiter- hin sehr hoch.

Nicht überall wurde das EuGH- Urteil zum Bereit- schaftsdienst umgesetzt.

Foto:

picture alliance

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A 808 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 14

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8. April 2011

Palliativmedizinische Versorgung I

Angesichts der zahlreichen, in Teilen sehr un- terschiedlichen Verträge der Kassenärztlichen Vereinigungen mit den gesetzlichen Kranken- kassen im Rahmen der palliativmedizinischen Versorgung durch Haus- und Fachärzte und der dort zur Abrechnung aufgeführten Pau- schalen, fragt man sich, wie derartige Leis- tungen bei der palliativmedizinischen Betreu- ung von Privatpatienten nach der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) berechnet werden können. Pauschalen sind nach der GOÄ nicht berechnungsfähig.

Im Vordergrund bei den Verträgen zur pal- liativmedizinischen Versorgung der Patienten durch Haus- und Fachärzte stehen vor allem unterschiedliche Arten von Gesprächen (wie Gespräche mit dem Patienten, den Angehöri- gen, Konsile mit dem Krankenhausarzt und/

oder dem Palliativarzt, dem Pflegedienst) und weitere koordinierende Tätigkeiten, die in ei- nem weiteren Ratgeber thematisiert werden.

Im Hausbesuch nach Nr. 50 GOÄ sind ei- ne Beratung (nach Nr. 1 GOÄ) und eine sym -

ptombezogene Untersuchung (nach Nr. 5 GOÄ) enthalten. Diese Beratung und Untersu- chung sind folglich in den ergänzenden Be- stimmungen zu Nr. 50 GOÄ explizit ausge- schlossen. Für einen Besuch mit einem be- sonders zeitaufwendigen Gespräch könnte die Nr. 50 GOÄ mit entsprechender Begrün- dung (§§ 5 Abs. 2 und 12 Abs. 3 GOÄ) ange- messen gesteigert werden.

Die eingehende Beratung nach Nr. 3 GOÄ ist durch die ergänzenden Bestimmungen („einzige Leistung“) neben der Nr. 50 GOÄ ausgeschlossen. Andere Gesprächsleistungen (wie die Nr. 34 GOÄ) sind dagegen nicht aus- geschlossen. Zwingend ist aber, dass der Leis- tungsinhalt und die Mindestdauer (Nr. 34 GOÄ:

„Dauer mindestens 20 Minuten“) erfüllt wur- den. Bei Leistungen, deren Leistungslegende eine Angabe der Mindestdauer enthält, muss die Mindestdauer unbedingt auf der Rechnung angegeben werden (§ 12 Abs. 2 Ziffer 2 GOÄ) damit die Rechnung fällig wird.

Die „Erhebung der Fremdanamnese über einen Kranken und/oder Unterweisung und Führung der Bezugsperson(en) – im Zusam-

menhang mit der Behandlung eines Kran- ken“ nach Nr. 4 GOÄ wird möglicherweise in einem bestimmten Krankheitsstadium bei diesen Patienten notwendig werden und an- setzbar sein.

Die „Psychotherapeutische Behandlung bei psychoreaktiven, psychosomatischen oder neurotischen Störungen, Dauer mindestens 20 Minuten“ nach Nr. 849 GOÄ könnte im Rahmen der psychosomatischen Grundversor- gung durch den Hausarzt oder Facharzt eben- falls notwendig werden und bei Vorliegen ei- ner entsprechenden Symptomatik und Be- handlung im Rahmen der palliativmedizini- schen Versorgung angesetzt werden.

Beratungsleistungen, mit Ausnahme der Nr. 4 GOÄ, sind grundsätzlich nicht nebenein - ander berechnungsfähig. Sollten bei diesen besonderen Patienten zwei Gespräche (wie ei- ne telefonische und eine Beratung im Rahmen eines Hausbesuchs oder in einer Praxis) an ei- nem Tag notwendig sein, so können durch die Angabe der Uhrzeiten zu den Leistungen auf der Rechnung Missverständnisse und Rück- fragen vermieden werden. Dr. med. Anja Pieritz

GOÄ-RATGEBER

eine Opt-out-Möglichkeit vor. Elf dieser Länder nutzen die Möglich- keit vor allem für Branchen, wie dem Gesundheitsdienst, in denen kontinuierliche Arbeitsabläufe rund um die Uhr erforderlich sind. Die EU-Kommission weist in ihrem Bericht allerdings darauf hin, dass einige Mitgliedstaaten sich offen-

sichtlich nicht ordnungsgemäß an die EU-Bestimmungen halten, wo- nach der jeweilige Arbeitnehmer dem Opt-out vorab auf freiwilliger Basis zugestimmt haben muss.

Als unbefriedigend beurteilt die EU-Kommission ferner die Situati- on der Ärzte in Weiterbildung. Dies betrifft vor allem die Ärzte in Grie- chenland, Irland und Frankreich.

Dort können Arbeitgeber von Ärz- ten in Weiterbildung weiterhin ver- langen, auf Mindestruhezeiten zu verzichten und in sehr hoher Zahl Überstunden zu leisten.

Welche Schlüsse EU-Beschäfti- gungskommissar László Andor aus der Analyse ziehen wird, ist noch ungewiss. Im Dezember 2010 hatte Andor angedeutet, das Gesetzge- bungsverfahren unter Umständen neu aufrollen zu wollen. Denkbar wäre, im Zuge einer Neufassung nur bestimmte Punkte des Arbeits-

zeitrechts zu überarbeiten. Dies be- träfe in erster Linie die Vorschriften zum Bereitschaftsdienst und zu den Ausgleichsruhezeiten. „Anzustreben wäre ein angemessener EU-Rechts- rahmen, auf dessen Grundlage lo- kale oder branchenbezogene Lö- sungen ausgehandelt werden könn- ten [. . . ]“, schreibt die Kommission in einer Mitteilung. Die zweite Op- tion bestünde in einer umfassenden Überarbeitung der EU-Arbeitszeit- richtlinie. Im April 2009 waren Ver- handlungen über eine Neufassung der Richtlinie gescheitert.

Der Marburger Bund befürchtet, dass eine nur den Bereitschafts- dienst und die Ausgleichsruhezei- ten betreffende Neufassung das Niveau des Arbeitsschutzes in Euro - pa herabsetzen würde: „Die durch- schnittliche wöchentliche Höchst - arbeitszeit könnte dann beim Ableis- ten des Bereitschaftsdienstes und durch Anwendung der Opt-out-Re- gelung überschritten werden“, heißt es dazu in einer Stellungnahme. Die Ärztegewerkschaft fordert, die Opt- out-Regelung zu streichen: „Das Europäische Parlament hat im April 2009 deutlich gemacht, dass es den Arbeits- und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer ernst nimmt.“

Die Deutsche Krankenhausge- sellschaft hofft dagegen auf flexible Lösungsansätze, wie Europarefe- rent Marc Schreiner betont: „Eine Herausnahme des Opt-out wie auch andere weitergehende Einschrän- kungen würden die Krankenhäuser vor unlösbare Probleme hinsicht- lich der Erfüllung ihres Versor- gungsauftrags stellen.“ ■ Petra Spielberg

Welche Schlüsse EU-Beschäftigungskommissar László Andor aus der Analyse ziehen wird, ist noch ungewiss.

S T A T U S

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