A862 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 18⏐⏐1. Mai 2009
P O L I T I K
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er Bewertungsausschuss hat am 20. April an einigen Stel- len dem Druck im System nachgege- ben und mehrere kleinere Änderun- gen an der Honorarreform beschlos- sen. So soll im Einzelfall die Bezah- lung gerechter ausfallen. Zudem hofft man, Fehlentwicklungen zu stop- pen, die sich bereits abzeichnen.„Die Spielräume im Rahmen der Konvergenzregelung können nun Kassenärztliche Vereinigungen (KVen) und Kassen nutzen“, stellte der Vor- standsvorsitzende der Kassenärzt- lichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. med. Andreas Köhler, im An- schluss an die Sitzung klar. Dass die Anpassungen einen Beigeschmack haben, weil sichere Daten als Grund- lage noch fehlen, ließ er allerdings auch durchblicken: „Eine endgül- tige Bilanz werden wir erst im Ja- nuar 2010 ziehen können, wenn die tatsächlichen Abrechnungsergebnis- se vorliegen.“
Im Einzelnen haben die Vertreter der Krankenkassen und des KV- Systems im Bewertungsausschuss folgende Anpassungen beschlossen:
>Mehrere Leistungen werden aus dem Regelleistungsvolumen der ent- sprechenden Arztgruppen herausge- nommen. Dazu zählen psychiatri- sche Gesprächs- und Betreuungs- leistungen, genauer die Gebühren- ordnungspositionen (GOP) 14220, 14222, 21216, 21220, 21222, anäs- thesiologische Leistungen des Ab- schnittes 5.3 der Gebührenordnung, nephrologische Leistungen der Ab- schnitte 4.5.4 und 13.3.6 sowie Bron- choskopien (GOP 09315, 09316, 13662, 13670). Dadurch können die betreffenden Leistungen besser be- zahlt werden.
>Für die Berechnung der Regel- leistungsvolumen (RLV) von Ge- meinschaftspraxen, Medizinischen
Versorgungszentren und Praxen mit angestellten Ärzten hat der Bewer- tungsausschuss die Umstellung vom Arzt- auf den Behandlungsfall be- schlossen und ausgleichend eine Zuschlagsregelung. Danach werden RLV für fach- und schwerpunktglei- che Berufsausübungsgemeinschaf- ten und Praxen mit angestellten Ärzten der gleichen Arztgruppe um
zehn Prozent erhöht. Im Fall fach- und schwerpunktübergreifender Ge- meinschaften kann sich das RLV um fünf bis 40 Prozent erhöhen. Es bleibt zudem bei der Möglichkeit, die arztbezogenen RLV untereinan- der zu verrechnen.
Hintergrund der Änderungen: Die Festlegung des jeweiligen arzt- und praxisbezogenen RLV auf Basis der Anzahl der Arztfälle hat offenbar be- reits zu einem Anstieg der Fallzah- len geführt. Befürchtet wurde nun, dass kooperierende Ärzte sich dau- erhaft vermehrt Patienten zuweisen könnten, um die Fallzahlen zu er-
höhen. Dies hätte mittelfristig die Fallwerte in einer Fachgruppe sinken lassen, und zwar zum Nachteil von be- sonders spezialisierten Ärzten mit we- nigen Fällen, aber hohen Fallwerten.
> Um mehr Geld für die RLV zur Verfügung zu haben, werden die Rückstellungen verringert. In Zukunft müssen nur noch zwei statt bislang drei Prozent des vorläufigen RLV- Vergütungsvolumens für den haus- ärztlichen und den fachärztlichen Bereich zurückbehalten werden. Die Neuregelungen gelten vom 1. Juli 2009 an. KVen, die die RLV im zweiten Quartal nur unter Vorbehalt zugewiesen haben, können die Än- derungen allerdings in Abstimmung mit den Kassen vor Ort auch schon rückwirkend zum 1. April umsetzen.
Der Spitzenverband der gesetzli- chen Krankenkassen begrüßte die Einigung. „Der Beschluss verbindet den Wunsch der Ärzteschaft nach einer Nachjustierung der innerärzt- lichen Verteilungsmechanismen mit der Forderung der Krankenkassen, dass diese nicht zu neuen Lasten der Beitragszahler führen darf“, sagte dessen stellvertretender Vorsitzen- der Johann-Magnus von Stackel- berg. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) lobte ausdrück- lich in der „Financial Times Deutschland“ die Nachbesserungen bei psychiatrischen Gesprächs- und Betreuungsleistungen.
Aus einzelnen Regionen und Ver- bänden kam indes Kritik. „Die jetzt vorgenommenen Korrekturen sind bloße Kosmetik“, kritisierte Dr.
med. Klaus Bittmann, Bundesvor- sitzender des NAV-Virchow-Bunds.
„Für einzelne Fachgruppen besteht daher weiter die Notwendigkeit, mit den Krankenkassen Einzelverträge
abzuschließen.“ I
Sabine Rieser
HONORARREFORM
Etwas mehr Spielräume für die Kassenärztlichen Vereinigungen
Der Bewertungsausschuss hat kleinere Veränderungen an der Honorarreform beschlossen. Unter anderem werden psychiatrische Gesprächs- und Betreuungsleistungen besser vergütet.
„ Wir sind einige kleine Schritte vorangekommen. Damit haben wir etwas Luft gewonnen. “
Dr. med. Andreas Köhler
Foto:KBV