A342 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 8⏐⏐20. Februar 2009
B R I E F E
HONORARREFORM 2009
Der Optimismus ist öffentlicher Fas- sungslosigkeit, Ernüchterung und Wut gewichen (DÄ 4/2009: „Wo ist bloß das Geld geblie- ben?“ von Heike Korzilius und Sabine Rieser).
Das System fährt gegen die Wand!
Das System fährt gegen die Wand!
Das ist die Meinung vieler niederge- lassener Fachärzte. Wenn wir auch inzwischen einige Informationen ha- ben, in welchen Kanälen das von der Politik versprochene Geld bis auf Weiteres lagert (gesetzlich vorge- schriebene Rückstellung und Vor- wegabzüge), muss man sich doch fragen, ob die Kassenärztlichen Ver- einigungen keine Mathematiker, Be- triebswirte oder andere Fachleute mit Berechnungen hätten beauftragen können, die das derzeitige Desaster leicht hätten vorhersagen, vielleicht auch verhindern können. Jetzt wird nach wenigen Wochen nachgebes- sert, neu berechnet, beschwichtigt, es werden guter Wille und Engagement demonstriert. Hauptsache, es wird fleißig weitergearbeitet – natürlich systemkonform – und es kommt nicht zur Revolution. Doch auch un- sere Regierung hat, in Bezug auf die Gesundheitspolitik, völlig versagt:
Einige der Errungenschaften des Ge- sundheitsfonds werden in ihrer Trag- weite noch gar nicht wahrgenommen und erkannt . . . Die Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung (Paragraf 116 b SGB V), die 2009 verstärkt gefördert werden soll, führt die Situation vollends ad absurdum: Welche (Fach-)Ärzte sol-
len denn in den Krankenhäusern die Patienten behandeln? Bereits jetzt leidet die stationäre Versorgung un- ter der zunehmenden Tätigkeit der Stationsärzte in den Klinikambulan- zen. Diese Tätigkeit wird gut bezahlt und ist für die Kliniken zur Einnah- mequelle geworden. Hier seien bei- spielhaft die psychiatrischen Insti- tutsambulanzen erwähnt (PIAS), die mindestens dreifach höhere Fallpau- schalen erhalten als niedergelassene Fachärzte – für die gleiche Arbeit.
Geradezu fatal ist es, dass junge, en- gagierte Ärzte und Medizinstudenten jetzt den vollen Zorn und die Frustra- tion der älteren Generation miterle- ben und sich rechtzeitig nach ande- ren Arbeitsmöglichkeiten umsehen werden (DÄ 4/2009: „Als Psychiater in den Niederlanden: Flaches Land – flache Hierarchien“). Wir Ärzte – und leider auch die Patienten – wer- den mit den Auswirkungen des Ge- sundheitsfonds in seiner jetzigen Form noch zu kämpfen haben, wenn die derzeitige Regierungskoalition im Herbst 2009 abgewählt wird und einige Politiker gut bezahlte Berater- posten angenommen haben wer- den! . . .
Dr. Gabriele Freymann,Gymnasiumstraße 12, 53359 Rheinbach
Dr. Mike Dahm,Meckenheimer Allee 67–69, 53115 Bonn
Egbert Wienforth,Cecilienstraße 1, 53840 Troisdorf Vorstand des ZNS-BonnRegio e.V. (Zentrum für Neurologische und Seelische Gesundheit der Region Bonn)
Völlig untauglich
Eine Honorarreform jagt die andere.
So geht das seit über 30 Jahren. Die letzte erweist sich schon nach eini- gen Tagen als völlig untauglich.
Wann denkt man bei den Führungs- gremien der Ärzte endlich um und tritt energisch für eine echte Reform
ein? Diese kann doch nach all den bisherigen Misserfolgen nur in einer Kostenerstattung auf Euro-Basis er- folgen mit der GOÄ als Grundlage.
Die KVen könnten nach formaler Rechnungsprüfung die Honorare bei den Patienten einziehen, analog zum Vorgehen der Privaten. Anders als bei den Privaten dürften die Kassen die Kosten allerdings nur gegen Zah- lungsnachweis erstatten. Bei Zah- lungsverzug müssten die Kassen in Vorlage treten und ihrerseits die Ho- norare bei den Versicherten einfor- dern. Es ließen sich auch leicht Re- gelungen einbauen, um Härtefälle zu vermeiden. Das offenbar still beer- digte Korbmodell von Medi wäre ein geeignetes Verfahren gewesen, um Kassen und Politiker zu einem Um- denken zu motivieren.
Dr. med. Eugen Vogt,Brachfeldstraße 19, 77654 Offenburg
Praxiswerte im freien Fall
Quälen der Niedergelassenen durch eine Kombination aus Honorarminus und Gebaren der Finanzbehörden . . . (zumindest in Rheinland-Pfalz):
Ausbauten von Räumlichkeiten als Mieter werden unterschiedslos als unbewegliche Mietereinbauten be- handelt und mit drei Prozent im Jahr, also über 33 Jahre abgeschrieben, auch wenn vom Lebensalter des sich Niederlassenden, der Mietvertrags- dauer und der Art der Einbauten eine kürzere Nutzung anzunehmen ist.
Weiterhin wird vom gezahlten Preis für den Praxiseinstieg oder die Über- nahme willkürlich ein ideeller Be- trag gebildet, der nicht abschreibbar ist, selbst dann, wenn eine eigene KV-Zulassung „mitgebracht“ wird.
Die miserable Abschreibungsmög- lichkeit ist deshalb von so großer Relevanz, weil künftig eine Aufgabe
Beiträge im Deutschen Ärzteblatt sollen zur Diskussion anregen. Deshalb freut sich
die Redaktion über jeden Leserbrief. Wir müssen aus der Vielzahl der Zuschriften aber auswählen und uns Kürzungen vorbehalten. Leserbriefe geben die Meinung des Autors, nicht die der Redaktion wieder. E-Mails richten Sie bitte an leserbriefe@aerzteblatt.de, Briefe an das Deutsche Ärzteblatt, Ottostraße 12, 50859 Köln.
Das Leser-Forum
B R I E F E
der ärztlichen Tätigkeit in der Regel aus wirtschaftlichen Gründen er- folgt; d. h. im Jahr der Aufgabe ste- hen der dann möglichen Abschrei- bung kaum Einnahmen gegenüber.
Bezüglich der Abschreibbarkeit der Vertragsarztzulassung sind die Be- gründungen, mit denen das als Grundlage herangezogene Urteil des Finanzgerichts Niedersachsens von 2004, das einen „ideellen“ Praxis- wert kreiert, der nicht abgeschrieben werden könne, da „über den Nut- zungszeitraum der Vertragsarztzu- lassung kein Wertverzehr eintreten würde“, längst Makulatur . . . In ei- ner Zeit, in der die Praxiswerte im freien Fall sind, in der absehbar ist, dass in Kürze viele Vertragsarztzu- lassungen zurückgegeben werden, da komplett entwertet aufgrund der niedrigen Honorare, kann eine Her- anziehung des genannten alten nie- dersächsischen Urteils trotz gegen- läufigen Urteils des Finanzgerichts
Rheinland-Pfalz von 2008 nur als böswillig angesehen werden . . .
Dr. med. Manfred Reeb,Finkenhain 4, 67661 Kaiserslautern
Noch keinen Gewinner gesprochen
Mit Spannung habe ich begonnen, Ihren Artikel zu lesen und mich be- stätigt gefühlt. Ich habe bisher mit keinem Gewinner gesprochen. Aber ab dem Absatz: „Wenig Kritik kommt bislang aus den neuen Bun- desländern. Die Ärzte . . . dort gelten als Gewinner . . .“ habe ich nicht mehr weitergelesen. Wir haben es geschafft, Fach- und Hausärzte zu spalten. Nun wird auch innerhalb der Fachgruppen eine Spaltung versucht (In Sachsen gibt es aber zumindest bei den Orthopäden offensichtlich keine Gewinner, sodass es mit dem Spalten nicht so gut klappt). Aber nun holen wir die alte Geschichte mit
Ossis und Wessis wieder hervor. Das ist billig und hilft derzeit gar nicht.
Kurz zu den Fakten: Wir haben in Sachsen unsere Bescheide am 30.
Dezember 2008 im Briefkasten ge- habt. Nach der ersten kompletten Paralyse war ein Großteil der Kolle- gen am 5. Januar 2009, acht Uhr, bei der KV, um ein erstes klärendes Ge- spräch zu erhalten. Am 9. Januar 2009 haben wir nahezu vollständig (nur vier Orthopäden fehlten) als Leipziger Orthopäden, initiiert vom BVO, mit dem Hauptgeschäftsführer der KV, Dr. Kaminsky, zusammenge- sessen und versucht, eine Lösung be- ziehungsweise Klärung zu finden . . . Fakt ist: Wir bekommen für die glei- che Arbeit plötzlich erheblich weni- ger Geld. Die ambulante Facharzt- versorgung soll abgebaut werden.
Und wenn jetzt keine generelle Än- derung der angedachten Reformen für alle Kollegen kommt: Haus- oder Facharzt in Ost oder West, werden