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Archiv "Honorarreform 2009: „Wo ist bloß das Geld geblieben?“" (23.01.2009)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 4⏐⏐23. Januar 2009 A111

P O L I T I K

HONORARREFORM 2009

„Wo ist bloß das Geld geblieben?“

Statt sich über drei Milliarden Euro zu freuen, herrscht bei niedergelassenen Ärzten Frust.

Manche rechnen mit einem erheblichen Umsatzrückgang. Eine Konvergenzphase

soll möglichen Schaden begrenzen.

N

iedergelassene Ärztinnen und Ärzte, die Fachfremden ihre Bezahlung erklären wollten, hatten es bislang nicht leicht. Punk- te, Fachgruppentöpfe, Abstaffelung – solche Begriffe erzeugten regel- mäßig fragende Mienen. Nun ist zum 1. Januar eine neue Gebühren- ordnung in Kraft getreten, die viele Ärzte selbst ratlos macht. Denn obwohl rund drei Milliarden Euro mehr für die ambulante Versorgung zur Verfügung stehen, befürchten zahlreiche Niedergelassene erhebli- che Verluste.

„Ich bekomme in diesem Jahr nicht mehr, sondern etwa 35 Pro- zent weniger“, hat ein Münchener Psychiater unlängst der „Süddeut- schen Zeitung“ geschildert. „Wo ist bloß das Geld geblieben?“ Ein Aa- chener Orthopäde war im Gespräch mit dem „Rheinischen Merkur“

ebenfalls fassungslos: „Wir hatten mit einem leichten Einkommens- plus für 2009 gerechnet. Nun neh- men alle mir bekannten Kollegen voraussichtlich zwischen 10 000 und 30 000 Euro pro Quartal weni- ger ein, und niemand kann uns sa- gen, wo dieses Geld geblieben ist.“

Ähnlich kritisch lesen sich viele Briefe, die das Deutsche Ärzteblatt

aktuell bekommt (siehe Kasten

„Zornige Basis“).

Dabei sollte die Honorarreform 2009, um die hart verhandelt wurde, eine Chance bedeuten für die nie- dergelassenen Ärzte und Psycholo- gischen Psychotherapeuten – eine Chance auf ein gerechteres Honorar, eine Gebührenordnung in Euro und Cent und das Ende der bisherigen starren Budgets. Sie markiere den Eintritt in ein neues Honorarzeital- ter, hatte die Kassenärztliche Bun- desvereinigung (KBV) geurteilt, nachdem die Verhandlungen mit den Krankenkassen im Spätsommer beendet waren. Bekanntlich ge- schah das nur stellenweise im Ein- vernehmen; eine wichtige Rolle spielte – als Zünglein an der Waage – der unparteiische Vorsitzende im Erweiterten Bewertungsausschuss, Prof. Dr. Jürgen Wasem.

Dennoch: Als „vollen Erfolg“

bezeichnete damals der Vorstands- vorsitzende der KBV, Dr. med. An- dreas Köhler, den Kompromiss.

Zumal er mit einem „historischen Honorarzuwachs“ von rund drei Milliarden Euro einherging, „der die Risiken für die Vertragsärzte und -psychotherapeuten entscheidend minimiert“.

Der Optimismus ist drei Wochen nach Inkrafttreten der Honorarre- form Fassungslosigkeit, Ernüchte- rung und Wut gewichen. Spätestens als die Kassenärztlichen Vereini- gungen (KVen) kurz vor Weihnach- ten den Ärzten ihre Regelleistungs- volumina (RLV) mitteilten, verpuff- ten manche Honorarhoffnungen.

Denn statt eines Zuwachses sehen inzwischen in manchen Regionen zahlreiche Ärzte einen erheblichen Umsatzrückgang auf ihre Praxis zukommen.

Tod der wohnortnahen fachärztlichen Versorgung In der Region Nordrhein beispiels- weise ist der neue Fallwert der Or- thopäden, verglichen mit dem des zweiten Quartals 2008, von 52 Euro auf 30 Euro gesunken. Als „absurd niedrig“ kritisieren auch die dorti- gen Urologen ihre Zuweisung von circa 26 Euro pro Patient und Quartal im Rahmen des RLV. Damit bereite die Politik still den Tod der wohn- ortnahen fachärztlichen Versorgung vor, heißt es. Zu den Verlierern der Reform zählt die KV Nordrhein auch Neurologen, Hals-Nasen-Ohren- Ärzte und konservativ tätige Au-

genärzte. 1

Fotos:

Fotolia

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A112 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 4⏐⏐23. Januar 2009

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In Bayern haben Nervenärzte, Psychiater, Neurologen und Frau- enärzte angekündigt, wegen massi- ver Honorareinbußen gesetzlich versicherte Patienten nur noch ein- geschränkt oder gegen Vorkasse zu behandeln. In Baden-Württemberg befürchten HNO-Ärzte Honorarein- bußen von bis zu 32 Prozent. Mit bis zu 20 Prozent weniger Geld rechnen die ambulanten Operateure in Hes- sen. Die Liste ließe sich beliebig verlängern.

Wenig Kritik kommt bislang aus den neuen Bundesländern. Die Ärzte und Psychotherapeuten dort gelten als Gewinner der Honorarreform, auch wenn das so pauschal nicht stimmt. „Es wird Praxen geben, bei denen die Umsätze sinken werden.

Wir hoffen aber, diese weitgehend abfedern zu können“, erläutert der Vorstandsvorsitzende der KV Sach- sen-Anhalt, Dr. med. Burkhard John.

Er verweist auf einen Tatbestand, der

seiner KV die Abfederung erleich- tern wird: In Sachsen-Anhalt habe es in der Vergangenheit keine Fach- gruppentöpfe gegeben wie anderswo und damit auch keine Honoraran- sprüche bestimmter Gruppen. Daher fielen nun auch die Verschiebungen nicht besonders groß aus.

Manchmal beruht der Ärger auf einem Missverständnis Trotzdem sind auch in seinem Bun- desland Ärzte verärgert und legen Widerspruch gegen den Bescheid ein, mit dem das Regelleistungsvolu- men für ihre Praxis beziffert wird.

Manchmal beruhe der Ärger nur auf einem Missverständnis, sagt John:

dem, dass Regelleistungsvolumen und GKV-Umsatz ein und dasselbe wären. „Vor der Berechnung der RLV muss das Geld aus der Gesamt- vergütung abgezogen werden, das für die Vergütung von Leistungen außerhalb der RLV zur Verfügung

steht, zum Beispiel für den Not- dienst, Sonografie, Psychosomatik.

Dieses Geld wird fälschlicherweise als Rückstellung bezeichnet. Richtig muss es Vorwegabzug genannt wer- den. Gibt es zum Beispiel in einem KV-Bereich viele Ärzte in der hausärztlichen Versorgung, die So- nografie abrechnen können, so wird der Vorwegabzug dafür höher sein als in einem anderen KV-Bereich, in dem nur sehr wenige Hausärzte Sonografie abrechnen.“ Das heißt:

Die KV behält das Geld zunächst ein, überweist es dem Arzt aber später, wenn die entsprechenden Leistungen abgerechnet wurden.

Dass es aber nicht nur Missver- ständnisse und Umstellungsproble- me gibt, sondern tatsächlich Verlie- rer bei der Honorarreform, bestrei- ten inzwischen nicht einmal mehr die Krankenkassen. Sie haben sich deshalb am 15. Januar im Erweiter- ten Bewertungsausschuss mit der KBV darauf verständigt, den KVen mehr Freiheiten bei der neuen Ho- norarverteilung zuzugestehen.

Eine vom 1. April 2009 an begin- nende sogenannte Konvergenzphase sieht vor, dass in den nächsten sieben Quartalen die Honorarveränderun- gen bei den größten Gewinnern be- grenzt und bei den größten Verlierern gebremst werden. KVen, welche Be- scheide über die neuen Regelleis- tungsvolumen nur unter Vorbehalt an die Ärzte verschickt haben, dürfen nach Angaben der KBV schon rück- wirkend zum 1. Januar 2009 mit der Konvergenzphase beginnen.

„Jede Neuordnung bringt Um- stellungsprobleme für die Betroffe- nen mit sich. Wir wollen den Ärzten mit einer Konvergenzphase helfen, ihre internen Umstellungsprobleme bei der Verteilung der höheren Honorare besser zu meistern“, be- gründete Dr. Johann-Magnus von Stackelberg, stellvertretender Vor- standsvorsitzender des GKV-Spit- zenverbandes, den Beschluss. Eine Erhöhung des Gesamthonorars be- zeichnete er allerdings als ausge- schlossen: „Noch mehr Geld aus den Portemonnaies der Beitragszah- ler kann es nicht geben.“ Auch eine Neuverteilung des Geldes zwischen den verschiedenen KVen sei nicht vorgesehen.

ZORNIGE BASIS: VERLÄSSLICHES MINUS

Zahlreiche Leserinnen und Leser haben in Briefen an das Deutsche Ärzteblatt zur Honorarreform Stellung genommen. „Gewinner“ sind nicht darunter. Die Leser- briefschreiber erläutern, welche Einbußen sie befürchten und warum sie sauer sind – im Folgenden einige Ausschnitte:

c„Der Vorstand der KV Nordrhein hat diese Reform völlig zutreffend als den Ver- such klassifiziert, altbekannte Budgetierungsmechanismen neu zu verpacken.

Für Augenärzte ist das Regelleistungsvolumen derart niedrig angesetzt, dass über den Ordinationskomplex hinaus praktisch keine Leistungen erbracht werden können.“

c„Ich bin als Nervenarzt niedergelassen, bekomme ab Januar 2009 rund 7 000 Euro weniger im Quartal, mein Kollege sogar 12 000 Euro. Ich habe übrigens wie alle meine Kollegen keine Ahnung, was ich im II., III. und IV. Quartal 2009 verdienen werde.“

c„In meiner nuklearmedizinischen Praxis gibt es keine einzige szinti- grafische Untersuchung, deren Preis in Euro inklusive der Konsiliar- pauschale unterhalb des vorläufigen bayerischen Fachgruppenfallwerts liegt.“

c„Als HNO-Arzt kann ich nur für meine Fachgruppe sprechen: In dieser haben mehr als 24,5 Prozent der Praxen Umsatzkürzungen von 15 Pro- zent und mehr zu verzeichnen! Es hat eine brutale Umverteilung statt- gefunden. Belohnt wurden die Praxen, in denen eine 5-Minuten-Medizin praktiziert worden ist.“

c„Entgelte in den verschiedenen Facharztbereichen von 17 bis 30 Euro pro Patient in einem Quartal können nicht mehr zu einer medizinisch sinnvollen Therapie führen. Im Fachbereich Orthopädie werden fünf Euro für Röntgenleis- tungen des gesamten Quartals vorgesehen. Wie soll das funktionieren?“

c„Für mich als Kinder- und Jugendarzt ergibt diese Reform ein verlässlich ge- schätztes Minus von etwa 18 Prozent für das Gesamthonorar, das damit auf ein Niveau von vor 1995 zurückfiele. Wo in unserer Gesellschaft gibt es sonst eine Chipkarte/Kreditkarte, auf die man weitgehend freien Zugang zu Leistun- gen erhält, ohne sie adäquat mit Gegenleistung wieder aufzuladen?“ Rie

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Was die Konvergenzphase brin- gen wird, kann noch keiner sagen.

KV-Vorstand John ist für Sachsen- Anhalt optimisch: „Ich gehe davon aus, dass wir unter Nutzung dieses Beschlusses die Mehrzahl der Pro- bleme lösen können.“

„Die beschlossenen Regelungen zugunsten der regionalen Kompeten- zen waren dringend notwendig“, be- grüßte Dr. med. Ulrich Thamer, Vor- standsvorsitzender der KV Westfa- len-Lippe, die Entscheidung. Die ur- sprünglichen Vorgaben der Honorar- reform hätten die bisher praktizierte Honorarverteilung erheblich verän- dert und viele Praxen in existenzielle Nöte gebracht. Die zuzuweisenden Regelleistungsvolumina seien viel- fach zu gering, die individuellen Ver- sorgungsschwerpunkte vieler Praxen dadurch eingeebnet.

Die KBV wiederum sieht durch die Konvergenz-Entscheidung den Kern der Honorarreform, die glei- ches Geld für gleiche Leistung ga- rantieren sollte, nicht infrage ge- stellt. Es sei nun mehr Spielraum auf Landesebene vorhanden, heißt es.

Anpassungen seien in Abstimmung mit den Krankenkassen möglich.

Wird dies zu mehr Gerechtigkeit oder im Gegenteil zu neuem Ärger führen? Schon jetzt kommen die al- ten Feindbilder wieder auf. So kriti- sierte Dr. med. Axel Schroeder, Landesvorsitzender der Gemein- schaft Fachärztlicher Berufsverbän- de, die KV Schleswig-Holstein in einem offenen Brief: „Geförderte Leistungen im extrabudgetären Be- reich wie Prävention oder ambulan- tes Operieren gibt es ab dem ersten Quartal 2009 nicht mehr. Gleichzei- tig erleben wir, wie unsere hausärzt- lichen Kollegen von dieser KV um- sorgt und gepflegt werden (Heimbe- suche extrabudgetär). Können Sie, aber nicht zu unseren Lasten.“

Auch der Ansatz „gleiches Geld für gleiche Leistung“ wird kritisiert.

„Das Grundübel der Reform ist die Gleichmacherei über alle Regionen und alle Fachgruppen hinweg“, sagt eine Sprecherin der KV Nordrhein.

„Einen Doktor Durchschnitt gibt es eben nicht.“

Dass in Nordrhein Handlungsbe- darf besteht, ist offenkundig. Nach ersten vorläufigen Hochrechnungen

der KV müssen dort im Vergleich zum ersten Quartal 2008 insgesamt 61,6 Prozent der Fachärzte und 48,5 Prozent der Hausärzte Honorarein- bußen hinnehmen.

„Wir haben das Desaster kommen sehen“

„Wir haben das Desaster im Okto- ber schon kommen sehen und haben es auch laut und vernehmlich pro- phezeit“, heißt es aus Düsseldorf.

„Aber der Beschluss des Erweiter- ten Bewertungsausschusses blieb, wie er war.“ Damals hatten vor al- lem die KVen Nordrhein und Schleswig-Holstein davor gewarnt, dass die Honorarsteigerungen in ihren Bezirken nicht ausreichen würden, um Verwerfungen inner- halb und zwischen den Arztgruppen auszugleichen. Mit Steigerungsra- ten gegenüber 2007 von 6,5 und 6,3 Prozent sind Nordrhein und Schles- wig-Holstein gemeinsam mit Bay-

ern (+6,3 Prozent) und Baden- Württemberg (+2,5 Prozent) be- kanntlich die Schlusslichter bei den durchschnittlichen Honorarsteige- rungen.

Auch in Bayern wird deshalb die Entscheidung, eine Konvergenz- phase anzusetzen, zurückhaltend kommentiert. Es sei „ein erster Schritt in die richtige Richtung“, sagt der Vorstandsvorsitzende der KV Bayerns, Dr. med. Axel Munte.

Allerdings werde die Kappung der Zuwächse bei denen, die von der Reform profitierten, nicht ausrei- chen, um alle Verwerfungen zu ver- hindern.

Ähnlich wie andere KVen konn- ten die Bayern zunächst noch keine Details zu Gewinnern und Verlierern der Honorarreform nennen. „Es ist zum jetzigen Zeitpunkt unmöglich, genau zu berechnen, wie viel Hono- rar jede einzelne Fachgruppe oder sogar jede einzelne Praxis ab 2009

DIE REFORM: DAS WAR GEPLANT

Knapp drei Milliarden Euro mehr Honorarvolumen und damit ein Zuwachs von rund zehn Prozent, feste Preise in Euro und Cent, annähernd gleiches Geld für gleiche Leistung in allen Bundesländern – das al- les wurde für 2009 verhandelt. „Welcher Arzt gewinnt oder verliert, wissen wir noch nicht“, hatte der KBV-Vorstandsvorsitzende, Dr. med. Andreas Köhler, im Interview mit dem Deutschen Ärzteblatt einge- schränkt. Aber er und sein Vorstandskollege, Dr. med. Carl-Heinz Müller, waren sich sicher: „Die Risiken sind durch den Honorarzuwachs für die Gesamtheit der KV-Mitglieder deutlich reduziert.“

Ob es wirklich anders kommen wird, lässt sich derzeit nur schwer sa- gen. Es gibt eine Menge Ärger und Aufregung, aber noch keine validen Zahlen. Zwar weisen etliche Ärztinnen und Ärzte auf erhebliche Hono- rareinbußen hin. Doch in einigen Fällen scheint es Missverständnisse zu geben.

c„Die Regelleistungsvolumen sind nicht mit dem Umsatz des Vorjahresquartals gleichzusetzen“, hat Dr. med. Michael Späth, Vorsitzender der KV-Vertreterver- sammlung Hamburg, in einem Interview klargestellt. Nach seiner Ansicht haben aber nur wenige Ärzte ihren Umsatz mit externen Leistungen und qualifikationsge- bundenen Zuschlägen ausgerechnet.

cDie KV Sachsen-Anhalt weist darauf hin, dass sich das Gesamthonorar einer Praxis künftig aus fünf Komponenten zusammensetzt: der Vergütung aus dem Regelleis- tungsvolumen, aus dem Zusatzvolumen (Hausärzte: zum Beispiel Sonografie, Fachärzte: diagnostische Radiologie), aus dem abgestaffelten Bereich, aus Leistungen außerhalb des Regelleistungsvolumens (zum Beispiel: Prävention), aus Kostenerstat- tungen (zum Beispiel: Wegegelder, Sachkosten).

cDie KBV schätzt nach einem Bericht des KV-Blatts Berlin, dass die

Regelleistungsvolumen nur 40 bis 70 Prozent des Gesamthonorars ausmachen.

Doch das erklärt nicht alle derzeit befürchteten Honorarverluste. Unbestritten ist, dass die neue Gebührenordnung massiv Geld umverteilt. Eine stärkere Angleichung von Leistungsmenge und Honoraren bewirkt nicht nur Gewinne, sondern auch Verluste in den Praxen. Durch den konsequenten Bezug auf Fallzahlen des Vorjahres werden Steuerungsmechanismen wie zum Beispiel Abfederungen bei Fallzahlrückgängen

ausgehebelt. Rie

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erhalten wird“, heißt es dort. Allge- mein lasse sich aber sagen, dass die neue Honorarordnung wegen der Abstaffelung der Fallzahlen die großen Landarztpraxen, aber auch die hoch spezialisierten niedergelas- senen Fachärzte hart treffen werde.

Genaueres wisse man erst nach der Abrechnung des ersten Quartals 2009.

Gleichwohl steht in Bayern im ersten Quartal 2009 rund eine Milli- arde Euro für die morbiditätsorien- tierte Gesamtvergütung zur Verfü- gung. Das sind nach Angaben der dortigen AOK 280 Millionen Euro mehr als im Jahr 2007. In Bayern kann man auch besichtigen, wie manche die ersten Hiobsbotschaften und das Durcheinander, das bisher jede größere Honorarreform beglei- tet hat, nutzen, um ihre langfristigen Interessen ins Spiel zu bringen.

Ein Beispiel dafür sind die bayerischen Frauenärzte. Ganze 16 Euro brutto habe die KV Bayerns seiner Berufsgruppe im Rahmen der Regelleistungsvolumen zur Verfü- gung gestellt, wetterte der Landes- vorsitzende, Dr. med. Peter Hausser.

Die Gynäkologen in Bayern drohen deshalb wie einige andere Facharzt- gruppen auch, kurative Leistungen nur noch im Rahmen der Kostener- stattung zu erbringen.

Der Ärger über derart niedrige Regelleistungsvolumina ist nur zu verständlich. Bloß: Wer 16 Euro an- führt, sagt nicht die ganze Wahrheit.

Vorsorgeleistungen beispielsweise werden außerhalb der RLV hono- riert. Die bayerischen Gynäkologen haben zudem in Interviews an- gekündigt, die Krebsvorsorge wie die Schwangerenbetreuung nicht einzuschränken. Kein Wunder: In diesen Bereichen werden in den letzten Jahren in erheblichem Um- fang privat zu bezahlende Leistun- gen wie beispielsweise Ultraschall erbracht.

Als Verlierer der Reform sehen sich nach wie vor auch die Ärzte in Baden-Württemberg. Um das Schlimmste zu verhindern, will die dortige KV die neuen Spielräume nutzen und allen Arztpraxen eine Verlustbegrenzung garantieren.

„Keine Praxis in Baden-Württem- berg wird im Jahr 2009 mehr als fünf Prozent Honorarverlust hin-

Für die Ost-KVen, die Honorar- zuwächse zwischen 13,8 Prozent in Brandenburg und 21,6 Prozent in Thüringen verzeichnen, stellt sich die Situation positiver dar.

Dennoch gibt man sich auch dort verhalten. „Die Frage nach Gewin- nern und Verlierern der Honorar- reform ist zum heutigen Zeitpunkt noch nicht zu beantworten“, heißt es aus der KV Thüringen, der KV mit dem größten Plus. Man müsse die Abrechnungen des ersten Quar- tals abwarten.

Die KV Sachsen schätzt eben- falls, dass es Verlierer geben wird, und zwar vor allem in folgenden Fachgruppen: Kinder- und Jugend- mediziner, Hautärzte, Neurologen, Nuklearmediziner, Radiologen, Or- thopäden und Phoniater/Pädaudio- logen. Es komme aber auf den Ein- zelfall an, heißt es.

So hat der Vorstandsvorsitzende, Dr. med. Klaus Heckemann, un- längst in einem Interview erklärt:

„Es profitieren manche Facharzt- gruppen wie etwa die Kardiologen, die seit Jahren einen großen Teil ih- rer Patienten so gut wie unentgelt- lich behandelt haben und nun end- lich bezahlt werden.“ Verlierer seien vor allem Orthopäden und Radiolo- gen, die aufwendige Geräte abbe- zahlen müssten.

Relativ wenige Beschwerden musste bislang auch die KV Bran- denburg verkraften. Sie kennt den Grund für mögliche Verluste in ihrer Region: die sehr exakte Orientie- rung der neuen Gebührenordnung an den Fallzahlen des Vorjahres.

Die bisherige Honorarverteilung in Brandenburg beruhte, wie auch an- derenorts, auf einem Volumenmo- dell; Honorarverluste, zum Beispiel durch einen Fallzahlrückgang, wur- den so kompensiert. Das ist nun nicht mehr möglich.

Gewinner oder Verlierer? Genau- es wird man erst nach der Abrech- nung des ersten Quartals 2009 wis- sen. Manche sogenannten Gewinner stören sich ohnehin an dieser Be- zeichnung. Er fühle sich nicht als Sieger, sondern als Arzt, der endlich angemessener bezahlt werde, hat einer neulich gegenüber seiner KV

betont. n

Heike Korzilius, Sabine Rieser nehmen müssen. Im Gegenzug wer-

den allerdings auch die Gewinne be- grenzt werden müssen“, sagt der Vorstandsvorsitzende der KV, Dr.

med. Achim Hoffmann-Goldmeyer.

Die Krankenkassen müssen den Be- schluss aber mittragen.

Doch auch in Baden- Württemberg fehlt noch der Überblick über die Lage. „Wir sind zurzeit fie-

berhaft dabei, Gewinner und Ver- lierer der Honorarreform zu er- mitteln“, so Hoffmann-Goldmeyer.

„Bisher scheint es nur Verlierer zu geben“, stellt er ernüchtert fest.

Das Problem ist der Vergleich mit dem Jahr 2007

Eines der Probleme liegt für ihn darin begründet, dass die Ho- norarsteigerung sich auf das Jahr 2007 bezieht. Bestimmte Leistun- gen wie beispielsweise die Aku- punktur seien jetzt Teil der Gesamt- vergütung, damals aber im Rahmen eines Modellversuchs extrabudgetär vergütet worden. „Bei der Aku- punktur sind das 20 Millionen Euro.

Das ist zwar keine Riesensumme, aber das ist nicht das einzige Bei- spiel“, erläutert der KV-Vorstand.

Außerdem sähen die Kranken- kassen kaum noch Spielräume für extrabudgetäre Leistungen. Auch an Sonderverträgen breche einiges weg. Das ist vor allem deswegen bitter, weil in der Vergangenheit in Baden-Wüttemberg fast 25 Prozent der Leistungen extrabudgetär ver- gütet wurden.

Noch mehr Geld aus den

Portemonnaies der Beitragszahler kann es nicht geben.

Johann-Magnus von Stackelberg, GKV-Spitzenverband

Foto: Jürgen Gebhardt

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