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Archiv "124. Hauptversammlung des Marburger Bundes: Stopp dem DRG-System in der jetzigen Form" (01.11.2013)

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A 2054 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 44

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1. November 2013

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ieses Signal wird die neue Bundesregierung kaum igno- rieren können, wenn sie die Kran- kenhausfinanzierung tatsächlich grundlegend reformieren will, wie es führende Gesundheitspolitiker von Union und SPD wiederholt an- gekündigt haben: Die Hauptver- sammlung des Marburger Bundes (MB), oberstes Beschlussorgan der Klinikärztegewerkschaft mit inzwi- schen mehr als 114 000 Mitglie- dern, hat die politisch Verantwort - lichen aufgefordert, das flächen - deckend angewandte DRG-System zur Abrechnung stationärer Leis- tungen durch ein differenziertes, dem Versorgungsbedarf entspre- chendes Abrechnungssystem zu er- setzen. „Stopp dem DRG-System in der jetzigen Form!“, lautet der Titel des entsprechenden Beschlusses, den die knapp 200 Delegierten am 26. Oktober in Berlin mit großer Mehrheit fassten.

„Wir Ärzte werden zunehmend als Produktionsmittel instrumenta- lisiert und können unseren eigent - lichen Auftrag am Patienten nicht mehr angemessen erfüllen“, betonte die Hauptversammlung. Dies führe verstärkt zu ethischen Konflikten in den Kliniken. Die kurative, helfen- de Medizin werde immer weiter

marginalisiert. Ein alternatives Sys- tem dürfe zwar weiterhin die Kal- kulation bestimmter einfach stan- dardisierbarer Leistungen anhand von Fallpauschalen beinhalten, müsse sich aber vordringlich an dem bestehenden, regional durch- aus unterschiedlichen Versorgungs- bedarf und der Versorgungsqualität ausrichten. Nur so könne der im DRG-System immanenten Domi- nanz ökonomischer Fehlanreize entgegengewirkt und damit der Gefahr medizinisch fragwürdiger Mengenausweitungen nachhaltig begegnet werden.

„Dieser Beschluss ist das Stopp- schild für die Politik, dass es so nicht weitergeht“, unterstrich Dr.

med. Hans-Albert Gehle vom MB- Landesverband Nordrhein-Westfa- len/Rheinland-Pfalz und Mitglied

des MB-Bundesvorstandes. Die Si- tuation in den Kliniken werde all- mählich unerträglich. „Wäre das DRG-System ein Medikament, müsste man es sofort vom Markt nehmen, weil zu viele Nebenwir- kungen auftreten“, ergänzte Dr.

med. Günter Jonitz, Präsident der Ärztekammer Berlin.

„Wir Ärzte wollen eine Medizin, die das tut, was am meisten hilft, und nicht das, was am meisten bringt“, hatte der MB-Bundesvor- sitzende Rudolf Henke bereits tags zuvor im öffentlichen Teil der Hauptversammlung betont, der sich ausschließlich dem Thema Kran- kenhausfinanzierung widmete. Vor - aussetzung dafür sei aber eine aus- kömmliche Finanzierung der Klini- ken: „Im jetzigen DRG-System ist es so, dass jede Vorhaltung von Leistungen durch das Erbringen von Leistungen finanziert werden muss.“ Daraus ergebe sich dann letztlich der Vorwurf, in den Kran- kenhäusern würde zu viel operiert.

Der MB-Vorsitzende plädierte da- für, bedarfsnotwendigen Kranken- häusern Versorgungszuschläge zu zahlen, um Druck aus dem System zu nehmen. Der gesetzlich bereits fixierte Sicherstellungszuschlag finde in der Praxis wegen seiner 124. HAUPTVERSAMMLUNG DES MARBURGER BUNDES

Stopp dem DRG-System in der jetzigen Form

Die Ärztegewerkschaft fordert grundlegende Korrekturen am Abrechnungssystem für Kranken - hausleistungen. Rudolf Henke bleibt Vorsitzender des Bundesverbandes.

Weiter an der Spitze des MB:

Mit 177 von 194 gültigen Stimmen bestätigten die Delegierten Rudolf Henke als 1. Vorsit- zenden des Bun- desverbandes.

Fotos: Georg J. Lopata

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1. November 2013 A 2055 restriktiven Ausgestaltung kaum

Anwendung. Das aktuelle DRG- System als 100-prozentiges Preis- system in Verbindung mit der strik- ten Deckelung der Preise führe zu einer „Erosion ethischer Grundsät- ze“ in den Kliniken, warnte Henke.

Problematisch sei insbesondere auch der Rückzug der Bundesländer aus der Investitionsfinanzierung:

„Die Mitarbeiter in den Kranken- häusern leiden jeden Tag darunter, dass die Investitionsmittel nicht aus- reichen“, so der Vorsitzende der Ärz- tegewerkschaft. Um notwendige In- vestitionen zu tätigen, seien die Krankenhäuser gezwungen, Be- triebsmittel zu verwenden, die ei- gentlich den Klinikbeschäftigten zu- gute kommen sollten. Vor diesem Hintergrund plädierte Henke für eine von Bund und Ländern gemeinsam getragene „nationale Kraftanstren- gung“ zur ausreichenden Finanzie- rung der Investitionskosten in den Krankenhäusern: „Krankenhauspla- nung und Krankenhausfinanzierung müssen in staatlicher Verantwortung bleiben.“ Eine Finanzierungsbeteili- gung der Kassen an den Investitio- nen sei abzulehnen, weil dies immer mit einer Beteiligung der Kostenträ- ger an der Planungsverantwortung verbunden sei.

Die Finanzierungsverantwortung von der Planungsverantwortung zu entkoppeln werde nicht funktionie- ren, meinte auch Uwe Deh vom AOK-Bundesverband. Derzeit steue- re das System auf eine schleichende Monistik zu, also eine Finanzierung der Kliniken nur noch durch die Krankenkassen – „und durch die Schuldenbremse für die Bundeslän- der ab 2020 wird deren Finanzie- rungsbereitschaft sicher nicht grö- ßer“. Wenn der Trend sich fortsetze und die Kassen die Krankenhäuser irgendwann nahezu allein finanzier- ten, müsse daraus auch eine Kom- petenzerweiterung resultieren. Deh forderte unter anderem, für planba- re Leistungen Spielraum für einen Qualitätswettbewerb unter den Krankenhäusern zu schaffen. Im Klartext dürfte das heißen, dass die Kassen für solche elektiven Leis- tungen selektiv Verträge mit einzel- nen Krankenhäusern abschließen könnten.

Dr. med. Elke Buckisch-Urbanke war das alles zu theoretisch: „Meine Geduld ist am Ende. Während wir hier diskutieren, werden die Be- schäftigten in den Krankenhäusern weiter in Geiselhaft genommen“, sprach die Vorsitzende des MB-Lan- desverbandes Niedersachsen vielen Delegierten aus der Seele. Wegen der Unterfinanzierung der Kranken- häuser – Niedersachsen als Flächen- land mit einem relativ niedrigem Landesbasisfallwert ist hier beson- ders betroffen –, müssten die Ärzte und Pflegekräfte Notlagentarifver- träge oder andere Sonderopfer ak- zeptieren. „Wenn ihr nicht zustimmt, geht das Krankenhaus insolvent, heißt es dann“, berichtete Buckisch-

Urbanke. Inzwischen sei die Sub- stanz in vielen Krankenhäusern ge- fährdet, ein Umsteuern überfällig.

Wie ein solches Umsteuern aus Sicht des MB aussehen sollte, zeigt ein Beschluss auf, den die Haupt- versammlung auf Antrag des Vor- stands nach intensiver Diskussion und zahlreichen Änderungen (vor allem initiiert durch Dr. med. Chris- tian Köhne, Nordrhein-Westfalen/

Rheinland-Pfalz), einstimmig ver- abschiedete. Durch das DRG-Sys- tem gesetzte Fehlanreize müssten sofort korrigiert werden, heißt es darin: „Zumindest dort, wo eine Fi- nanzierung mit Pauschalen an ihre Grenzen stößt, muss das System sinnvoll verändert werden.“ Dies betreffe Leistungen, die mit DRG- Pauschalen nicht sachgerecht ver- gütet werden können, wie zum Bei- spiel Extremkostenfälle, Leistun- gen der Organtransplantation und

umfangreiche intensivmedizinische Leistungen, Ausgaben im Rahmen der Weiterbildung sowie zur Sicher- stellung des Versorgungsauftrages von Plankrankenhäusern und die darüber hinausgehenden besonde- ren Aufgaben der Universitätsklini- ka sowie der Maximalversorger.

Diese seien aus der Kalkulationsba- sis der DRGs herauszunehmen und über krankenhausindividuelle Zu- schläge auszugleichen.

Ungeduldig ist man beim MB, was die Umsetzung des beim 116.

Deutschen Ärztetag in Hannover mühsam gefundenen Kompromis- ses zur Weiterbildung in der ambu- lanten Versorgung angeht. Den Weiterzubildenden in einer ambu- lanten Weiterbildungsstätte müsse garantiert werden, dass sie mindes- tens die gleichen tariflichen Kondi- tionen wie an einer stationären Wei- terbildungsstätte vorfinden, hatte das Ärzteparlament im Mai be- schlossen. Ein Vertrag mit dem MB solle dies sicherstellen. Für die ar- beitgeberseitige Vertragspartner- schaft werde zwischen Kassenärzt- licher Bundesvereinigung (KBV) und den betroffenen ärztlichen Be- rufsverbänden ein funktionsfähiges

Organisationsmodell entwickelt.

Dies ist bislang nicht erfolgt. Des- halb fordert die MB-Hauptver- sammlung die KBV nun auf, „mög- lichst bald das beschlossene Orga- nisationsmodell vorzulegen, damit eine entsprechende Tarifgestaltung für die Vergütung der Weiterzubil- denden an ambulanten Weiterbil- dungsstätten mit dem MB verhan- delt werden kann“.

Keine Diskussion gab es bei der Wiederwahl des Vorsitzenden: Mit 177 der 194 gültigen Stimmen be- stätigten die Delegierten Rudolf Henke, Internist, Präsident der Ärz- tekammer Nordrhein und CDU- Bundestagsabgeordneter, in seinem Amt. Zweiter Vorsitzender bleibt Dr. med. Andreas Botzlar, Bayern.

Auch die weiteren Mitglieder des Bundesvorstandes wurden wieder-

gewählt.

Jens Flintrop

Die Beschäftigten in den Krankenhäusern werden derzeit in Geiselhaft genommen.

Elke Buckisch-Urbanke, Niedersachsen

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