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Archiv "Kassenvorschläge zielen auf grundlegende Neuordnung der ambulanten Versorgung" (19.03.1993)

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Foto: Darchinger

Wilhelm Heitzer, Vor- standsvorsit- zender des AOK-Landes- verbandes Bayern

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

KURZBERICHTE

Kassenvorschläge zielen auf grundlegende Neuordnung der ambulanten Versorgung

„Nein, das gerade nicht!" Über- rascht und fast ein wenig erschrok- ken wehrten Wilhelm Heitzer und Hans Sitzmann mit diesem Ausruf die Frage ab, ob und wie neu zuge- lassene Ärzte den ihnen zugedach- ten „Notfalldienst rund um die Uhr"

sicherstellen könnten, solange sie noch keine eigene Praxis haben. Die neuerdachte Aufgabe solle, so erläu- terten der Vorstandsvorsitzende des Landesverbandes Bayern der Allge- meinen Ortskrankenkassen und sein Geschäftsführer, von Ärzten eben nicht in eigenen Praxen, sondern in Krankenhaus-Notfallpraxen wahrge- nommen werden. Diese Arzte bräuchten sich dann nicht verfrüht oder zur Unzeit in das Abenteuer der Praxisgründung zu stürzen, son- dern könnten gleichsam dem Kran- kenhaus „zurückgewonnen" werden, um dort unter vertrauten Bedingun- gen, aber im Status eines Vertrags- arztes weiterzuarbeiten.

Notfallpraxen im Krankenhaus

Eine solche Idee verdient durch- aus, als sensationell eingestuft zu werden. Denn erstens hatte die Bayerische Krankenhausgesellschaft schon ihre Bereitschaft bekundet,

„Krankenhaus-Notfallpraxen" im Modell zu erproben. Zweitens sind die bayerischen Krankenkassen be- reit, pro anno 40 Millionen DM, die sie bislang an Krankenhäuser aus- schütten, auf Notfall-Vertragsärzte umzuleiten. Und drittens ließe sich der Notfalldienst, der aus bekannten Gründen zu wünschen übrig läßt, im Interesse aller Beteiligten auf einen Stand bringen, der sowohl für Effek- tivität als auch für Effizienz einste- hen kann.

Sitzmann, „Erfinder" der Not- fallpraxis-Idee, sieht darin nur ein, Teilstück eines weitläufig konzipier- ten Planes, die gesamte kassenärztli- che Versorgung im Verlauf der

nächsten zwei Jahre grundlegend umzuordnen. Ähnlich umstrukturie- rende Wirkungen mißt er beispiels- weise dem Vorschlag bei, die Kas- senärzte sollten sich „verfügbare weitere 100 Millionen DM von den Kassen holen", indem sie ihre Pa-

11. Hersbrucker Gespräche der AOK Bayern

tienten zur diagnostischen Abklä- rung nicht ins Krankenhaus, sondern zum niedergelassenen Facharzt überweisen.

Bezüglich der horrenden, vom GSG ausgelösten Zulassungslawine

— 3908 Anträge allein in Bayern! — vi- sierte das Gastgeber-Gespann Heit- zer-Sitzmann zwar übereinstimmend an, möglichst bald zu einer nicht all- zu schmerzhaften Konsolidierung zu kommen. Hinsichtlich der Wege und Methoden ließen sie aber dennoch Abweichungen erkennen.

Sollte, so erklärte Heitzer mit konzilianter Härte, das Wort von der Beitragsstabilität auch noch nach der jetzigen Deckelungsphase gültig blei- ben, dann werde es so lange einen Deckel geben, wie das Mehrangebot

die Nachfrage überwiegt. Der Effekt werde sein, daß die Medizin-Berufe von der Einkommensseite her immer unattraktiver würden. Möglicherwei- se sei aber gerade dies das beste Re- gulativ, weshalb man es auch „noch mehr schärfen sollte".

Was Sonderwünsche zulassungs- williger junger Ärzte angeht — bei- spielsweise im Hinblick auf ihre künf- tigen Standorte und Arbeitsfelder —, hielt es Wilhelm Heitzer mit dem ver- storbenen Programmvordenker des Marburger Bundes, Professor Dr. Ul- rich Kanzow: Aus einer abgeschlosse- nen Ausbildung zum Arzt könne kein Absolvent herleiten, daß ihm nun auch ein Arbeitsplatz gewährleistet werden müsse. Schließlich sei die Ge- setzliche Krankenversicherung keine Einrichtung, die „jedem, der Medizin gelernt hat, lebenslang ein Einkom- men garantieren muß".

Dem vom GSG erteilten Auf- trag, kurzfristig Bedarfsplanung zu betreiben, begegneten die AOK- Sprecher in Hersbruck mit Skepsis.

Heitzer konnte in einer Bedarfspla- nung bis 1999 keinen anderen Sinn sehen, als die regionale Belastung gleichmäßig zu verteilen. Sogar die Titelfrage seines Referates — „Wie- viele und welche Ärzte/Zahnärzte braucht die Krankenversicherung?"

— vermochte er nur pauschal-negativ zu beantworten: Weniger Arzte und Zahnärzte werde es wegen dieser Bedarfsplanung nicht geben.

Mit Professor Dr. Michael Ar- nold wußte er sich darin einig, daß die „Unsicherheit und die Unbe- stimmtheit in der Medizin sowie die Beliebigkeit, mit der Gesundheits- störungen behandelt werden", in Wirklichkeit eine Bedarfsplanung gar nicht zulassen. Einer unbestimm- ten Situation gegenüber könne man keine bestimmte Handlung vorneh- men.

Jungärzte mit „Gehalt"

von der AOK

Hatte Wilhelm Heitzer die „tie- fere Bedeutung" zunächst hinter Scherz, Satire und Ironie verborgen gehalten, so wartete er unversehens in nahezu brutaler Weise mit der zweiten sensationellen Idee der Hersbrucker Gespräche 1993 auf:

Dt. Ärztebl. 90, Heft 11, 19. März 1993 (21) A1-773

(2)

Fachberufe im Gesundheitswesen

Stomatherapie: Hilfestellung für Patienten und Angehörige

Kooperation — dieses Thema wurde auf einer der zurückliegenden Konferenzen der Fachberufe im Gesundheitswesen ausführlich disku- tiert (Heft 10/1991). Wer kooperieren will, muß allerdings wissen, was der andere kann und tut. Doch nicht jede Berufsgruppe ist detailliert über die Arbeit der anderen informiert. Das gilt auch für Ärzte. Deshalb bot die Bundesärztekammer den Konferenzteilnehmern seinerzeit an, die therapeutischen Möglichkeiten ihres Berufsfeldes einmal in Um- rissen im Deutschen Ärzteblatt zu beschreiben. Als erstes machte die Bundesarbeitsgemeinschaft der Heilpädagoginnen und -pädagogen in freier Praxis von diesem Angebot Gebrauch (Heft 16/1991). Im fol- genden schildert nun eine Stomatherapeutin ihre Arbeit.

Bedarfsplanung, die das Nicht-Not- wendige nicht ausschließt, verdiene diese Bezeichnung nicht. Weil das so ist, solle die Krankenversicherung die nächsten drei, vier, wenn es sein muß auch fünf Jahrgänge frisch ap- probierter Ärzte „mit einem ver- nünftigen Gehalt" sofort überneh- men, sie aber nicht zur ärztlichen Behandlung zulassen: „Wir brau- chen dann nur 20 Prozent der Ko- sten zu übernehmen, die uns heute ein niedergelassener Arzt verur- sacht. Denn der Nicht-Tätige kann keine Leistungen veranlassen."

Gegen die Funktionäre von Ärz- ten und Zahnärzten erhoben die AOK-Sprecher vornehmlich zwei massive Vorwürfe: sie hätten die Welle der Zulassungsanträge sinnlos hochgeschaukelt, und die Verschrei- bung auch dringend benötigter, auf Dauer gebrauchter Arzneimittel hät- ten sie zum Schaden der Patienten gedrosselt. In Verweigerungshaltun- gen der Ärzte-Funktionäre sahen die AOK-Sprecher dann auch die Hauptursache dafür, daß ein Teil der Ärzte bei seinen Patienten, aber auch bei den Partnern im Gesund- heitswesen an Glaubwürdigkeit ver- loren habe.

Ab 1994

ohne Arzneimittelbudget

Für die drastischen Umschich- tungen bei der Versorgung mit Arz- neimitteln, die seit Beginn dieses Jahres laufen, fand Sitzmann nur die Vokabel „Katastrophe". In dieser Einschätzung bestärke ihn eine Mit- teilung aus der Pharmazeutischen Industrie, wonach bewährte Arznei- mittel schon jetzt um bis zu 40 Pro- zent Einbußen erlitten haben, wäh- rend Hersteller von Generica, die zuvor kaum jemand gekannt habe, einer wachsenden Auftragsflut ge- genüberstehen.

Allerdings bot Sitzmann auch auf diesem heiklen Gebiet einen Lichtblick an: In Bayern sollen eine neue Richtgrößen-Vereinbarung und eine neue Prüfvereinbarung dafür sorgen, daß man ab 1994 ohne Arznei- mittelbudget auskommen kann. Seine Zusicherung, Ausgrenzungen not- wendiger Medikamente dürften allein aus Rücksicht auf alte, multimorbide

und auf Dauer behandlungsbedürfti- ge Patienten nicht in Betracht kom- men, verband er mit der unmißver- ständlichen Frage: „Kann ein Arzt, der anders denkt und handelt, über- haupt noch Vertragsarzt sein?"

Uber den vorwärtsweisenden Charakter des GSG waren sich alle referierenden und antwortgebenden Repräsentanten der bayerischen AOK in Hersbruck einig. Dr. Rainer Will, stellvertretender Hauptge- schäftsführer der Vereinigung der bayerischen Arbeitgeberverbände und arbeitgeberseits AOK-Vor- standsvorsitzender, würdigte als größ-

E

ine Enterostomatherapeutin ist eine examinierte Kran- kenschwester mit einer Zu- satzausbildung für Enterostomathe- rapie. Ich selbst wurde vor etwa vier Jahren durch einen Aufsatz in einer Krankenpflegezeitschrift auf das Be- rufsbild und die Ausbildung auf- merksam. Damals arbeitete ich in ei- nem Krankenhaus und fühlte mich bei Stomaträgern fachlich und zeit- lich häufig überfordert. Traten Kom- plikationen auf, zum Beispiel para- stomale Hautreaktionen, reagierten wir im Grunde unfachgemäß: Der Patient wurde mit diversen Salben therapiert, das Versorgungsmaterial wurde so ständig undicht, die Liege- zeiten verlängerten sich. Mit besse- ren Materialkenntnissen über Sto- maversorgungsartikel wären diese

te Leistung des Bundesgesundheits- ministers, das Gesetz zwischen Re- gierung und Opposition konsensfä- hig gemacht zu haben. Willi Heitzer schrieb dem GSG nachdrücklich das zukunftsorientierte Kapitel „Risiko- strukturausgleich" gut.

Herbert Schmaus, Stellvertreter und in Kürze Sitzmanns Nachfol- ger als Geschäftsführer, erwartete von den GSG-Rahmenbedingungen kräftige Impulse für Fortführung und Ausbau der AOK-eigenen Maß- nahmen zur Gesundheitsförderung und (nicht-medizinischen) Präven- tion. Kurt Gelsner

Komplikationen rascher zu beheben gewesen. Auch fehlte mir die Sensi- bilität für die vielen Ängste und Fra- gen der Stomaträger, und das fehlen- de Fachwissen verunsicherte mich.

Folge: Stomaträger wurden mit un- nötigen Ängsten und Zweifeln ent- lassen — „gesellschaftsfähig" fühlten sie sich oftmals noch lange nicht.

Ich entschied mich damals also für die Zusatzausbildung. Nach der Teilnahme an einem Lehrgang er- warb ich das entsprechende Diplom.

Da jedoch keine Planstelle in einem Krankenhaus meiner Umgebung ein- gerichtet wurde, beschloß ich, mich selbständig zu machen. Das heißt:

Ich baute mir einen Stomafachhan- del auf; meine Kenntnisse als Stoma- therapeutin fließen in den Service für meine Kunden ein. Abgerechnet A1-774 (22) Dt. Ärztebl. 90, Heft 11, 19. März 1993

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