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Archiv "Selbsthilfe, aber keine „Selbstbeteiligung“: In der Gesundheitspolitik der Union haben die Sozialausschüsse ein Wort mitzureden" (22.10.1982)

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DEUTSCHES • • ZTEBLATT

Ärztliche Mitteilungen

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

Selbsthilfe, aber keine

„Selbstbeteiligung"

In der Gesundheitspolitik der Union

haben die Sozialausschüsse ein Wort mitzureden Die „Sozialausschüsse der

Christlich-Demokratischen Ar- beitnehmerschaft" — kurz CDA — haben ein gesundheitspoliti- sches Programm („Am Men- schen orientiert") vorgelegt. Die CDA, eine der CDU wie der CSU gemeinsame Organisation, ist zwar nicht die Union. Und die gesundheitspolitischen Auffas- sungen der Sozialausschüsse können nicht einfach als die der CDU oder CSU gelten (beide Parteien haben ihre eigenen Ge- sundheitsprogramme, sie wei- chen zum Teil beträchtlich von dem neuen CDA-Programm ab).

Aber ohne Zweifel — die Sozial- ausschüsse haben, auch was die Gesundheitspolitik der neuen Bundesregierung angeht, ihr Ge- wicht, schon allein deshalb, weil CDA-Vorsitzender Dr. Norbert Blüm auch Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung ist und gewichtige gesundheitspoliti- sche Bereiche weiterhin in sei- nem Hause hütet. Das Gesund- heitsprogramm wurde vom Bun- desvorstand der CDA am 25.

September beschlossen; am 8.

Oktober ist es in Bonn der Pres- se vorgestellt worden.

Die Sozialausschüsse hegen eine Vorliebe für den überschaubaren Lebensraum. Mit ihrem neuen gesundheitspolitischen Programm überträgt die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) diese Vorliebe auf die Strukturen des Gesundheitswesens. Das Ergebnis sieht so aus: Die Selbsthilfe — des einzelnen, in Familie und Nachbarschaft — geht allem voran. Wenn ärztliche Versorgung wirk- lich nötig ist, dann rangiert die durch den Allgemeinarzt vor der Behandlung durch den Spezialisten. Grundsätzlich steht ambulante Versorgung vor der stationären; wenn doch ein Krankenhausaufent- halt erforderlich ist, dann im kleineren Haus — möglichst einem freigemeinnützigen und erst in zweiter Linie einem kommunalen — statt im Großklinikum.

Ein irgendwie menschliches Programm also. Das gänzlich neu kon- struierte Gesundheitssystem, aufgebaut nach dem großen Plan, wie es die politische Konkurrenz mit ihrem integrierten Gesundheitswe- sen vorsieht, ist nicht Sache der Sozialausschüsse. Sie mißtrauen der ungezügelten Eigendynamik der großen Einheiten. Das Miß- trauen äußert sich unverkennbar auch in einer Abneigung gegen (marktwirtschaftliche) Verhaltensweisen der großen Industrie. Die Sozialausschüsse halten es zwar mit der Marktwirtschaft, aber, ganz auf der Linie der katholischen Soziallehre, — so ganz trauen sie ihr nicht. Zumindest deren Auswüchse sollen beschnitten werden, heißt es immer wieder bei den Soziallehrern. Angewandt auf die Gesund- heitspolitik fordert die CDA: Die Werbung für Alkoholika und Tabak- waren soll praktisch aus der Öffentlichkeit verschwinden; das über- große Angebot der pharmazeutischen Industrie soll beschränkt, die medizinische Technik gezähmt werden.

Die Sozialausschüsse verfolgen das Ziel einer sozial gerechten und finanzierbaren Gesundheitspolitik. Auf diese kurze Formel brachte es der gesundheitspolitische Sprecher der CDA, Peter Kudella (Bre- men), als er das Programm am 8. Oktober in Bonn vorstellte. Sie paßt gewiß in die politische Landschaft. Der neue Bundesarbeitsminister Norbert Blüm hat sowohl am CDA-Gesundheitsprogramm wie am Koalitionspapier mitgearbeitet, zusammen mit Fritz Pirkl, dem Ver-

Ausgabe B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 42 vom 22. Oktober 1982 19

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Die Information:

Bericht und Meinung

Gesundheitspolitik der Sozialausschüsse

treter der Sozialausschüsse in der bayerischen Staatsregierung. Laut Kudella räumt Blüm der Gesund- heitspolitik hohe Priorität ein. Viel- leicht gibt er auch deshalb seine Ressortzuständigkeit für so wich- tige Teile des Gesundheitswesens wie die Krankenversicherung und das Krankenhaus nicht an seinen Kabinettskollegen Heiner Geißler ab. Kudella jedenfalls hält die noch von den Sozialliberalen ge- troffene Verteilung für richtig, „so- lange Blüm Bundesarbeitsmini- ster ist".

Die Rückkehr zum Versicherungs- prinzip oder die Entlastung der Krankenversicherung von über- flüssigen Leistungen werden so- wohl im Koalitionspapier (hier als

„Bagatell- und Luxusmedizin" be- zeichnet) wie auch im CDA-Ge- sundheitsprogramm propagiert.

Bei der CDA ist die Rede davon, daß geringfügige Risiken oder nicht versicherungsbedürftige Ri- siken nicht unbedingt in die Kran- kenversicherung gehören. Was genau darunter zu verstehen sei — das vermochte man bei der CDA auch auf näheres Befragen hin nicht zu definieren. Es war vom Drachenfliegen die Rede. Oder auch von Gesundheitsschäden, die durch extensiven Alkoholge- nuß oder Rauchen entstehen.

Aber wo man dort die Grenze zie- hen wolle — ja, so hieß es schließ- lich, da sei man auf den Rat der Ärzte angewiesen.

Immerhin, der politische Wille, den Leistungskatalog zu entla- sten, ist vorhanden. Ziemlich deut- lich wird die CDA sogar bei dem, was sie als versicherungsfrem- de Leistungen ansieht, beispiels- weise Schwangerschaftsabbrüche aus sozialer Indikation.

Im übrigen wollen die Sozialaus- schüsse den Krankenkassen einen größeren Spielraum bei der Be- stimmung des Leistungskataloges einräumen. Neben der allgemein verbindlichen Grundsicherung sollen die Kassen über Zusatzlei- stungen weitaus mehr als heute selbst befinden können. Die CDA

geht hier erstaunlich weit, bis hin zur Entscheidungskompetenz bei der Zulassung von Medikamenten für die kassenärztliche Versor- gung.

Viel Vertrauen also in die Selbst- verwaltung. Das entspricht der Grundhaltung der CDA, Eigenver- antwortung zu fördern. Um einen heiklen Punkt, der in diesem Zu- sammenhang erörtert werden muß, die Selbstbeteiligung, ma- chen die Sozialausschüßler frei- lich einen großen Bogen. Im Prin- zip wollen sie keine finanzielle Selbstbeteiligung. In früheren Ent- würfen des Gesundheitspapiers war die Ablehnung freilich eindeu- tiger ausgedrückt. Heute werden

lediglich Wahltarife unmißver- ständlich abgelehnt, Selbstbeteili- gungen jedoch in allerlei Einzel- punkten angeregt, etwa bei Kran- kenhausaufenthalt. Auch die Aus- gliederung nicht versicherungsbe- dürftiger Risiken bedeutet Selbst- beteiligung. Peter Kudella, be- fragt, wie weit die CDA bei Selbst- beteiligungen gehen wolle: Bei al- len Leistungen, bei denen die Ein- schaltung eines Arztes erforder- lich sei, dürfe es keine Selbstbetei- ligung geben.

Von den Ärzten erwartet die CDA, daß sie nach Kräften ihren Beitrag dazu leisten, die Eigenverantwor- tung der Versicherten zu stärken, indem sie zum Beispiel die ärztli- chen Leistungen, ambulant und stationär, transparent machen, fi- nanziell wie inhaltlich: Sie sollen dem Patienten genau erklären, was mit ihm zu geschehen habe oder geschehen sei. Die Ärzte sol- len ihre Patienten auch anleiten, Hausmittel richtig zu verwenden, damit auf diese Weise die Kran- kenversicherung entlastet werde.

Die Sozialausschüsse erwarten von den Ärzten schließlich, daß sie mit Sozialstationen und anderen ambulanten Diensten vertrauens- voll zusammenarbeiten. Diese lo- kalen Dienste sind der CDA ein besonderes Anliegen — auch das im Sinne der überschaubaren Le- bensräume.

Viel Vertrauen also auch in die Ärzte. Aber auch einiges Miß- trauen, beispielsweise beim soge- nannten „Krankschreiben". Da die CDA Karenztage ablehnt, betont sie die Verantwortung der Ärzte um so stärker. Peter Kudella glaubt, daß viele Ärzte es hier nicht so genau nehmen. Er und die CDA fordern deshalb die Reak- tivierung der vertrauensärztlichen Dienste und ganz generell eine Überprüfung der Krankschrei- bungspraxis der Ärzte durch die Kassen. Die CDA glaubt auch, daß die Ärzte zu viele und zu teure Arzneimittel verordnen; sie hält das nicht nur aus medizinischen, sondern auch aus finanziellen Gründen für gefährlich.

Kostendämpfung auch mit den Sozialausschüssen Die Sozialausschüsse — und daran sollte niemand einen Zweifel ha- ben — gehören zu den nachdrück- lichen Verteidigern der Kosten- dämpfung. Sie verfechten die ein- nahmeorientierte Ausgabenpoli- tik. Sie sind zudem der Ansicht, daß die ärztlichen Einnahmen durchaus weitere Schrumpfungen vertragen können. Die Pause, die der Vorsitzende der Sozialaus- schüsse und Bundesarbeitsmini- ster, Norbert Blüm, für die ärztli- chen Honorare gefordert hat, folgt konsequent aus dem gesundheits- politischen Programm der CDA:

„Angesichts des bevorstehenden starken Anstiegs der Ärztezahlen ist eine Sicherung der ärztlichen Einkommen bei stagnierender Be- völkerungs- und Einkommensent- wicklung nicht durch weiter stei- gende Aufwendungen für das Ge- sundheitswesen möglich. Eine vollständige staatliche Reglemen- tierung des Gesundheitswesens wird sich nur vermeiden lassen, wenn die künftig größere Zahl von Ärzten bereit ist, sich in den heute anfallenden recht beachtlichen Anteil für ärztliche Leistungen zu teilen."

Die „Atempause" könnte also, folgt man der CDA, ziemlich lang

werden. NJ

20 Heft 42 vom 22. Oktober 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe B

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