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Archiv "Schwangerschaftsabbruch: Rita Süssmuths „dritter Weg“ behagt nicht allen als exakte Route" (27.08.1990)

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Schwangerschaftsabbruch

Zustimmung, kritische Anerken- nung, Ablehnung - wenn man die unterschiedlichen Reaktio- nen auf das Positionspapier der Bundestagspräsidentin und Vorsitzenden der CDU-Frau- enunion, Prof. Dr. Rita Süss- muth, zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs auf eine Formel bringen sollte, dann könnte sie so aussehen.

Die ehemalige Bundesfamilien- ministerin hatte sich, wie be- reits in Heft 31/32 kurz berichtet worden ist, Ende Juli mit ihrem

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n der Bundesrepublik Deutsch- land ist ein Schwangerschafts- abbruch außerhalb der Gren- zen des § 218 Strafgesetzbuch bekanntermaßen strafbar (Indikatio- nenlösung). In der DDR hingegen si- chert die sogenannte Fristenlösung die Straffreiheit im Fall eines Ab- bruchs bis zur zwölften Schwanger- schaftswoche. Umstritten war und ist, wie ein einheitliches deutsches Abtreibungsrecht in Zukunft ausse- hen könnte.

Eine Fristenlösung wie in der DDR sei ethisch nicht vertretbar, meint die Christdemokratin Süss- muth. Allerdings würde die Indika- tionenlösung ebenso als unzurei- chend empfunden: „Auch das in der Bundesrepublik geltende Recht hat es weder vermocht, den Schutz des ungeborenen Lebens zu sichern noch Frauen und/oder Paaren im Schwan- gerschaftskonflikt die notwendigen Hilfen in gesicherter und zulängli- cher Weise zu bieten", heißt es am Anfang des Positionspapiers. Frau Süssmuths Lösungsvorschlag koppelt deshalb ein „Lebensschutzgesetz"

mit umfassender Beratung und Hilfe im Konfliktfall. Der gesetzgeberi- schen Verpflichtung, Leben zu schützen, sollte auf diese Weise nachgekommen werden:

Vorschlag zu einem „dritten Weg" in die heftige Diskussion.

um Indikationen- versus Fri- stenlösung in einem geeinten Deutschland eingeschaltet.

„1. Betonung des Verfassungs- rangs des Schutzes des ungeborenen Lebens durch ausdrückliche Aufnah- me in Artikel 2, Absatz 2 des Grund- gesetzes.

2. Schaffung eines umfassenden Gesetzes zum Schutz des Lebens (Lebensschutzgesetz), in dem fol- gende fünf Problembereiche geregelt werden sollen: a) Embryonenschutz, b) Schutz des ungeborenen Lebens

— Schwangerschaftskonfliktlagen, c) Organverpflanzung, d) Schutz des behinderten menschlichen Le- bens, e) Schutz des sterbenden Le- bens."

Für die konkrete Ausgestaltung des Abtreibungsrechts schlägt die CDU-Politikerin vor:

Mein Bauch, dein Bauch ..

• Förderung der freiwilligen Sexualaufklärung einschließlich der Verhütungsberatung;

• Sozialleistungen des Staates zum Schutz des ungeborenen Le- bens, und zwar in Form von Hilfen mit Rechtsanspruch;

• Verbesserung des Beratungs- angebots. Vor allem in der DDR müsse ein flächendeckendes Bera- tungsnetz geschaffen werden.

• Indikationen für den straf- freien Abbruch, die in ein Lebens- schutzgesetz übernommen werden sollen. Die kriminologische Indikati- on soll wie bisher geregelt werden, ebenso die medizinische und eugeni- sche. Im letzten Fall soll aber die Frist von bisher 22 auf zwölf Wochen verkürzt werden. Liegt eine Notla- gen-Indikation vor, dann sollte jede Frau, die einen Schwangerschafts- abbruch erwägt, zur Beratung ver- pflichtet werden. Danach soll sie sich frei für einen Abbruch entscheiden können. Ein Abbruch nach obligato- rischer Beratung wäre straffrei.

Straffreiheit gelobt

Zustimmung, Anerkennung, Ab- lehnung — sie wurden Prof. Dr. Rita Süssmuth quer durch alle parteipoli- tischen und ideologischen Lager ent- gegengebracht. Die schärfste Ableh- nung kam aus der CSU, deren Ver- treter den Vorschlag als „verfas- sungswidrig" (Erwin Huber, CSU- Generalsekretär) oder „sicher sehr einsam" (Ursula Männle, Vorsitzen- de der Gruppe der Unionsfrauen) einstuften. Die CSU-Abgeordnete Michaela Geiger hingegen lobte die

„konstruktiven Vorschläge". Zustim- mung erhielt Rita Süssmuth aus der Ärzteschaft, so von Dr. Ingeborg Retzlaff, Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes, die an der Entste- hung des Positionspapiers mitge- wirkt hatte, vom Präsidenten der Bundesärztekammer, Dr. Karsten Vilmar, und von Dr. Franz-Josef Große-Ruyken, dem Präsidenten der Landesärztekammer Baden-Würt- temberg. Anerkennung kam vor al- lem aus den Reihen der SPD und der FDP sowie der Grünen: Gelobt wurde meist der Einsatz für die Straffreiheit, kritisiert stellenweise

Rita Süssmuths „dritter Weg"

behagt nicht allen als exakte Route

Dt. Ärztebl. 87, Heft 34/35, 27. August 1990 (21) A-2525

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die obligatorische Verpflichtung zur Beratung sowie die Verknüpfung mit einem „Lebensschutzgesetz".

Nach dem derzeitigen Stand der Diskussion strebt die FDP für die ge- samtdeutsche Zukunft eine Fristen- lösung mit obligatorischer Beratung an, während die SPD eher die frei- willige Beratung wünscht. Doch noch wird in den Fraktionen und einer in- terfraktionellen Frauengruppe um Rita Süssmuth, Dr. Irmgard Adam- Schwaetzer (stellvertretende FDP- Vorsitzende), sowie Dr. Hertha Däubler-Gmelin (stellvertretende SPD-Vorsitzende), diskutiert.

• Sicher ist bis jetzt nur, daß es für eine Übergangszeit zweierlei Recht innerhalb eines Staatsgebiets geben wird. Die DDR wird ihre Fri- stenlösung beibehalten, die Bundes- republik den § 218. Nach Ablauf der Übergangszeit — in der Diskussion sind Fristen von zwei bis fünf Jahren

— soll dann ein gesamtdeutsches Par- lament die Weichen für eine einheit- liche Lösung gestellt haben.

Das Justizministerium in Bonn hatte zunächst vorgesehen, nicht — wie üblich bei verschiedenen Straf- gesetzen innerhalb eines Staates — das Recht anzuwenden, das am „Tat- ort" gilt. Statt dessen sollte der „Le- bensmittelpunkt" herangezogen wer- den. Konkret hätte das bedeutet:

Frauen, die auf dem Gebiet der jetzi- gen Bundesrepublik leben, aber in der DDR eine Abtreibung vorneh- men lassen, machen sich strafbar.

Nach neuesten Informationen will das Justizministerium jetzt zum

„Tatort"-Recht zurückkehren. Dann blieben die Frauen straffrei. Straffrei würden ohnehin alle Berlinerinnen bleiben, die eine Abtreibung inner- halb der ersten zwölf Schwanger- schaftswochen vornehmen ließen — zumindest, wenn es nach dem ge- meinsamen Willen des West-Berli- ner Senats und des Ost-Berliner Ma- gistrats ginge. Dann würde nämlich nach der deutschen Einigung in ganz Berlin einheitlich das Recht der ehemaligen DDR gelten.

• Bundesjustizminister Hans A. Engelhard (FDP) lehnt diese Plä- ne ab. Auch dem Senat dürfte be- kannt sein, so Engelhard, daß für die strafrechtliche Regelung allein der Bund zuständig sei. th

Gebührenordnung

PKV und Blüm

„Arm in Arm"

Mit fragwürdigen Argumenten versucht der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV), sich bei der noch vor Jahresfrist für diese Legislaturperiode avisierten Vierten Novelle zur Amtlichen Gebühren- ordnung für Ärzte (GOÄ) mit dem Bundesarbeitsministerium zu solida- risieren. Wie zuvor bereits Bundes- arbeits- und Sozialminister Dr. Nor- bert Blüm wirft der PKV-Verband der Bundesärztekammer vor, mit ih- rem .. Konzept zur Novellierung der GOA „überzogene Honorarforde- rungen zu stellen, ohne auf die Fi- nanzierung zu achten". Die Bundes- ärztekammer sei nicht bereit, im Zu- ge der Weiterentwicklung der GOÄ (die seitens des Ministeriums auf 1991/92 vertagt wurde) „Kostenein- sparungen an die Versicherten wei- terzugeben". Dadurch werde nicht nur die Weiterentwicklung der GOÄ, sondern auch der medizini- sche Fortschritt gebremst, so der Vorwurf der Assekuranz.

Zugleich spricht sich der Ver- band der Privaten Krankenversiche- rung dagegen aus, die Privatgebüh- renordnung und das kassenärztliche Leistungsverzeichnis des Einheitli- chen Bewertungsmaßstabes (EBM) zu stark auseinanderdriften zu las- sen. Auch würde eine zu starke Dif- ferenzierung der Leistungen die Transparenz erschweren und den Patienten kaum in die Lage verset- zen, die Arzt-Rechnung zu verste- hen. Mit einer solchen Argumentati- on macht sich die PKV Parolen der Gleichmacherei und Vereinheitli- chung zu eigen, und zwar auf einem Gebiet, wo — jedenfalls nach ihrer ei- genen Werbung — Leistungen eben nicht über einen Leisten geschlagen werden sollen.

Zudem: Bei den Argumenten der Privaten Krankenversicherung werden einseitig Argumente der Ko- stendämpfung, der Beitragssatzstabi-

lität und Kostenneutralität aktiviert

— allesamt Glaubensbekenntnisse der Politik und der sozialen Kran- kenversicherung, von der sich die PKV sonst absetzt.

Der Präsident der Bundesärzte- kammer, Dr. Karsten Vilmar, hat frühzeitig in Verhandlungen mit dem Bundesarbeitsministerium und auch mit der Privaten Krankenversi- cherung klargelegt, daß die Ärzte- schaft zwar auf eine lineare Anhe- bung des Punktwertes verzichten und damit zur Kostenneutralität bei- tragen will, aber Punktzahlanhebun- gen für einzelne Leistungen, die sich aus der Entwicklung neuer, teurerer Untersuchungs- und Behandlungs- methoden zwangsläufig ergeben, wa- ren damit nicht ausgeschlossen. Und:

Bei der GOÄ-Novellierung würde nur das nachvollzogen, was bei der EBM-Reform infolge der Umstruk- turierung und mit einer höheren Be- wertung von Grundleistungen be- reits erfolgt ist. Solche leistungsspe- zifischen und damit nicht linearen Anhebungen von Punktzahlen erfor- dern sowohl der medizinische Fort- schritt als auch die Anpassung eines zwölf Jahre alten, bisher unverän- dert gebliebenen Leistungsverzeich- nisses an die moderne Medizin.

Subventionierung der Selbstzahler .. .

Die vom Bundesarbeitsministe- rium und der Privaten Krankenversi- cherung ausgegebene Losung von der Beitragssatz- und Kostenneutra- lität und der Umverteilung wäre nichts anderes als eine Subventionie- rung der Selbst- und Privatzahler durch eine insgesamt abqualifizierte privatärztliche Behandlung. Die Pri- vatversicherer verhalten sich unred- lich, wenn sie einerseits in ihrer Wer- bung und in Bilanzpressekonferen- zen auf die Qualität der Privatbe- handlung und mit Stolz auf höhere Leistungszusagen hinweisen, ande- rerseits durch eine verabsolutierte Kostendämpfung — ohne Berücksich- tigung des qualitativ und quantitativ veränderten Leistungsspektrums der Medizin — dazu beitragen wollen, daß die Überschüsse noch mehr stei- gen als bisher schon. HC A-2526 (22) Dt. Ärztebl. 87, Heft 34/35, 27. August 1990

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