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Archiv "Pro familia — contra legem: Haltlose Argumentation" (25.10.1979)

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Spektrum der Woche Aufsätze - Notizen

„Pro familia" und der § 218

kationsrate von 4,54 Prozent angibt und davon 1 Prozent schwere Kom- plikationen wie Zervixriß, Uterusper- foration oder Tod sind (2), frage ich mich, ob man die Indikation so groß- zügig stellen darf, wie es „Pro fami- lia"/Bremen augenscheinlich tut.

Oder will diese Organisation durch das Hintertürchen die als verfas- sungswidrig abgelehnte Fristenlö- sung nun doch einführen? Bei am- bulanten Schwangerschaftsabbrü- chen kam es laut Fragebogenaktion im Raum Köln in 7,4 Prozent der Fälle zu Komplikationen, die in fast 1 Prozent der Fälle eine Krankenhaus- einweisung notwendig machten (4).

Unter den Spätkomplikationen sind außer den psycho-sexuellen Störun- gen auch solche wie Sterilität und eine Zunahme der Extrauterin- schwangerschaften zu nennen (8).

Es ist bedauerlich, daß gerade im Jahr des Kindes durch eine offiziell anerkannte Beratungsstelle so ne- gativ über die Familienprobleme ge- urteilt wird. Sind die Verhältnisse in West-Berlin mit einer Abtreibung auf zwei ausgetragene Schwanger- schaften (6) tatsächlich erstrebens- wert? Sind rund 76 Prozent Schwan- gerschaftsabbrüche aus sozialer In- dikation tatsächlich gerechtfertigt, wenn gerade die sogenannten Un- terschichten und Randgruppen das Beratungsangebot gar nicht ent- sprechend annehmen und damit in die Statistik der legalen Schwanger- schaftsabbrüche auch nicht ent- sprechend eingehen (7)?

Die Behauptung: „Als soziale Notla- ge muß alles gelten, was gegen die Bedürfnisse und Lebensperspektive der Frau gerichtet ist und sie gefähr- det." heißt die Indikation zur Abtrei- bung einseitig auf die Wünsche der Frau abstellen, die sich rücksichts- los ihrem Vergnügen hingeben darf, ohne die möglichen Folgen zu über- denken. Jedes Kind verändert die Lebensperspektive einer Familie und bringt nicht nur Freude, son- dern fordert eine mehr oder weniger große Einschränkung der Freiheit der Eltern. Durch das Wort „gefähr- det" soll dem unbotmäßigen Postu- lat augenscheinlich Nachdruck ver- liehen werden, oder es liegt eine be-

wußte Vermengung mit der medizi- nischen Indikation vor.

Zahlreiche Frauen, die ihr erstes Kind bekommen, entwickeln erst ei- ne positive Lebensperspektive zu dem Kind, wenn dieses geboren ist.

Eine ungewollte Schwangerschaft bedeutet nicht gleichzeitig, daß das Kind nicht nach der Geburt positiv angenommen wird. Die soziale und psychische Situation der Schwange- ren ist nicht unbedingt gleichzuset- zen mit der Situation der Mutter nach der Geburt des Kindes. Die meisten zum Schwangerschaftsab- bruch bereiten Frauen wissen gar nicht in welcher körperlichen Aus- bildung sich das Kind zum Zeitpunkt des Abbruches bereits befindet (3).

Ist die Lage des zunächst uner- wünschten Kindes wirklich immer schlechter als die des heißersehnten Wunschkindes, welches mit einem Übermaß an Liebe lebensuntüchtig erzogen wird?

Zitierte Quellen:

(1) Petersen, P.: Seelische Folgen nach lega- lem Schwangerschaftsabbruch, DÄ 18 (1977) 1205 — (2) Lau, H.: Zwei Jahre „Reformpara- graph 218": Was ist — was wird? DÄ 40 (1978) 2283 — (3) Wolnik, L., und Hackelöer, J.:

Schwangerschaft in ärztlicher und gesell- schaftlicher Verantwortung, DÄ 12 (1979) 812 — (4) Barley: Ambulanter Schwangerschaftsab- bruch in der Frauenarztpraxis, Nieders. Ärzte- bi. 6 (1979) 181 — (5) Petersen, P.: § 218 StGB und seelische Gesundheit, Nieders. Ärztebl. 15 (1979) 525 — (6) Künzer, W.: Die Krise der Fami- lie, Kinderarzt 8 (1979) 1149 — (7) „Pro familia"

— contra legem. DA 31 (1979) 1985 — (8) NN:

Verlauf von Schwangerschaft und Geburt nach vorausgegangenem legalem Schwanger- schaftsabbruch, päd. prax. 16 (1975/76) 154.

Dr. Klaus-Michael Meyer Vossenreitweg 7

2840 Diepholz

Abwägung von Risiken

Vor gut 15 Jahren konnten wir nach- weisen, daß es nach Interruptio bei Jugendlichen im Plethysmogramm (am Finger abgenommen) zu para- doxen vasomotorischen Reaktionen kam: nach Reizen, die normalerwei- se eine Konstriktion auslösen, nun- mehr eine Dilatation, oder umge- kehrt (unveröffentlicht). Was einzig damals nicht — aus rein äußeren Um- ständen — herausgearbeitet werden

konnte, ist die Frequenz dieser zen- tralen Störungen an einem größeren Sample, bzw. im Zusammenhang damit eine eventuelle Altersabhän- gigkeit, dazu müßte eine weitere An- schlußforschung erfolgen. Überra- schend ist es indes in keiner Weise, da ein höchst physiologischer Vor- gang einen massiven Eingriff erlei- det, der einzig und allein im Zuge der Abwägung von Risiken ethisch sanktioniert werden kann; in sozial- politischer Praxis kann ein solches höheres Risiko ausschließlich darin erblickt werden, daß die Antragstel- lerin u. U. zu gefährlicheren Metho- den der Interruptio Zuflucht nähme.

Soweit von irgendeiner „Befreiung der Frau" gesprochen wird, kann es sich — per analogiam — nur um deren Recht auf Selbstschädigung bis Selbsttötung handeln, allerdings wird vom Arzt keine Assistenz bei solchen Akten verlangt.

Dr. med. univ. J. Tejmar Arbeitsmedizinischer Dienst 6603 Sulzbach-Hirschbach

Haltlose Argumentation

Ihre (des BÄK-Präsidenten Dr. Vil- mar; die Red.) eindeutige und klare Stellungnahme gegen die Ausfüh- rung der „Pro familia" in Bremen lassen mich hoffen, daß in der Fol- gezeit endlich mit den Praktiken die- ser und ähnlicher Institutionen von der offiziellen Seite der Ärzteschaft aufgeräumt wird. Die Art und Weise der Verunglimpfung der Ärzteschaft und Ihrer Person ist unerträglich.

Außer Ihrer Stellungnahme ist weite- res konsequentes Vorgehen not- wendig, indem eine Kooperation zwischen der Pro-familia und der Ärzteschaft in der Folgezeit abge-

lehnt wird. Es sei denn, daß mit aller Entschiedenheit die gesamte Pro- Familia-Organisation sich distan- ziert von den Äußerungen der Bre- mer Gruppe. Die objektive Art, mit der Sie haltlosen und rufmordähnli- chen Argumentationen geantwortet haben, ist bewunderungswürdig. Es wird wohl in der Folgezeit zu emp- fehlen sein, nicht mehr mit solchen Menschen zu argumentieren, son- dern zu handeln in der oben vorge-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 2846 Heft 43 vom 25. Oktober 1979

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

„Pro familia" und der § 218

schlagenen Weise. Ich grüße Sie mit Ihren Worten, daß wir Ärzte weiter unserer Verpflichtung bewußt sind, menschliches Leben zu schützen und zu erhalten.

Ev. Bethesda-Krankenhaus Frauenklinik

(Chefarzt) Dr. Pomp Bocholder Straße 11-13 4300 Essen-Borbeck

Wirkliche Sachverhalte

Sie (die Pro familia/Bremen; die Red.) erwähnen fachärztliche Unter- besetzung des Ruhrgebietes, weil nur wenige Ärzte dort arbeiten wol- len, ferner die Lebenswelt der Kolle- gen, aus denen diese ihre Wagen vorzugsweise in eine zentral gelege- ne Praxis lenken. In Bochum 7, ei- nem kaum attraktiven Platz, sind 30 Kollegen, davon 18 Fachärzte, nie- dergelassen. Manche Fächer sind doppelt und sogar mehrfach be- setzt. Sie lenken ihre Wagen keines- wegs in eine zentral gelegene Pra- xis. Auch darf durchaus unterstellt werden, daß sie sehr wohl hier arbei- ten wollen. Die o. a. Zahlen sind dem Branchen-Fernsprechbuch entnom- men. Ihre Ausführungen erscheinen demnach kaum akzeptabel, zumal schon ein kurzer Blick in das Tele- fonbuch auch anderorts die wahren Verhältnisse aufdeckt. Unterzeich- ner ist unter anderem Herr Amendt, ausgewiesen als Professor, laut Brockhaus einer, der „öffentlich bekennt". Von ihm zumindest sollte zu erwarten sein, daß wirkliche Sachverhalte nicht vernachlässigt werden.

Dr. Wilhelm Klecker Augenarzt

Ovelackerstraße 7

4630 Bochum-Langendreer

Beispiele

für soziale Notlagen

Hiermit verwahren wir uns entschie- den gegen die unkollegiale Diskrimi- nierung und Kriminalisierung von immerhin rund 200 Ärztinnen und Ärzten, die bei Pro familia arbeiten.

Ihre Gleichstellung dieser Kollegen mit den Ärzten der NS-Zeit (in dem von uns veröffentlichten Vorgang nicht geschehen! die Red.) ist nicht nur eine Ungeheuerlichkeit, sondern kann als Machtmißbrauch Ihrer Funktionärsstellung gedeutet wer- den.

Gleichzeitig stellen wir uns aber auch ebenso entschieden gegen die Äußerungen von Herrn Amendt, der in ideologischer Polemik den Ärzten generell die Befähigung zur Indika- tionsstellung abspricht. Wir sehen gerade bei den niedergelassenen Kollegen zunehmend Verständnis für die psycho-sozialen Probleme ihrer schwangeren Patientinnen.

Wie paßt es in unsere sozial heile Welt, daß jährlich 30 000 Kinder von ihren Eltern mißhandelt werden, daß die Säuglingssterblichkeit bei un- ehelichen Kindern deutlich erhöht ist gegenüber der aus intakten Fami- lien, daß in wachsender Zahl Kinder Selbstmord verüben? Wieviel Pro- zent Ihres Einkommens entfällt auf die Miete? Und wie viele Kinder müssen sich bei Ihnen ein 13 m 2 großes Zimmer teilen?

Und erlauben Sie uns bitte noch ein paar persönliche Fragen, die Sie uns nicht zu beantworten brauchen. Wie würden Sie entscheiden, wenn fol- gende Situationen einträfen?

a) Ihr zur Probe angestellter Lehr- ling wird während der ärztlicherseits routinemäßig verordneten Pillen- pause schwanger.

b) Ihre 40jährige Ehefrau, die neben ihren beiden pubertierenden Kin- dern eine krebskranke Schwieger- mutter pflegt und nervlich am Ende ist, wird schwanger.

c) Ihre Tochter erwartet kurz vor dem Abitur ein Kind vom gleichaltri- gen Schulfreund.

d) Ihre Schwester mit zwei Kleinkin- dern setzt mit dem Austragen einer außerehelichen Schwangerschaft ihre Ehe aufs Spiel.

Beispiele für nicht finanziell begrün- dete soziale Notlagen ließen sich be- liebig fortsetzen.

Dres. med. Beate Brus, Annegret Hofmann, Karin Kehl,

Gisela Keunecke und Meike Wellenkamp Ärztinnen bei der

Pro-familia-Beratungsstelle Bonn Prinz-Albert-Straße 39

5300 Bonn 1

Falscher Akzent

Seit Gründung des ... Landesver- bandes Baden-Württemberg (an den dieser offene Brief gerichtet ist) bin ich Mitglied der Pro familia, und ich glaube, daß in den vergangenen Jahren bundesweit viel segensrei- che Arbeit von der Organisation ge- leistet worden ist. Durch die Aktivitä- ten des Bremer Landesverbandes kommt nun ein Akzent in die Arbeit, der nach meinem Verständnis mit der ursprünglichen Aufgabe der

„Sexualberatung und Familienpla- nung" nicht mehr vereinbar ist. So wenig es Aufgabe der Pro familia wäre, Geburtshilfe zu leisten, so we- nig kann es ihre Aufgabe sein, Schwangerschaftsabbrüche durch- zuführen. Wenn dann noch die „so- ziale Notlage" so unglaublich weit gefaßt wird, wie es in dem Offenen Brief von Herrn Amendt und Mitar- beitern geschieht, kann von einem Respekt vor dem ungeborenen Le- ben keine Rede mehr sein, und ich glaube, daß hier von der Pro familia ein verhängnisvoller Irrweg einge- schlagen wird. Meine Hoffnung, daß die anderen Landesverbände dage- gen Stellung nehmen würden, sehe ich durch die Bemerkung in dem Brief enttäuscht, daß die Bundesar- beitstagung fast einstimmig das Bremer Konzept angenommen ha- be. So hätte es gar nicht der pau- schalen und mit klassenkämpferi- schen Argumenten geführten Diffa- mierung der ärztlichen Arbeit in dem Offenen Brief bedurft, um es mir un- möglich zu machen, weiterhin Mit- glied der „Pro familia" zu bleiben.

Ich sehe mich deshalb zu meinem Bedauern gezwungen, meinen Aus-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 43 vom 25. Oktober 1979 2847

Referenzen

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