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Archiv "Pro familia — contra legem: Spät-Komplikationen" (25.10.1979)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

„Pro familia" und der § 218

Gewichte

einseitig verschoben

Die zunehmende Kritik in der Öffent- lichkeit an der Deutschen Gesell- schaft für Sexualberatung und Fa- milienplanung „Pro familia" veran- laßt die Unterzeichner zu einer „Öf- fentlichen Erklärung" (gerichtet an das Präsidium der Pro familia, z. H.

Dr. phil. J. Heinrich. Die Red.) Mit dem Ausscheiden des Präsiden- ten Prof. Dr. med. R. Kepp, Universi- täts-Frauenklinik, Gießen, ist „Pro familia" von einer sozial-medizini- schen Beratungsinstitution zu einer gesellschaftspolitisch orientierten Interessengruppe schrittweise um- gewandelt worden. War Familien.

planung die primäre Aufgabe von

„Pro familia", für die Ärztinnen und Ärzte seit 1952 unermüdlich tätig waren und hierfür die volle Verant- wortung trugen, ist in den letzten Jahren zunehmend der Einfluß der Ärzteschaft in den leitenden Positio- nen zugunsten von Politologen, So- ziologen, Sozialarbeitern, Psycholo- gen und Angestellten der „Pro fami- lia" zurückgedrängt worden.

Die Klassenkampfparolen des Poli- tologen Prof. Amendt, Bremen, der als Nicht-Arzt eine Schwanger- schaftsabbruchambulanz in einer Pro-familia-Beratungsstelle ansie- delte, die Tätigkeit eines Juristen in Berlin als 1. LV-Vorsitzender und die Akzente, die der Präsident Dr. phil.

Heinrichs, Assistent an einem Max- Planck-Institut, setzte, sind Wende- marken in der bislang erfolgreichen Tätigkeit von „Pro familia".

Mediziner, die dem gesellschaftspo- litischen Strukturwandel widerste- hen, werden rigoros ausgeschaltet.

So wurde den in der Berliner Pro- familia-Beratungsstelle langjährig tätigen, verdienstvollen Ärztinnen das Ausscheiden nahegelegt. Es ist bezeichnend, daß gleichzeitig in der

„Deutschen Gesellschaft für Sexual- forschung" (DGfSF) kürzlich von nichtärztlicher Seite den Fachgynä- kologen die Kompetenz für Fragen der Kontrazeption abgesprochen und Andersdenkende in die Nähe des Faschismus gerückt wurden.

Ein gleicher Verleumdungsfeldzug ist von Prof. Amendt (Bremen) ge- genüber der Ärzteschaft eröffnet worden (s. Briefwechsel Dr. Vilmar, Präsident der Bundesärztekammer und Prof. Amendt im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT, Nr. 31/1979).

Die Arbeit von Pro familia ist inter- disziplinär zu leisten. Ein fruchtba- res und faires Gespräch zwischen den einzelnen Berufsgruppen ist verschüttet, ein Dialog zum Aus- gleich verschiedener Standpunkte unmöglich gemacht. In den letzten Jahren sind die Gewichte einseitig von ärztlichem Denken und Handeln zu sozial-politischen Aktivitäten ver- schoben worden. Dies widerspricht

§ 2 der Satzung:

Zweck und Arbeitsweise des Vereins 1. Pro familia ist auf dem Gebiet der Se- xualberatung und Familienplanung tätig;

sie dient damit der Familie und dem ver- antwortungsbewußten Willen zum Kinde.

Pro familia leistet einen Beitrag zur Ge- sundheit der Bevölkerung und zur ge- sellschaftlichen Entwicklung durch Ehe- und Partnerschaftsberatung, Familien- planung, Eltern- und Erziehungsbera- tung und bekämpft den illegalen Schwangerschaftsabbruch.

2. Zu den Aufgaben der Pro familia ge- hören deshalb insbesondere die Förde- rung der Sexualerziehung, der Sexualbe- ratung, die Hilfe zu verantwortungsbe- wußter Elternschaft, die Beratung über Empfängnisregelung, die Beratung bei Kinderlosigkeit sowie die Beratung bei Schwangerschaft und Schwanger- schaftskonflikten.

Zu diesem Gesamtaufgabenkatalog muß „Pro familia" wiederzurückfin- den. Mit zunehmender Sorge beob- achten die Unterzeichner eine Ent- wicklung, die in Teilen der Öffent- lichkeit „Pro familia" als „Abtreiber- zentrale" ansieht. Eine Verurteilung, die zu Lasten der Mitglieder Amendt, Hummel, Heinrichs und Tietze geht.

Weitere Sorge bereitet die Erkennt- nis, daß die bisher von viel Idealis- mus getragene Arbeit zunehmend den kommerziellen Interessen der einzelnen Mitarbeiter aus der Basis- gruppe weicht.

Wir wählen diese Form, um die Öf- fentlichkeit darauf hinzuweisen, daß

die

positiven Aspekte der Familien- planung wieder Vorrang in „Pro fa- milia" gewinnen sollten und Intole- ranz, Abwertung des Ärztestandes und Verbreitung medizinischer Laienvorstellungen einschließlich offener oder versteckter Koopera- tion mit den „Feministischen Frau- enzentren" (FFZ) Einhalt geboten werden muß.

Mitgliedergruppe der Pro familia, Berlin, Unterzeichner: Frau Dr. med.

I. Brandt, Ehrenvorsitzende, Berlin;

Frau Dr. med. F. Schipkus, Leitende Beratungsärztin bis 31. August 1979;

Frau D. Frowein, Beratungsärztin und langjähriges Vorstandsmitglied bis 31. August 1979; Frau Lais, Ärz- tin, Informationsreferentin bis 30.

April 1979; Herr Dr. med. U. Wolff, 1.

Vorsitzender LV Berlin bis 23. März 1979

1000 Berlin 37 Teltower Damm 29

Spät-Komplikationen

Es ist erschütternd mit welcher Un- verfrorenheit eine Institution, die ei- ne Beratung über alle Lösungsmög- lichkeiten der Probleme durchfüh- ren soll, die im Zusammenhang mit einer unerwünschten Schwanger- schaft stehen, sich gezielt mit der Legalisierung eines Abbruches be- faßt. „Pro familia" verstand ich bis- her als eine Beratungsstelle, die grundsätzlich bei der Lösung von Problemen in der Familie mithilft.

Seit der Diskussion um die Legali- sierung des Schwangerschaftsab- bruches wird immer wieder auf die häufigen psychischen Folgen hinge- wiesen. Frauen nach einem legali- sierten Abbruch erleiden bis zu 9 Prozent eine chronische, schwere psychologische Fehlentwicklung (1, 5), wobei die Schäden im allgemei- nen nicht unmittelbar nach dem Ab- bruch auftreten, sondern wesentlich häufiger mit einer Latenz von durch- schnittlich vier Jahren (1) deutlich werden. Aber nicht nur die seeli- schen, sondern auch die physischen Schäden dürfen nicht außer acht ge- lassen werden. Wenn die Statistik für das IV. Quartal 1977 eine Kompli-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 43 vom 25. Oktober 1979 2845

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Spektrum der Woche Aufsätze - Notizen

„Pro familia" und der § 218

kationsrate von 4,54 Prozent angibt und davon 1 Prozent schwere Kom- plikationen wie Zervixriß, Uterusper- foration oder Tod sind (2), frage ich mich, ob man die Indikation so groß- zügig stellen darf, wie es „Pro fami- lia"/Bremen augenscheinlich tut.

Oder will diese Organisation durch das Hintertürchen die als verfas- sungswidrig abgelehnte Fristenlö- sung nun doch einführen? Bei am- bulanten Schwangerschaftsabbrü- chen kam es laut Fragebogenaktion im Raum Köln in 7,4 Prozent der Fälle zu Komplikationen, die in fast 1 Prozent der Fälle eine Krankenhaus- einweisung notwendig machten (4).

Unter den Spätkomplikationen sind außer den psycho-sexuellen Störun- gen auch solche wie Sterilität und eine Zunahme der Extrauterin- schwangerschaften zu nennen (8).

Es ist bedauerlich, daß gerade im Jahr des Kindes durch eine offiziell anerkannte Beratungsstelle so ne- gativ über die Familienprobleme ge- urteilt wird. Sind die Verhältnisse in West-Berlin mit einer Abtreibung auf zwei ausgetragene Schwanger- schaften (6) tatsächlich erstrebens- wert? Sind rund 76 Prozent Schwan- gerschaftsabbrüche aus sozialer In- dikation tatsächlich gerechtfertigt, wenn gerade die sogenannten Un- terschichten und Randgruppen das Beratungsangebot gar nicht ent- sprechend annehmen und damit in die Statistik der legalen Schwanger- schaftsabbrüche auch nicht ent- sprechend eingehen (7)?

Die Behauptung: „Als soziale Notla- ge muß alles gelten, was gegen die Bedürfnisse und Lebensperspektive der Frau gerichtet ist und sie gefähr- det." heißt die Indikation zur Abtrei- bung einseitig auf die Wünsche der Frau abstellen, die sich rücksichts- los ihrem Vergnügen hingeben darf, ohne die möglichen Folgen zu über- denken. Jedes Kind verändert die Lebensperspektive einer Familie und bringt nicht nur Freude, son- dern fordert eine mehr oder weniger große Einschränkung der Freiheit der Eltern. Durch das Wort „gefähr- det" soll dem unbotmäßigen Postu- lat augenscheinlich Nachdruck ver- liehen werden, oder es liegt eine be-

wußte Vermengung mit der medizi- nischen Indikation vor.

Zahlreiche Frauen, die ihr erstes Kind bekommen, entwickeln erst ei- ne positive Lebensperspektive zu dem Kind, wenn dieses geboren ist.

Eine ungewollte Schwangerschaft bedeutet nicht gleichzeitig, daß das Kind nicht nach der Geburt positiv angenommen wird. Die soziale und psychische Situation der Schwange- ren ist nicht unbedingt gleichzuset- zen mit der Situation der Mutter nach der Geburt des Kindes. Die meisten zum Schwangerschaftsab- bruch bereiten Frauen wissen gar nicht in welcher körperlichen Aus- bildung sich das Kind zum Zeitpunkt des Abbruches bereits befindet (3).

Ist die Lage des zunächst uner- wünschten Kindes wirklich immer schlechter als die des heißersehnten Wunschkindes, welches mit einem Übermaß an Liebe lebensuntüchtig erzogen wird?

Zitierte Quellen:

(1) Petersen, P.: Seelische Folgen nach lega- lem Schwangerschaftsabbruch, DÄ 18 (1977) 1205 — (2) Lau, H.: Zwei Jahre „Reformpara- graph 218": Was ist — was wird? DÄ 40 (1978) 2283 — (3) Wolnik, L., und Hackelöer, J.:

Schwangerschaft in ärztlicher und gesell- schaftlicher Verantwortung, DÄ 12 (1979) 812 — (4) Barley: Ambulanter Schwangerschaftsab- bruch in der Frauenarztpraxis, Nieders. Ärzte- bi. 6 (1979) 181 — (5) Petersen, P.: § 218 StGB und seelische Gesundheit, Nieders. Ärztebl. 15 (1979) 525 — (6) Künzer, W.: Die Krise der Fami- lie, Kinderarzt 8 (1979) 1149 — (7) „Pro familia"

— contra legem. DA 31 (1979) 1985 — (8) NN:

Verlauf von Schwangerschaft und Geburt nach vorausgegangenem legalem Schwanger- schaftsabbruch, päd. prax. 16 (1975/76) 154.

Dr. Klaus-Michael Meyer Vossenreitweg 7

2840 Diepholz

Abwägung von Risiken

Vor gut 15 Jahren konnten wir nach- weisen, daß es nach Interruptio bei Jugendlichen im Plethysmogramm (am Finger abgenommen) zu para- doxen vasomotorischen Reaktionen kam: nach Reizen, die normalerwei- se eine Konstriktion auslösen, nun- mehr eine Dilatation, oder umge- kehrt (unveröffentlicht). Was einzig damals nicht — aus rein äußeren Um- ständen — herausgearbeitet werden

konnte, ist die Frequenz dieser zen- tralen Störungen an einem größeren Sample, bzw. im Zusammenhang damit eine eventuelle Altersabhän- gigkeit, dazu müßte eine weitere An- schlußforschung erfolgen. Überra- schend ist es indes in keiner Weise, da ein höchst physiologischer Vor- gang einen massiven Eingriff erlei- det, der einzig und allein im Zuge der Abwägung von Risiken ethisch sanktioniert werden kann; in sozial- politischer Praxis kann ein solches höheres Risiko ausschließlich darin erblickt werden, daß die Antragstel- lerin u. U. zu gefährlicheren Metho- den der Interruptio Zuflucht nähme.

Soweit von irgendeiner „Befreiung der Frau" gesprochen wird, kann es sich — per analogiam — nur um deren Recht auf Selbstschädigung bis Selbsttötung handeln, allerdings wird vom Arzt keine Assistenz bei solchen Akten verlangt.

Dr. med. univ. J. Tejmar Arbeitsmedizinischer Dienst 6603 Sulzbach-Hirschbach

Haltlose Argumentation

Ihre (des BÄK-Präsidenten Dr. Vil- mar; die Red.) eindeutige und klare Stellungnahme gegen die Ausfüh- rung der „Pro familia" in Bremen lassen mich hoffen, daß in der Fol- gezeit endlich mit den Praktiken die- ser und ähnlicher Institutionen von der offiziellen Seite der Ärzteschaft aufgeräumt wird. Die Art und Weise der Verunglimpfung der Ärzteschaft und Ihrer Person ist unerträglich.

Außer Ihrer Stellungnahme ist weite- res konsequentes Vorgehen not- wendig, indem eine Kooperation zwischen der Pro-familia und der Ärzteschaft in der Folgezeit abge-

lehnt wird. Es sei denn, daß mit aller Entschiedenheit die gesamte Pro- Familia-Organisation sich distan- ziert von den Äußerungen der Bre- mer Gruppe. Die objektive Art, mit der Sie haltlosen und rufmordähnli- chen Argumentationen geantwortet haben, ist bewunderungswürdig. Es wird wohl in der Folgezeit zu emp- fehlen sein, nicht mehr mit solchen Menschen zu argumentieren, son- dern zu handeln in der oben vorge-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 2846 Heft 43 vom 25. Oktober 1979

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