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Archiv "Der Präsident von „pro familia“ hat sich selbst disqualifiziert" (03.07.1980)

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DER KOMMENTAR

ebb der Präsident der „Deut- Wschen Gesellschaft für Sexual- beratung und Familienplanung — pro familia" seine haßerfüllte Ver- dächtigung, die Bundesärztekam- mer und die katholische Kirche seien quasi die Anstifter der Brandanschläge und der Verwü- stungen in den Pro-familia-Zen- tren in Bremen und Hamburg, nun, nachdem der Täter gefaßt ist, mit einer simplen Entschuldigung aus der Welt schaffen kann, mag dahingestellt bleiben. Jürgen Heinrichs, der besagte Präsident, ließ bis zum Redaktionsschluß die- ser Ausgabe am 23. Juni 1980 oh- nehin die bescheidenste Geste dieser Art vermissen.

„In der Nacht zum Sonntag (15.

Juni) ging erstmals in Bremen eine Beratungsstelle in Flammen auf.

Unbekannte waren eingebrochen, hatten das Inventar verwüstet und mit Brandsätzen und ätzenden Chemikalien ein Chaos hinterlas- sen. In der Nacht zum Montag (16.

Juni) folgte — trotz stündlicher Be- obachtungsgänge durch die Bre- mer Polizei — ein weiterer Ein- bruch. In einem Türrahmen fan- den Ermittler den eingeritzten Spruch ,Jesus lebt'. In der Nacht zum Mittwoch (18. Juni) war eine Beratungsstelle in Hamburg an der Reihe — auch hier Verwüstung und Brandstiftung. Zwei Hausbe- wohner gerieten in Lebensgefahr und mußten über die Feuerwehr- leiter aus dem brennenden Haus gerettet werden."

Soweit ein Auszug des „Kölner Stadt-Anzeigers" als Beispiel für ungezählte Berichte in der gesam- ten deutschen Presse. Ehe indes auch nur der geringste weitere Hinweis auf den oder die Täter be- kannt war, erhob der Präsident der

„pro familia", Dr. phil. Jürgen Heinrichs, einen geradezu unge- heuerlichen Vorwurf gegen die Ärzte und die katholische Kirche, nachzulesen in fast allen Presse- organen, wie beispielsweise in der

„Frankfurter Rundschau" vom 20.

Juni nach einer dpa-Meldung vom 19. Juni: „,Die seit rund einem Jahr laufende Kampagne gegen

Der Präsident von

„pro familia"

hat sich selbst disqualifiziert

pro familia, an der sich der Bun- desärztetag und der Vorsitzende der Katholischen Bischofskonfe- renz, Kardinal Josef Höffner, betei- ligten, hat den Boden für die spek- takulären Brandanschläge berei- tet', sagte Heinrichs in einem Ge- spräch mit der Deutschen Presse- Agentur. Er meinte außerdem: ,Die Täter kommen aus Kreisen, die in dieser Kampagne ihre Legitima- tion gefunden haben und nun in fast märtyrerhafter Art versuchen, die vermeintliche Moral wieder- herzustellen . .` Die Kampagne gegen ,pro familia' hat nach An- sicht ihres Präsidenten einen ihrer Höhepunkte in der Entschließung des Bundesärztetages vom Mai vergangenen Jahres gefunden, in der mit großer Sorge auf die wach- sende Zahl der Schwangerschafts- abbrüche hingewiesen und vor ambulanten Einrichtungen ge- warnt worden sei. In dieser Rich- tung hätten auch die Äußerung des Vorsitzenden des gesund- heitspolitischen Arbeitskreises der CSU, Hartwig Holzgartner, der Parallelen zum Dritten Reich gezo- gen habe, sowie die Bemerkung Kardinal Höffners vom ‚Massen- mord' gezielt . . ."

Wie ein Teil der Presse ebenfalls noch am 20. Juni berichtete, ha- ben die Bundesärztekammer und die Deutsche Bischofskonferenz die Vorwürfe unverzüglich und un- mißverständlich zurückgewiesen;

laut „Süddeutscher Zeitung":

„Das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz hat die Vor- würfe des Pro-familia-Präsidenten als ,unerhörte und unverantwortli- che Verleumdung' zurückgewie- sen. Weder die katholische Kirche noch Kardinal Höffner persönlich hätten eine Kampagne gegen Pro

familia geführt. Die Anschläge in Hamburg und Bremen seien krimi- nell und könnten in keiner Weise entschuldigt werden. Die Täter hätten im Widerspruch zu den Grundsätzen der kirchlichen Leh- re gehandelt."

Und hier der Wortlaut der Presseer- klärung der Bundesärztekammer:

„In scharfer Form hat heute (19.

Juni ) die Bundesärztekammer die Anschläge gegen Beratungsstel- len der Deutschen Gesellschaft für Sexualberatung und Familienpla- nung ,pro familia' in Bremen und Hamburg verurteilt. Sprengstoff- und Brandanschläge sowie ande- re Gewaltmaßnahmen sind in ei- nem demokratischen Rechtsstaat kein geeignetes Mittel zur Lösung politischer, sozialer oder familiä- rer Probleme.

Nachdrücklich werden auch die von verschiedenen Seiten öffent- lich geäußerten Verdächtigungen gegen die Bundesärztekammer zurückgewiesen, in denen sie mit den Gewaltausschreitungen in Verbindung gebracht wird.

Die Ärzte haben kein Verständnis dafür, daß dringend notwendige Diskussionen über Grundfragen unseres Lebens mit derartigen Methoden ausgetragen werden sollen. Damit wird eine Art Po- gromstimmung erzeugt. Wichtige Argumente zu weltanschaulichen, ethischen und moralischen Fra- gen können so kein Gehör finden.

Auch der Schutz des ungeborenen Lebens in unserer Gesellschaft ist nicht mehr gesichert, wenn Fana- tiker versuchen, ihren Standpunkt mit Gewalt durchzusetzen.

Die Bundesärztekammer appel- liert an alle politisch Verantwortli- chen, sich auch bei Meinungsver- schiedenheiten geschlossen ge- gen eine in Gewalt ausufernde Fa- natisierung und Radikalisierung zur Wehr zu setzen."

Es bleibt dem Urteil jedes ein- zelnen Lesers überlassen, inwie- weit er in dem am gleichen Tage

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 27 vom 3. Juli 1980 1711

(2)

THEMEN DER ZEIT

Systematische Fortbildung für Ärzte aller Richtungen

im Sommer 1980 (III)

Fortsetzung aus den Heften 25 und 26/1980 und Schluß

„pro familia”

(19. Juni) von der Bundesministe- rin für Jugend, Familie und Ge- sundheit, Antje Huber MdB, in dem ihrer Partei nahestehenden

„Politisch Parlamentarischen Pressedienst" (ppp) veröffentlich- ten Kommentar ein Echo auf die- sen Appell an alle politisch Verant- wortlichen erkennen kann. Unter der Überschrift „Die Saat der Ge- walt ist aufgegangen" schrieb

Frau Huber unter anderem:

„Namens der Bundesregierung verurteile ich auf das schärfste die Anschläge auf ,pro familia`-Ein- richtungen in Bremen und Ham- burg. Ich hoffe, daß die Täter bald ermittelt werden können. Unab- hängig von der strafrechtlichen Verantwortung dieser fanatisier- ten Attentäter muß ich aber auf die moralische Mitverantwortung aller jener hinweisen, die die öffentli- che Diskussion um den Paragraph 218 mit bösartigen Unterstellungen vergiftet haben . . . Wer die Einrich- tungen von ,pro familia' und deren Mitarbeiter diffamiert und ver- leumdet, macht sich mitschuldig an Anschlägen wie denen von Bre- men und Hamburg ..."

Nun, der Täter ist mittlerweile ge- faßt, ein 25jähriger, der nach er- sten Angaben der Polizei offenbar den Eindruck geistiger Verwirrung machte — mit „hoher Wahrschein- lichkeit" ein „religiöser Spinner", so schrieb „Die Welt" am 21. Juni und fragte: „Wie war es dann möglich, daß der Präsident von ,pro familia', Heinrichs, sagte, die katholische Kirche und die Ärzte- schaft hätten ,den Boden bereitet' für diese kriminellen Anschläge?"

Dr. phil. Jürgen Heinrichs, den das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT noch in seinem Heft 18 vom 1. Mai 1980 im Rahmen einer ebenso offenen wie fairen Diskussion um die Handha- bung des § 218 StGB seitenlang zu Wort kommen ließ, hat sich mit seiner „Reichstagsbrand"-Agita- tion — sattsam bekannten Musters, allerdings in einer viel kleineren Dimension — für einen Meinungs- bildungsprozeß unter Demokraten selbst disqualifiziert. DÄ

Meran - Spätsommer

Der Meraner Spätsommerkongreß mit dem Leitthema „Medizin mit und ohne Medikamente" findet vom 25. August bis zum 6. Sep- tember 1980 statt. Er wird erstmals in Zusammenarbeit mit Dr. Hans Hamm, Arzt für Allgemeinmedizin, Lehrbeauftragter für Allgemein- medizin an der Universität Ham- burg und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedi- zin, durchgeführt. Der Eröffnungs- vortrag von Prof. Dr. Hansjakob Mattern, Heidelberg, stellt die Fra- ge: „Praxis im Umbruch?".

Ein Kurzseminar „Sexualinforma- tion in der Praxis" wird von Prof.

Dr. Hans-Heinz Schrömbgens, Rheinmünster-Schwarzach, ge- halten. Einer der erfahrensten För- derer der Manuellen Medizin, Dr.

Hanns-Dieter Wolff, Trier, wird ein Seminar über Manuelle Medizin durchführen.

Die psychologische Führung des Herzkranken wird von dem Kardio- logen Dr. Jörgen Schmidt-Voigt, Bad Soden, in einem Seminar erörtert. Aus der Sicht des erfahre- nen, älteren Arztes, aber auch des Gesundheitspolitikers und aus der Sicht des jüngeren niedergelasse- nen Kollegen wird das Seminar

„Niederlassung, Praxisgründung, Praxisführung, Praxisübergabe des Kassenarztes" von Dr. med.

Gerhard Jungmann, Ehrenpräsi- dent der Ärztekammer Nieder- sachsen, Dassel-Markoldendorf, sowie von Dr. med. Wolfgang Landgraff, Vizepräsident der Ärz- tekammer Westfalen-Lippe, Unna- Massen, behandelt.

Katastrophenmedizin wird am Samstag, dem 30. August, von dem bestbewährten schweizeri- schen Team behandelt werden, das nun schon auf nahezu allen anderen Fortbildungskongressen der Bundesärztekammer diese wichtigen Fragen unseren Kolle- ginnen und Kollegen nahege- bracht hat: Prof. Lanz, Herisau/

Sankt Gallen, Dr. Salfinger, Basel, sowie Oberleutnant Dipl.-Ing. Her- sche, Chef der Autobahnpolizei des Kantons Zürich, werden dazu mit allgemein aufsehenerregen- den audiovisuellen Mitteln refe- rieren.

Ein EKG-Seminar wird von Prof.

Dr. Klaus Donat, Hamburg, gebo- ten. Ein Sportärztliches Seminar wird während der ersten Kongreß- woche unter der Leitung von Dr.

Eugen Goßner, Augsburg, zusam- men mit Dr. Huyeng, Dr. Brügge- mann und Frau Dr. Brüggemann durchgeführt, begleitet von wis- senschaftlichen Vorträgen. Eben- falls in der ersten Woche wird ein Gastroenterologisches Seminar von Prof. Dr. Klaus Ewe, Mainz, gehalten werden. Das Seminar

„Pharmakotherapie in der Praxis"

wird Prof. Dr. med. Walter Braun, Hamburg-Eppendorf, überneh- men.

Aus Graz kommt Prof. Dr. Wolf- gang Walcher, den wir um ein Psychiatrisches Seminar gebeten haben. Auf großes Interesse wird sicher das Kurzseminar „Rausch- mittelgefahren aus der Sicht der Kriminalpolizei" stoßen, das der Leitende Kriminaldirektor am Lan- deskriminalamt Bremen Dr. jur.

Herbert Schäfer uns bietet.

1712 Heft 27 vom 3. Juli 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

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