Stochastik, Sommersemester 2014 Prof. Dr. I. Veselić Dr. M. Tautenhahn, Dr. C. Schumacher Übungsblatt 3
Aufgabe 1. Sei (Ω, A, P ) ein Wahrscheinlichkeitsraum und T : Ω → Ω eine messbare Abbildung. Man nennt T eine maßerhaltende Transformation in dem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, A, P ), falls für alle A ∈ A gilt P (T
−1(A)) = P (A).
Sei T eine maßerhaltende Transformation in dem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, A, P ) und A ∈ A. Zeigen Sie, dass P -fast alle ω ∈ A rekurrent sind, das heißt, für P -fast alle ω ∈ A existiert ein n ∈ N , so dass T
n(ω) ∈ A.
Lösung zu Aufgabe 1: (Poincaréscher Wiederkehrsatz) poincare.tex Sei A ∈ A. Die Menge der ω ∈ A, die nicht rekurrent sind, ist
N :=
∞
\
n=1
A \ T
−n(A) = A \
∞
[
n=1
T
−n(A).
Nach Konstruktion ist für alle n ∈ N
N ∩ T
−n(N ) ⊆ N ∩ T
−n(A) = ∅.
Nun gilt aber für alle m, n ∈ N mit m < n
T
−m(N ) ∩ T
−n(N ) = T
−m(N ∩ T
m−n(N )) = T
−m(∅) = ∅.
Also sind die Urbilder von N unter T disjunkt. Es folgt P
[
∞n=0
T
−n(N) =
∞
X
n=0
P (T
−n(N )) =
∞
X
n=0
P (N ), und weil P ein Wahrscheinlichkeitsmaß ist, muss P (N ) = 0 gelten.
Aufgabe 2. Für i ∈ N sei Ω
iabzählbar und Ω = Qi∈
N
Ω
i. Sei X
i: Ω → Ω
i, X
i: (ω) = ω
idie Projektion auf die i-te Koordinate. Sei
G := {Z(a
1, . . . , a
n) | n ≥ 1, a
i∈ Ω
i} ∪ {∅}
und
Z(a
1, . . . , a
n) := {ω ∈ Ω | X
1= a
1, . . . , X
n= a
n}.
Zeigen Sie, dass G ist durchschnittsstabil ist und die Produkt-σ-Algebra Ni∈NP (Ω
i) erzeugt.
Lösung zu Aufgabe 2: (Produkt-σ-Algebra ∩-stabil erzeugen) produktsigma.tex Das Mengensystem G ist durchschnittsstabil: Wir zeigen A ∩ B ∈ G für A, B ∈ G. Ist eine der beiden Mengen leer, so ist die Aussage klar. Seien also A = Z (a
1, . . . , a
n) und B = Z (b
1, . . . , b
k), o. B. d. A.
sei n ≤ k. Dann ist
A ∩ B =
( ∅, falls ∃ i ∈ {1, . . . , n} : ai6= b
i, Z (b
1, . . . , b
k) , falls a
i = b
i∀ i ∈ {1, . . . , n} , also ist G durchschnittsstabil.
Sei H := n X
i−1(A
i) : i ∈ N , A
i∈ P (Ω
i) o ⊆ P(Ω). Zu zeigen:
σ (G) = O
i∈N
P (Ω
i) := σ (H)
Beweis. Sei G ∈ G. Ist G = ∅, so ist offenbar G in der σ-Algebra Ni∈NP (Ω
i) enthalten. Sei also G = Z (a
1, . . . , a
n). Dann ist nach Definition
G = Z (a
1, . . . , a
n) =
n
\
i=1
{X
i= a
i} =
n
\
i=1
X
i−1({a
i}) , also G ⊂ σ (H), mithin σ (G) ⊂ σ (σ (H)) = σ (H).
Sei umgekehrt H := X
i−1(A
i) ∈ H mit einem i ∈ N und einem A
i⊂ Ω
i. Nun gilt H = X
i−1(A
i) = [
(a1,...,ai−1)∈Ω1×...×Ωi−1
[
ai∈Ai
Z (a
1, . . . , a
i) , also H ⊂ σ (G), mithin σ (H) ⊂ σ (σ (G)) = σ (G).
Aufgabe 3. Wir betrachten eine Zufallsvariable U : (Ω, A, P ) → (0, 1), die uniform verteilt auf (0, 1) ist. Für jedes ω ∈ Ω definieren wir
X(ω) := − 1
λ ln(1 − U (ω)).
(a) Zeigen Sie, dass X eine Zufallsvariable ist.
(b) Bestimmen Sie die Verteilung von X.
Lösung zu Aufgabe 3: (Quantiltransformation) quantil.tex (a) Die Funktion (0, 1) 3 x 7→ −
λ1ln(1 − x) ist stetig, also messbar. Die Verkettung mit U bleibt
messbar.
(b) Die Verteilungsfunktion ist
F
X(c) = P (X ≤ c) = P (U ≤ 1 − e
−λc) = 1 − e
−λc. Also ist X exponentialverteilt mit Parameter λ.
Aufgabe 4. Sei (Ω, A, P ) ein Wahrscheinlichkeitsraum und X : Ω → ([0, ∞], B([0, ∞])) eine Zufallsva- riable. Zeigen Sie:
(a) Die Abbildung φ : Ω × R → R
φ(ω, t) =
( 1 falls X(ω) > t, 0 sonst
ist A ⊗ B( R ) − B( R )-messbar.
(b) Die Abbildung F : R → [0, 1], F (t) = P (X > t) ist B( R ) − B([0, 1])-messbar.
(c) Zeigen Sie
E {X} :=
Z
Ω
X(ω) d P (ω) = Z ∞
0
P (X > t) dt = Z ∞
0
(1 − F
X(t)) dt.
Lösung zu Aufgabe 4: (Layer Cake) layercake.tex
Weil X nichtnegativ ist, lässt sich X als Grenzwert einer monoton wachsenden Folge (ψ
n)
n∈N
von messbaren Treppenfunktionen darstellen.
2
(a) Die Funktion φ nimmt nur die Werte 0 und 1 an. Es genügt, die Messbarkeit von φ
−1({1}) zu zeigen:
Sei B ∈ B ( R ). Für 0, 1 ∈ B ist φ
−1(B) = Ω × R messbar, ebenso für 0, 1 ∈ / B, woraus φ
−1(B) = ∅ folgt. Für 1 ∈ B, 0 ∈ / B ist φ
−1(B ) = φ
−1({1}), und für 0 ∈ B, 1 ∈ / B ist φ
−1(B ) = φ
−1({1})
{, dessen Messbarkeit aus der Messbarkeit von φ
−1({1}) folgt.
Es ist
φ
−1({1}) = n (ω, t) ∈ Ω × R : X (ω) > t o = n (ω, t) ∈ Ω × R : ∃ n ∈ N : ψ
n(ω) > t o
= [
n∈N
n (ω, t) ∈ Ω × R : ψn(ω) > t o ,
und da ψ
nnur endlich viele Funktionswerte y
1, . . . , y
mannimmt, ist φ
−1({1}) = [
n∈N m
[
k=1
ψ
n−1({y
k}) × [−∞, y
k) messbar.
(b) Die Funktion ¯ F ist monoton fallend, und die Messbarkeit folgt sofort aus der Aufgabe 2 der 7.
Hausaufgabe.
(c) Für die zweite Gleichheit bemerken wir, dass {X > t} = {X ≤ t}
{ist und daher P ({X > t}) = 1 − P ({X ≤ t}) = 1 − F
X(t)
gilt. Die erste Gleichheit zeigen wir mit maßtheoretischer Induktion.
1. Fall. Wir betrachten zunächst eine Funktion X, die nur endlich viele Werte 0 = c
0< c
1< . . . <
c
nannimmt. Dann lässt sich X als
X = c
1· 1
{X≥c1}+ (c
2− c
1) · 1
{X≥c2}+ . . . + (c
n− c
n−1) · 1
{X≥cn}=
n
X
k=1
(c
k− c
k−1) · 1
{X≥ck}darstellen. Demzufolge gilt Z
Ω
X (ω) d P (ω) =
n
X
k=1
(c
k− c
k−1) P ({X ≥ c
k}) , aber andererseits auch
Z
∞0
P ({X > t}) dt = Z ∞
cn
P ({X > t}) dt
| {z }
=0
+
n
X
k=1
Z
ckck−1
P ({X ≥ t}) dt
=
n
X
k=1
Z
ckck−1
P (X ≥ c
k) dt =
n
X
k=1
(c
k− c
k−1) · P ({X ≥ c
k}) was die gewünschte Gleichheit beweist.
2. Fall. Wir betrachten nun eine allgemeine messbare Funktion X : Ω → [0, ∞].
Z
Ω
X (ω) d P (ω) = Z
Ω
lim
n→∞
ψ
n(ω) d P (ω)
Beppo Levi
= lim
n→∞
Z
Ω
ψ
n(ω) d P (ω)
1. Fall
= lim
n→∞
Z
∞0
P ({ψ
n> t}) dt
Beppo Levi
=
Z
∞ 0n→∞
lim P ({ψ
n> t}) dt
Stetigkeit von unten
=
Z
∞0
P ({X > t}) dt.
3
Für die letzte Gleichheit muss noch die Beziehung Sn∈
N
{ψ
n> t} = {X > t} bewiesen werden. Sei dazu ω ∈ Ω. Existiert nun ein n ∈ N mit ψ
n(ω) > t (d. h. ω gehört zur linken Menge), so ist sicher X (ω) ≥ ψ
n(ω) > t, denn die Folge (ψ
n)
n∈N
konvergiert punktweise monoton wachsend gegen X, d. h. ω gehört zur rechten Menge.
Ist umgekehrt X (ω) > t, d. h. ω gehört zur rechten Menge, so muss es wegen der monotonen Konvergenz der Folge (ψ
n)
n∈N