Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 17⏐⏐24. April 2009 A823
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BUNDESWEHR
Die Koalition plant ein Traumazentrum für Soldaten (DÄ 9/
2009: „Posttraumati- sche Belastungs- störungen: Mehr Hil- fe für traumatisierte Soldaten“).
Ein Anfang
Die Einrichtung eines Traumazen- trums für Soldaten ist angesichts der hohen Prävalenz der PTBS nach den Militäroperationen im Irak und in Afghanistan ein wichtiger erster Schritt zur Entstigmatisierung psy- chischer beziehungsweise psycho- somatischer Erkrankungen dieser Berufsgruppe. Aber das ist noch lange nicht ausreichend! Denn ne- ben der PTBS muss man auch die somatoformen Spektrumstörungen bedenken, die oftmals einfach
„übersehen“ werden. So ergab eine aktuelle Studie an aus dem Irak eva- kuierten Soldaten des US-Militär- krankenhauses Landstuhl eine über- raschend niedrige Rate von unter drei Prozent für die benannte Störungsgruppe, die sich der Autor nur durch ein hohes Maß an Stigma- tisierung erklären kann. Doch war- um müssen die betroffenen Soldaten gegen die von uns gesetzten „Wund- male“ ankämpfen, anstatt im Sinne der modernen EbM endlich adäquat erkannt und behandelt zu werden?
Wie auch bei anderen psychischen beziehungsweise psychosomati- schen Störungen müssen hier insbe- sondere Ärzte, Wissenschaftler und natürlich – wie nun geschehen – die Parteien ihre Augen öffnen und durch Aufklärungskampagnen und neue Präventionskonzepte und For- schungsförderung den Kampf gegen
die Stigmatisierung der erkrankten Soldaten und Soldatinnen eröffnen.
Das geplante Zentrum ist sicher ein hoffnungsvoller Anfang, aber die große „Schlacht“ gegen einen über- starken Gegner – mangelhafte ge- sellschaftliche Akzeptanz psychi- scher und psychosomatischer Stö- rungen in Deutschland – hat gerade erst begonnen.
Literatur bei den Verfassern Dipl.-Psych. Annika Simon, Prof. Dr. med. Gerhard Schmid-Ott, Abteilung Psychosomatik der Berolina Klinik Löhne/Bad Oeynhausen, Bültestraße 21, 32584 Löhne
WEITERBILDUNG
Weiterbilder und As- sistenten sollen künftig regelmäßig befragt werden (DÄ 6/2009: „Situation der Weiterbildung in Deutschland: Erken- nen, wo der Schuh drückt“ von Birgit Hib- beler und Heike Korzilius).
Unmut
In Bezugnahme auf den oben ge- nannten Artikel möchte ich hiermit deutlich meinen Unmut zum Aus- druck bringen. Ich bin Assistenzarzt in Weiterbildung für Innere Medizin im fünften Weiterbildungsjahr und habe mittlerweile das vierte Mal meine Weiterbildungsstätte aufgrund der schlechten Arbeitssituation und insbesondere aufgrund der jeweils fehlenden Weiterbildung gewechselt.
Ich habe mich in allen Weiterbil- dungsstätten immer wieder bemüht, auf diesen Missstand aufmerksam zu machen und eine Weiterbildung zu erlangen, dies ist mir bis zum heuti- gen Tage weitestgehend versagt ge- blieben. Aufgrund der personellen
Situation, des Kostendrucks der Krankenhäuser, des zunehmenden Arbeitsaufwandes durch immer älte- re und kränkere Patienten in der In- neren Medizin, durch höhere Patien- tenzahlen und durch weiter zuneh- menden bürokratischen Aufwand, verblieb es bisher immer bei dem Versprechen, dass, sobald sich die Arbeitssituation entspannen würde, über eine Weiterbildung wieder dis- kutiert werden könne. Es fehlen: An- leitungen in allen Bereichen, eine Rotation in die verschiedenen Abtei- lungen, Möglichkeiten des fachli- chen Austausches, Anleitung zu so- nografischen oder endoskopischen Untersuchungen, ausreichende An- leitung zu intensivmedizinischen Abläufen und Erkrankungen. Fakt ist, dass die geforderten Inhalte der Wei- terbildung für den Internisten/die In- ternistin nicht vermittelt, sondern le- diglich am Ende bescheinigt werden.
Wir Assistenten verwenden fast aus- schließlich unsere Weiterbildungs- zeit mit der Versorgung der Patienten auf den Stationen und der Anferti- gung von Arztbriefen, dem Codieren der Erkrankungen, dem Anlegen von Qualitätsbögen etc. Wie lange wol- len die Verantwortlichen für diese Si- tuation noch die Augen vor dieser katastrophalen Situation verschlie- ßen? Sind die Abwanderungszahlen der Absolventen und Assistenten ins Ausland oder nicht medizinische Be- reiche nicht ein ausreichender Be- weis für den Missstand in Deutsch- land? Ganze Medizinergenerationen werden seit vielen Jahren flächen- deckend nicht mehr nach Vorgaben der Weiterbildungsordnung ausgebil- det, Ausbildungsinhalte werden kon- sequent nicht mehr vermittelt . . . Warum nehmen es die Landesärzte- kammern seit Jahren hin, dass da- durch systematisch eine zunehmende
Beiträge im Deutschen Ärzteblatt sollen zur Diskussion anregen. Deshalb freut sich die Redaktion über jeden Leserbrief. Wir müssen aus der Vielzahl der Zuschriften aber auswählen und uns Kürzungen vorbehalten. Leserbriefe geben die Meinung des Autors, nicht die der Redaktion wieder. E-Mails richten Sie bitte an leserbriefe@aerzteblatt.de, Briefe an das Deutsche Ärzteblatt, Ottostraße 12, 50859 Köln.
Das Leser-Forum
A824 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 17⏐⏐24. April 2009
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Inkompetenz in der nachkommenden Facharztgeneration entsteht? . . .
Dr. med. Sascha Lammertz,Takustraße 39 D, 50825 Köln
Erstaunlich
Für mich ist es erstaunlich, dass die Ärztekammern erst heute auf die Idee kommen, die Weiterzubilden- den zu fragen, wie es um die Weiter- bildung in Deutschland steht. Gerade wo die Ausbildung immer mehr aus den Kliniken in „Akademien“ gegen Bezahlung ausgelagert wird, ist es umso erstaunlicher, dass man Ergeb- nisse nicht veröffentlicht. Motto: Wir fragen die Weiterbilder, ob sie die entsprechende Leistung erbringen, ohne die tatsächliche Überprüfung zu gewährleisten, und sagen es de- nen, die es per se angeht am besten gar nicht . . .
Dr. med. Christian Maier,Hauptstraße 28, CH-4127 Birsfelden
Nichts Neues
Es ist begrüßenswert, dass Umfragen zur Qualität der Weiterbildung nun auch in Deutschland erfolgen . . . Wesentlich erscheint uns darauf hin- zuweisen, dass hiermit eine Be- standsaufnahme von bereits Bekann- tem erfolgt, notwendige Maßnahmen somit noch immer nicht ergriffen werden. Auch das Thema ist nicht neu. Bereits 2006 haben Siebolds et al. – einen Schritt weitergehend – im DÄ 42/2006 auf notwendige Maß- nahmen hingewiesen . . . Es steht zu befürchten, dass die bereits ent- wickelten strukturierten Weiterbil- dungsprogramme bis zu ihrem Ein- satz noch warten müssen, da die Evaluationsphase der Landesärzte- kammern und die aus den Ergebnis- sen abgeleiteten Maßnahmenkatalo- ge – wenn es überhaupt so weit kom- men wird – vermutlich noch einen längeren Zeitraum in Anspruch neh- men werden. Während in Deutsch- land also gerade erst mit Evaluatio- nen zur Qualität ärztlicher Weiterbil- dung begonnen wird, ist man im ang- loamerikanischen Sprachraum be- reits seit Langem einen Schritt weiter und kann auf in praxi angewendete Maßnahmenkataloge zur operationa- lisierten ärztlichen Weiterbildung
zurückblicken. Dabei wurde die Grundlage für ähnliche Maßnahmen bereits durch den inhaltlich neu kon- zipierten § 8 der landesspezifischen Weiterbildungsordnungen, der auf Transparenz und Darlegungsfähig- keit in der Weiterbildung abhebt, in Deutschland längst geschaffen.
Priv.-Doz. Dr. med. André-Michael Beer,M. Sc., Lehrbereich Naturheilkunde und Gesundheits- prävention, Ruhr-Universität Bochum, Universitätsstraße 150, 44801 Bochum Dr. med. Paul Kiwitt,M.Sc., Neurologische Klinik, Evangelisches und Johanniter Klinikum Niederrhein gGmbH, Fahrner Straße 133, 47169 Duisburg
Ziel bisher verfehlt
Ziel der initialen Umfrage zur Wei- terbildungsqualität in Hamburg und Bremen, die übrigens von Mitglie- dern der Hamburger Ärzteopposition initiiert und vom Arbeitskreis „Junge Ärzte“ der Ärztekammer Hamburg mitkonzipiert wurde, war Folgendes:
Die Weiterbildungsassistenten sollten die Möglichkeit haben, sub-/
objektiv anonymisiert Stärken wie Schwächen ihrer Abteilung zu be- nennen und der Öffentlichkeit zu- gänglich zu machen. Um damit künf- tigen Bewerbern Anhaltspunkte für ihre Bewerbungspriorität zu geben:
Team-Spirit, Arbeitsatmosphäre, Umgang miteinander, Lernmöglich- keiten, Vereinbarkeit von Beruf und Familie etc. – Soft Marker vielleicht, aber die, die über persönliche wie berufliche Zufriedenheit entschei- den. Denn dass der Arztberuf zeit- aufwendig ist und überbürokratisiert, ist hinlänglich bekannt.
Die Weiterbildungsberechtigten sollten regelmäßig ein sub-/objekti- ves Bild ihrer Führungsqualität und der Zufriedenheit der in ihrer Abtei- lung arbeitenden Weiterbildungs- assistenten erhalten. Zudem sollte ih- nen mit dem für sie erstellten Frage- bogen die Möglichkeit gegeben wer- den, Stärken ihrer Abteilung darzu- stellen sowie Personalknappheit, Un- zulänglichkeiten der Ausstattung, der Unterstützung durch Klinikträger etc. zu benennen und den Ärztekam- mern damit Daten zur Diskussion mit den Klinikträgern zu geben.
Die Ärztekammern sollten durch ein relativ einfaches Instrument die Möglichkeit haben, ihrer Verpflich- tung zur Überprüfung der Eignung
von Weiterbildungsstätten wie -be- fugten nachzukommen und bei rele- vanten Verstößen gegen die Berufs- oder Weiterbildungsordnung entspre- chende Maßnahmen zu ergreifen.
Stattdessen:
–keine Öffentlichkeit
–keine Verpflichtung zur Teilnahme –keine Visitationen in Zweifelsfäl- len.
Da ist es nicht verwunderlich, wenn nur 20 bis 30 Prozent aller Assisten- ten teilnehmen. Thema top, Ziel bis- her verfehlt: schade.
Dr. Lars Schomann,Asklepios Klinikum Nord/Heid- berg, Kinderklinik, Tangstedter Landstraße 400, 22417 Hamburg
Schwachstellen
Ich freue mich, dass eine Evaluation ähnlich der der FMH auch in Deutschland stattfinden soll. Eine Evaluation mit öffentlich zugängli- chen Resultaten ist für Arbeitssu- chende sicher wünschenswert, um die künftige Stelle etwas einschätzen zu können. Trotz allem darf man sich nicht zu sehr darauf verlassen. Die Evaluation der FMH hat nämlich auch Schwachstellen. So wird bei der Durchführung zwar offiziell die Ano- nymität gewährleistet. Aber einige Chefs sammeln die Bögen ihrer Assis- tenten wieder ein, sehen sie durch und besprechen sie anschließend mit ihren Assistenten, offiziell, um ein Feedback zu bekommen. Da der Chef seine Assistenten kennt und in der Regel weiß, wer was wann machen will und wer was gut oder schlecht findet, kann er Rückschlüsse auf die Person ziehen (besonders, wenn nur wenige Assistenten angestellt sind), und somit ist die freie Meinungs- äußerung auch schon wieder be- grenzt. Außerdem sind offensichtlich die Fragen nicht so präzise gestellt, dass sie von Chef und Assistent gleich interpretiert werden . . . Gene- rell halte ich die Evaluation für eine vernünftige Möglichkeit, die Weiter- bildung zu überprüfen und auch zu verbessern. Nur müssen dabei die Rahmenbedingungen, welche die FMH beziehungsweise die Lan- desärztekammer setzt, auch realisiert werden . . . Ich bin übrigens einer der 36 Prozent chirurgischer Assistenz- ärzte in der Deutschschweiz mit deut-