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Archiv "Gesetzliche Krankenversicherung: Streit über die Grenzen der Solidarität" (19.09.1997)

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er vorläufige Finanzbericht der Gesetzlichen Kranken- versicherung (GKV) über das erste Halbjahr 1997 of- fenbart das ganze Dilemma: Nichts geht mehr, solange der Arbeitsmarkt weiter vor sich hinsiecht. Die Sozial- versicherung, allen voran die Kran- kenversicherung, steckt in einer fata- len Klemme.Trotz sinkender Ausga- ben sind die Kassen wieder in eine finanzielle Schieflage geraten – im Osten noch weit mehr als im Westen.

Bei der Bewertung des jüngsten GKV-Defizits bemühte sich der Bundesgesundheitsminister zwar um eine differenzierte Betrachtung der Finanzentwicklung, am Ernst der Lage ändert das jedoch nichts.

Seehofer verwies auf das noch höhe- re Defizit vor Jahresfrist (7,3 Milli- arden DM) und leitete daraus die Folgerung ab: Im Gesundheitswesen wird gespart!

Die nackten Zahlen stützen die Argumentation des Ministers. Erst- mals seit der Einführung einer ge- samtdeutschen Krankenversiche- rungs-Statistik sind die Leistungs- ausgaben gesunken, insgesamt um ein Prozent. Fast in allen Leistungs- bereichen gab es Einsparungen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Auch der Hinweis darauf, daß die dritte Stufe der Gesundheitsre- form – seit dem 1. Juli in Kraft – ihre Wirkung erst im zweiten Halbjahr 1997 entfalten kann, ist richtig. Die höheren Zuzahlungen werden rund fünf Milliarden DM an Mehreinnah- men bringen, womit das bisherige Defizit (in den alten Bundesländern)

möglicherweise ausgeglichen wer- den kann. Es sollte zumindest nicht mit derselben Dynamik steigen.

Abgetan ist die Sache damit nicht, denn die Ost-Krankenkassen sind in akuter Not. Viele halten sich derzeit (gesetzeswidrig) mit Kredi- ten über Wasser. Das neuerliche De- fizit zwingt die Kassen in den neuen Ländern nach Ansicht von Dr. Hans Jürgen Ahrens, Vorstandsvorsitzen- der des AOK-Bundesverbandes, zu einer Beitragssatzanhebung von durchschnittlich 0,5 Prozentpunkten – mit allen negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft in Ostdeutschland.

Zusätzlicher

Milliardentransfer?

Ahrens sieht dazu nur eine Al- ternative: die Einrichtung eines Soli- darfonds in den alten Bundeslän- dern, in den 0,1 Prozent der Grund- lohnsumme im Westen einfließen soll. Ein weiterer Milliardentransfer von West nach Ost also. Letztlich könnte es sich dabei jedoch nur um jene Milliarden handeln, die die Krankenkassen im Westen selbst dringend brauchen, um eigene Bei- tragssatzanhebungen verhindern zu können. Die Reaktion der „West- Kassen“ fiel entsprechend aus: keine weiteren Subventionen für die ost- deutschen Kassen!

Anders sieht das der FDP-Ge- sundheitspolitiker Dr. Dieter Tho- mae. Er plädiert für einen vorgezo- genen gesamtdeutschen Kassenaus- gleich. Bislang wird der Risikostruk-

turausgleich für die alten und neuen Bundesländer getrennt voneinander gehandhabt. Auch damit wollen sich die Kassen in den alten Ländern nicht anfreunden. Statt dessen schlug Herbert Rebscher, Vor- standsvorsitzender der Ersatzkas- sen-Verbände, einen kassenartenin- ternen Finanzausgleich vor.

Mit ungewöhnlich deutlichen Worten kommentierte die bayeri- sche Gesundheitsministerin, Barba- ra Stamm, die Forderungen nach ei- nem erneuten West-Ost-Transfer.

Weitere Belastungen werde sie den bayerischen Versicherten nicht zu- muten. „Da ist mit mir nichts zu ma- chen“, sagte sie gegenüber der Süd- deutschen Zeitung.

Die Ost-Kassen werden sich wohl selbst helfen müssen. Aber wie? Horst Seehofer will dazu noch nichts sagen. Er kündigte lediglich ein Gespräch mit „allen Beteiligten“

für die nächsten Wochen an. Unter- dessen ist in Bonn der Streit über den richtigen Weg in der Gesund- heitspolitik wieder aufgeflammt.

Klaus Kirschner, gesundheitspoliti- scher Sprecher der SPD-Bundes- tagsfraktion, sieht in der GKV-Halb- jahresbilanz einen Beleg für die

„völlig verfehlte Gesundheitspolitik Seehofers“. Sein Rezept gegen die defizitäre Entwicklung: die Rück- kehr zur strikten Budgetierung der Leistungsausgaben.

Bündnis 90/Die Grünen mach- ten Seehofer sogar als „Westpoliti- ker“ aus, der „nie die Besonderhei- ten Ostdeutschlands mitbedacht“

habe. Josef Maus

A-2381

P O L I T I K LEITARTIKEL

Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 38, 19. September 1997 (17)

Gesetzliche Krankenversicherung

Streit über die Grenzen der Solidarität

Im Gesundheitswesen wird gespart, doch es reicht nicht.

Auch im ersten Halbjahr 1997 weisen die gesetzlichen Kran- kenkassen wieder ein Defizit von insgesamt rund vier Milli- arden DM aus – 2,8 Milliarden im Westen und etwa 1,1 Mil-

liarden im Osten. Vor allem in den neuen Bundesländern ist

die finanzielle Lage der Kassen dramatisch. Forderungen

nach Finanzhilfen aus dem Westen haben eine heftige

Diskussion über die Grenzen des Solidarausgleichs entfacht.

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