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Archiv "Gesundheitsreform: „Die SPD hat ein klares Konzept“" (20.10.1995)

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W

ieder baut sich ein be-

d~ohlicher Kostenschub in der Krankenversicherung auf. Dies ist zum erhebli- chen Teil die Folge des fehlenden Willens des Bundesgesundheitsmini- sters und der Koalition, die zwischen CDU/CSU, FDP und SPD mit dem Gesundheitsstrukturgesetz ( GSG) 1993 eingeleitete Reform des Ge- sundheitswesens entschlossen umzu- setzen.

Umsetzungsdefizite

Ohne Not nämlich- daran ist zu erinnern- ist der Bundesgesundheits- minister unmittelbar nach Irrkrafttre- ten des GSG vorgeprescht und hat ei- ne weitere Gesundheitsreform an- gekündigt, ohne abzuwarten, ob sich das GSG bewährt

oder ob und wo sich gegebenenfalls ein konkreter Handlungsbedarf entwickelt. Die

,. ... ,

DER KOMMENTAR

fehlenden Datenträgeraustausches nicht hergestellt ist. Es fehlen damit die notwendigen objektiven Kenn- zahlen, auf deren Grundlage gesund- heitspolitische, volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Entschei- dungen getroffen werden können.

Ein aktuelles Beispiel hierfür ist die zur Zeit laufende Diskussion um die drohende Arznei- und Heilmittelbud- getüberschreitung.

Nach wie vor gelten für uns die Grundprinzipien der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV): Solida- ritäts-, Sachleistungs- und Selbstver- waltungsprinzip. Rein marktwirt- schaftliche Überlegungen, die das GSG als erfolgversprechenden Re- formansatz vielfach weitgehend oder

Gesundheitsreform

,,Die SPD

Fehlallokationen müssen vorrangig gelöst werden. Beispiele für unzweck- mäßige, unnötige oder unwirtschaftli- che Gesundheitsleistungen sind:

~ Fehlbelegungen im Kran- kenhaus,

~ unangemessener diagnosti- scher und therapeutischer Aufwand in der ambulanten Versorgung oder

~ das Übermaß an Verordnun- gen von therapeutisch zumindest um- strittenen Arznei-und Heilmitteln.

In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß die einnahmeorien- tierte Kostendämpfungspolitik diese und andere Fehlallokationen nicht nur nicht beseitigt, sondern nicht ein- mal richtig in Angriff nimmt. Die Antwort auf die Beseitigung dieser wirklichen Probleme darf nicht in Lei- stungskürzungen, im Ausbau von Zu- zahlungen oder in der alleinigen

Erweiterung der Finanzierungs- grundlagen beste- hen.

Der weitaus wichtigste Re- Ankündigung sug-

gerierte: "Nehmt alles mal nicht so ernst, es kommt wieder etwas Neu-

hat ein klares Konzept 11

formschritt, der gegangen werden muß, betrifft das Krankenhaus.

es."

Die Folge ist, daß wesentliche Reformteile im GSG bisher nicht oder nur teilweise umgesetzt oder in- haltlich in ihr Gegenteil verkehrt oder gezielt unterlaufen oder gar offen po- litisch beiseite geschoben wurden.

Hierzu zwei konkrete Beispiele:

e

Noch bevor die endgültige Vorschlagsliste zur Positivliste in der Arzneimittelversorgung bekannt ist, erklärt der Bundesgesundheitsmini- ster, daß er sie nicht mehr wolle. Die- se Positivliste jedoch ist ein Hauptbe- standteil des GSG und unverzichtbar, weil von ihr eine höhere Versorgungs- qualität ausgeht.

e

Ein weiteres Beispiel sind die Transparenzregelungen. Nach wie vor wird die gesetzliche Krankenversi- cherung, mit einem Marktvolumen von weit über 230 Milliarden Mark, in zu vielen Bereichen "aus dem Bauch heraus gesteuert", da die dringend notwendige Leistungs- und Kosten- transparenz im Gesundheitswesen wegen des bisher in vielen Bereichen

Klaus Kirschner (SPD)

sogar gänzlich ignorieren und eine Neukonstruktion eines gesundheitli- chen Sicherungssystems propagieren, wie von der FDP gefordert, wird es mit der SPD nicht geben. Die zentra- len Grundprinzipien der GKV beste- hen darin, daß jeder Versicherte einen uneingeschränkten Anspruch auf alle medizinisch für notwendig erachteten Versorgungsleistungen hat. Die Rea- lisierung dieses Anspruchs erfolgt im Rahmen einer solidarischen Finanzie- rung, das heißt unabhängig von der individuellen ökonomischen Lei- stungsfähigkeit des einzelnen, vom je- weiligen Gesundheitszustand, Alter und Geschlecht.

Daneben muß im Vordergrund der Weiterentwickung der GKV die Mobilisierung von Wirtschaftlich- keitsreserven stehen. Die als wirkli- che Probleme der Gesundheitsversor- gung bezeichneten zahlreichen A-2806 (32) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 42, 20. Oktober 1995

Hier steht der endgültige Schritt in Richtung monistischer Finanzie- rung an. Der gordische Knoten muß endlich durchtrennt werden. Gelingt hier kein Durchbruch, dann drohen alle Reformen in den anderen Sekto- ren, die für sich allein betrachtet auch mehr als notwendig sind, zum Sand- kastenspiel mit dem Namen Gesund- heitsreform zu verkommen.

Im einzelnen bedeutet dies:

CD Einführung einer globalen Begrenzung der Krankenkassenaus- gaben,

@ Stärkung der hausärztlichen Versorgung und Förderung koopera- tiver Praxisformen,

® Neugestaltung der zahnärzt- lichen Leistungsstrukturen,

® Flexible Gestaltung der Ar- beitsteilung von Vertragsärzten und Krankenhäusern,

® Weiterentwicklung der Neu- ordnung von Finanzierung und Pla- nung im stationären Bereich,

® Kooperation von Kranken- kassen und Öffentlichem Gesund-

(2)

THEMEN DER ZEIT DER KOMMENTAR/BLICK INS AUSLAND

D

ie medizinische Versorgung in der ehemaligen Sowjetuni- on war flächendeckend ko- stenlos und hatte wohl auch einen höheren Standard als die jetzi- ge Versorgung ukrainischer Patien- ten. Durch die zentrale Verteilung von Medikamenten und medizini- schem Gerät in der ehemaligen So- wjetunion war für ein gewisses konti- nuierliches Versorgungsniveau ge- sorgt. Seit dem Zusammenbruch der UdSSR sind auch die ukrainischen Krankenhäuser auf Eigeninitiative und Improvisation in der Beschaf- fung von Medikamenten und medizi- nischem Gerät angewiesen. Das ver- leitet Ärzte und Patienten mitunter dazu, zu unkonventionellen Mitteln zu greifen. Zudem lassen sich einige Krankenhausärzte in Privatpraxen nieder und nehmen Devisen für die Behandlung von Patienten. In öf- fentlichen ukrainischen Kranken- häusern ist die medizinische Versor- gung der Patienten zwar noch ko- stenlos, jedoch wird an die Ein- führung eines Versicherungssystems gedacht.

Mangels Medikamenten, geeig- neter Infusionslösungen sowie ad- äquaten OP-Materials müssen die Ärzte des Onkologischen Regional- krankenhauses Sumy regelmäßig Pa-

tienten zurückweisen. Einem verzwei- felten Kopfschütteln folgt nicht selten der Hinweis auf den Schwarzmarkt.

Die Krankenhausärzte von Sumy er- leben somit die drastischen Folgen des politischen Wandels auf dem Ge- sundheitssektor hautnah.

Patientenzimmer

chronisch überbelegt

Anders als in Deutschland sah das Gesundheitssystem der ehemali- gen Sowjetunion spezialisierte Klini- ken für die Versorgung der Patienten vor. Das Onkologische Regionalkran- kenhaus Sumy, mit einem Einzugsbe- reich von 1,4 Millionen Einwohnern, entstand nach Angaben des Oberarz- tes Dr. Nicolai Solodtschenko in den dreißiger Jahren. Bei Tumorverdacht werden die Patienten von niederge- lassenen Ärzten und Distriktkranken- häusern in diese Fachklinik überwie- sen. Anfangs für 110 Patienten konzi- piert, verfügt sie jetzt über 360 Betten.

Trotz einiger provisorischer Anbau- ten resultiert daraus ein chronischer Platzmangel. Patientenzimmer sind überbelegt, auf eine Unterbringung von Männern und Frauen in getrenn- ten Zimmern kann keine Rücksicht genommen werden.

heitsdienst in der Gesundheitsförde- rung,

0 Korrektur der Zuzahlungsre- gelungen.

Die Verwirklichung dieses Kon- zepts führt das GSG fort und ergänzt es sinnvoll und schlüssig.

So wird mit der globalen Budge- tierung der Krankenkassenausgaben deren weiteres Wachstum an das Wachstum des Bruttoinlandprodukts gekoppelt. Krankenkassen und Lei- stungserbringer erhalten freie Hand, das Globalbudget auf dem Vertrags- wege flexibel auszugestalten und des- sen Zuordnung auf die einzelnen Ver- sorgungsbereiche selbst zu regeln.

Übergangsweise wird zur Verhinde- rung unverantwortlicher Ausgaben- schübe im nächsten Jahr die Ende des Jahres auslaufende sektorale Budge- tierung befristet verlängert.

Mit der Förderung kooperativer Praxisformen wird die ambulante Ver- sorgung umorientiert. Die Hausärzte rücken in eine Schlüsselrolle. Sie erhal- ten für den Patienten „Lotsenfunkti- on" und begleiten ihn durch das kom- plexe Versorgungssystem. Dies drückt sich in einer eigenen Gebührenord- nung für Hausärzte und der Festlegung von Leistungen aus, die nur von Hausärzten abgerechnet werden kön- nen. Hausärzte erhalten zukünftig ein eigenes Mandat für Vergütungsver- handlungen mit den Krankenkassen.

Die Krankenhausfinanzierung wird schrittweise auf eine einheitliche Finanzierung über die Pflegesätze umgestellt (monistische Finanzie- rung). Der hierfür notwendige Über- gangszeitraum — etwa 10 Jahre — wird so festgelegt, daß diese Umstellung nicht zu Beitragssatzerhöhungen führt. In dieser Zeit bleibt die Letzt- verantwortung für die Krankenhaus- planung bei den Ländern. Für die Zeit danach strebt die SPD eine Re- gelung an, nach der die Länder im Einvernehmen mit den Krankenkas- sen einen Rahmenplan erstellen.

Das SPD-Konzept orientiert sich daran, daß die Versorgung der Pati- enten auf der jeweils effizientesten Stufe unseres Gesundheitssystems er- folgt.

Anschrift des Verfassers:

Klaus Kirschner MdB 53113 Bonn, Bundeshaus

Onkologisches Regionalkrankenhaus Sumy/Ukraine

Erschwerte Arbeit

nach politischem Wandel

Axel Wiest unc Gerhard von Kaick

Am 6. August 1994 brachen sieben junge Studenten aus Freiburg, Heidel- berg und der Schweiz mit vier Kleintransportern über Berlin in Richtung Sumy auf, um den Ärzten eines Onkologischen Regionalkrankenhauses in Sumy Medikamente im Wert von 1,5 Millionen DM zu übergeben. Die Hil- fe wurde von der Abteilung Onkologische Diagnostik und Therapie des Deutschen Krebsforschungszentrums organisiert. In der Ukraine, in der die gesundheitliche Versorgung zu Zeiten der ehemaligen Sowjetunion relativ gesichert war, hat sich die Situation nach dem politischen Wandel spürbar verschlechtert, wie sich auch am Beispiel des Regionalkrankenhauses zeigt.

A-2808 (34) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 42, 20. Oktober 1995

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