• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Gesundheitsreform: Leistungseinschnitte drohen" (09.07.1999)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Gesundheitsreform: Leistungseinschnitte drohen" (09.07.1999)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

ngeachtet beschwichtigender Erklärungen seitens der Bun- desregierung und einer Sta- fette von Happenings und Öffent- lichkeitsaktionen mit Bundesge- sundheitsministerin Andrea Fischer bleiben die meisten Spitzenverbände und Körperschaften der Leistungser- bringer, so die der Ärzteschaft und der Krankenhausträger, bei ihrer substantiierten Kritik bis hin zur to- talen Ablehnung des Gesetzent- wurfs zur Gesundheitsreform 2000.

Für die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) gibt es so lange nichts kon- struktiv zur Verwirklichung der Re- form beizutragen, wie die zentralen Anliegen der Gesetzesinitiative – Stabilisierung der Beitragssätze, Ab- bau der Überkapazitäten, engere Verzahnung von ambulantem und stationärem Sektor und erweiterte institutionelle Öffnung der Kranken- häuser – ausschließlich zu Lasten de- rer durchgesetzt werden, die die ei- gentlichen Leistungsträger sind. Die Bundesregierung setzt vielmehr er- neut einseitig auf Kostendämpfung, Intervention und Überregulierung.

Die Verhandlungs- und Machtge- wichte werden zugunsten der Kran- kenkassen und deren Verbände ver- schoben, ohne dabei die voraussehba- ren negativen Konsequenzen für die Versorgung der Krankenversicherten zu bedenken und ohne eine solide Finanzierungsrechnung in nachvoll- ziehbarer Form zu präsentieren.

Bezeichnenderweise halten auch die Spitzenverbände der Ge- setzlichen Krankenversicherung die Finanzierungsrechnung für nicht stimmig. Ihre Mitwirkungs- und

Strukturgestaltungsbefugnisse wer- den noch als zu gering bezeichnet, um eine Ausgabendrosselung zu er- reichen und langfristig wirkende strukturelle Maßnahmen einzulei- ten. Die Krankenkassen befürchten große Gefahren für die Einhaltung der Beitragssatzstabilität durch die stufenweise Umstellung der dualisti- schen Krankenhausfinanzierung auf Monistik (bis 2008), falls nicht gleich- zeitig eine gesetzlich wirksame be- darfsgerechte Kapazitätssteuerung (Abbau von Klinikkapazitäten und Personal – bis zu 30 000 Stellen) für die Krankenhäuser sichergestellt ist.

Auf dem Weg in die Mehrklassen-Medizin

Im folgenden zusammenfassend die Argumentationslinie der ärzt- lichen Spitzenorganisationen: Der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ebenso wie der Bundesärztekammer und ihren Gliederungen kann es nicht zugemutet werden, an einem Gesetzesvorhaben aktiv mitzuwir- ken, das sie in ihrer eigenen Existenz untergräbt. Eindeutig ist aus dem Entwurf zu erkennen, daß die bishe- rige Funktion der Kassenärztlichen Vereinigungen und der KBV ge- schwächt werden soll. Globalbudget und Einkaufsmodell zugunsten der Krankenkassen würden die Kas- senärztlichen Vereinigungen ent- funktionalisieren und auf eine reine Notariatsfunktion reduzieren. Die Umsetzung des Gesetzesvorhabens führt zu einem bunten Flickentep- pich kassenbezogener Versorgungs- strukturen mit der Möglichkeit von

voneinander abweichenden Versor- gungsbedingungen und einer auf die Kassenzugehörigkeit des Patienten bezogenen Ausdifferenzierung des Umfangs und des Zugangs zur ärzt- lichen Behandlung. Damit wird die flächendeckende, wohnortnahe haus- und fachärztliche Versorgung, wie sie für das deutsche Gesundheits- wesen prägend ist, gefährdet. Solche willkürlichen Gestaltungselemente, die die Durchsetzung von Wettbe- werbsvorteilen der Kassen erleich- tern sollen, lassen eine koordinierte, verantwortliche Sicherstellung der Versorgungsaufgaben nicht mehr gewährleisten. Einer Mehr-Klassen- Medizin wird so Vorschub geleistet.

Der Entwurf richtet sich vor al- lem gegen die fachärztlich tätigen Vertragsärzte. Diese Wirkung ist ge- genüber dem Arbeitspapier in der Kabinettsfassung des Gesetzentwurfs noch verschärft worden. Zwar soll die Position der hausärztlich tätigen Vertragsärzte durch Eingriffe in die Bedarfsplanung, in die Vergütungs- struktur und die Honorarverteilung gestärkt werden. Dies geschieht je- doch nicht unter einer finanziellen Verantwortung der Krankenkassen.

Eine tragende Rolle soll den in ihren Aufgaben weitgehend neu definier- ten Hausärzten zugemessen werden, auch im Bereich der Integrationsver- sorgung, einem Herzstück der rot- grünen Reformabsichten, die darauf abzielen, ebenfalls den Sicherstel- lungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen auszuhöhlen.

Durch die Begünstigung des Krankenhauses durch eine institutio- nelle Öffnung für die Durchführung hochspezialisierter Leistungen in der A-1809

P O L I T I K LEITARTIKEL

Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 27, 9. Juli 1999 (13)

Gesundheitsreform

Leistungseinschnitte drohen

Fast einhellig lehnen die Heilberufe den Gesetzentwurf zur Gesundheitsreform 2000 ab. Sie sehen kaum eine Möglichkeit für Nachbesserungen.

U

(2)

ambulanten Versorgung werden die wirtschaftliche Existenz und Funktion der Fachärzte im ambulanten Sektor bedroht. Dadurch wird nicht nur die Versorgung mit Haus- und Fachärzten im ambulanten Sektor gefährdet, son- dern auch dem Grundsatz widerspro- chen, die medizinische Versorgung in der jeweils kostengünstigsten medizi- nisch indizierten Versorgungsstufe zu fördern. Nach einer Umfrage des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (ZI), Köln, stehen allein in den Arztpraxen rund 100 000 Ar- beitsplätze auf dem Spiel, falls die globalbudgetierten Vorgaben zu Ho- norarkonditionen führen, die die Exi- stenz von Freiberufler-Arztpraxen ge- fährden.

Gegen die

Leistungserbringer

Für die KBV ist es eine Zumu- tung, für die Einhaltung eines aus- schließlich am Kriterium der Bei- tragsstabilität orientierten Global- budgets sorgen zu müssen, obwohl die Verantwortung für die Budgetsteue- rung auf die einzelnen Krankenkas- sen übertragen werden soll.

Wie die sektoralen Budgets außer Kraft gesetzt werden sollen, ist bisher nicht erkennbar. Dabei wurde noch im Oktober 1998 angekündigt, dieser Be- helf werde Ende 1999 suspendiert. Die uneingeschränkt fortgeltenden Arz- nei- und Heilmittelbudgets und die für das Krankenhaus neu eingeführten sektoralen Budgets (ohne die Ausnah- metatbestände) verschärfen die ohne- dies immer schlechter werdende Fi- nanzierungs- und Vergütungssituation zusätzlich. Daß dies mit System gegen die Leistungserbringer durchexerziert werden soll, dafür gibt es im Gesetz- entwurf Indizien: So soll nach § 87 a SGB V der Honorarverteilungsmaß- stab künftig im Einvernehmen mit den Krankenkassen festgelegt wer- den, nicht mehr allein in die Zustän- digkeit und Verantwortung der KVen fallen. Damit das Ganze auf Kassen- systematik getrimmt wird, ist für die vertragsärztliche Selbstverwaltung ei- ne kassenanaloge Organisationsstruk- tur vorgesehen. Damit soll letztlich die ärztliche Selbstverwaltung aufge- löst werden. Dr. Harald Clade A-1810

P O L I T I K LEITARTIKEL/AKTUELL

(14) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 27, 9. Juli 1999

undesgesundheitsministerin Andrea Fischer und Bundes- umweltminister Jürgen Trit- tin haben ein gemeinsames Aktions- programm „Gesundheit und Um- welt“ vorgelegt. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre hätten gezeigt, er- klärten sie in Bonn, daß die komple- xen Fragen an der Schnittstelle der Umwelt- und Gesundheitspolitik ei- nen ganzheitlichen Ansatz erforder- ten. Vorrangiges Ziel ist es, gesund- heitserhaltende Umweltbedingungen zu fördern. Zugleich müsse man mehr über Gesundheitsrisiken informieren, bei denen ein Zusammenhang mit Umweltbelastungen bestehe oder vermutet werde. Betroffene erwarte- ten zu Recht kompetente Hilfe und Beratung.

Das Aktionsprogramm umfaßt Maßnahmen, die die Zusammenhän- ge zwischen Umwelt und Gesundheit aufklären sollen. Die Schwerpunkte:

Die umweltbezogene Gesundheits- beobachtung und -berichterstattung soll verbessert, ein Konzept zur Risi- kobewertung und Risikokommunika- tion entwickelt werden. Überdies pla- nen die Ministerien, die internationa- le Zusammenarbeit auszubauen und ein Informationsnetzwerk „Umwelt und Gesundheit“ zu gründen. Die Umweltmedizin soll weiterentwickelt, die Forschung zu Umwelt und Ge- sundheit gefördert werden. Zugleich sollen umweltbedingte Gesundheits- belastungen, beispielsweise in der Außenluft, verringert werden. Beson- dere Aufmerksamkeit wollen Fischer und Trittin dem Thema Umweltbela- stungen und Kindergesundheit wid- men.

In einer ersten Phase wollen die beiden Ministerien folgende Projekte in Angriff nehmen:

c Vorbereitung eines Survey Kindergesundheit, der um eine Umweltkomponente ergänzt werden soll c Förderung computergestütz-

ter Informations-und Kommunikati- onssysteme in der Umweltmedizin

c Bildung einer Ad-hoc-Kom- mission zur Neuordnung der Verfah- ren und Organisationsstrukturen zur Risikobewertung

c Aufbau einer zentralen Erfas- sungs- und Bewertungsstelle für um- weltmedizinische Methoden und Ein- richtung einer dafür zuständigen Kommission am Robert Koch-Institut in Berlin

c Einrichtung einer Abteilung des Europäischen Zentrums für Um- welt und Gesundheit der Weltgesund- heitsorganisation in Bonn.

Das Ziel: Erkenntnisse über Ursache und Wirkung

Fischer und Trittin erhoffen sich in den nächsten Jahren Erkenntnis- se über Ursache-Wirkungs-Beziehun- gen und bessere Diagnoseverfahren.

Wenn nachvollziehbar belegt werden könne, daß ein Betroffener sich auf- grund eines bestimmten Umweltein- flusses eine Erkrankung zugezogen habe, werde es auch möglich sein, ihm gezielter zu helfen. „Wir fordern alle relevanten Gruppen und Institu- tionen auf“, betonten sie, „sich an der Diskussion und Weiterentwicklung des Programms zu beteiligen und ihren Beitrag zu seiner Umsetzung zu leisten.“

Das Aktionsprogramm und der Dokumentationsband können bei beiden Ministerien angefordert wer-

den. SG

Aktionsprogramm „Gesundheit und Umwelt“

Mehr Informationen

über Gesundheitsrisiken

Andrea Fischer und Jürgen Trittin wollen sich gemeinsam für eine gesundheitserhaltende Umwelt einsetzen.

B

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

In einem gemeinsamen Positi- onspapier haben sich der Hart- mannbund, die Vertragsärztliche Bundesvereinigung, der Freie Ver- band Deutscher Zahnärzte und der Bundesverband

Er spielte auch eine wichtige Rolle dabei, seinen amerikanischen Amtskollegen John Kerry davon zu überzeugen, dass ohne positive diplo- matische Gesten Washingtons gegen-

Marktgebieten gleichen Gewichtes und glei¬ cher Distanz in einem isotopen Raum hängt die Bedeutung der Standorte in Touristenzonen glei¬ chen originären Wertes von der

der bloßen Tatsache, daß es je- manden gibt, an den ich mich je- derzeit mit meinen Gedanken wenden kann, der meine Freude und meinen Verdruß fühlen wird wie ich selbst … Und

Alle sind der Auffassung, daß die Kran- kenhäuser mit den vorgesehenen Maßnahmen — vor allem mit der gedeckelten Gesamtvergütung — nicht werden leben können.. Was

Falls arztgruppenbezogene Ver- hältniszahlen festgelegt werden, die für die zukünftige Zulassung von Ärz- tinnen und Ärzten zur vertragsärztli- chen Versorgung maßgeblich sind,

Description: Seit Oktober 1994 trifft sich der Arbeitskreis Geschlechtergeschichte der Frhen Neuzeit kontinuierlich zu einer Fachtagung

Achten Sie bitte streng auf das jeweilige zugelassene Anwendungsgebiet, die Verordnungsvoraussetzungen und die entsprechende frühe Nutzenbe- wertung des G-BA... Seite 2 von 3