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Archiv "Chemoprävention: Studien zur Prophylaxe von Kolontumoren" (05.03.1999)

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er pharmakologische Klassi- ker Acetylsalicylsäure (ASS) scheint neben seinen bekann- ten analgetischen, antipyretischen und antithrombotischen Eigenschaf- ten einen Antitumoreffekt zu haben.

Zahlreiche epidemiologische Studien haben sich in den letzten Jahren mit der Frage beschäftigt, ob die regel- mäßige Einnahme von ASS einen Einfluß auf die Wahrscheinlichkeit hat, an einem Kolonkarzi-

nom zu erkranken.

Nach Vorberichten von Kune 1988 (76) zeigte Thun 1991 (69) in einer ersten großen Untersuchung einen günstigen Einfluß von ASS.

In dieser prospektiven Mor- talitätsstudie wurden 662 424 Erwachsene erfaßt, die min- destens ein Jahr lang ASS einnahmen. Das Risiko, an ei- nem Kolonkarzinom zu ster- ben, war bei den Personen, die den Wirkstoff mehr als 16mal pro Monat einnahmen, um zirka 40 Prozent geringer.

Giovannucci (20, 21) un- tersuchte 89 446 Frauen im amerikanischen Gesundheits-

wesen über einen Zeitraum von acht Jahren, die mindestens zwei Tabletten ASS pro Woche einnahmen. Auch sie fanden eine Risikominderung bei den ASS-Konsumentinnen. Al- lerdings war eine signifikante Minde- rung um 44 Prozent erst nach 20jäh- riger Einnahme feststellbar, eine leich- te Minderung nach zehn Jahren. In einer vergleichbaren Studie an 47 900 männlichen Probanden, die wöchent- lich mindestens zwei ASS-Tabletten konsumierten, sank das Krebsrisiko um 32 Prozent. Zahlreiche weitere

epidemiologische Untersuchungen bestätigten diesen Effekt von Acetyl- salicylsäure (35, 39, 41, 45, 77).

Es existieren jedoch auch zwei Studien, die keinen günstigen Effekt von ASS im Hinblick auf die Entwick- lung eines Kolonkarzinoms gefunden haben (19, 47). Dabei ist zu bedenken, daß in der Untersuchung von Pagani- ni-Hill (46) das untersuchte Kollektiv mit 73 Jahren deutlich älter als in an-

deren Studien war. In beiden Studien nahmen die Teilnehmer im Rahmen der Prophylaxe gegen kardiovaskulä- re Ereignisse überwiegend Low Dose ASS (100 bis 325 mg) ein. Möglicher- weise war in diesen Studien auch die Beobachtungsdauer für signifikante Effekte zu kurz.

Zudem gibt es Hinweise, daß ASS nicht nur den Dickdarmkrebs, sondern auch andere bösartige Tumoren gün- stig beeinflußt. Die größte Studie hier- zu bezieht sich gleichfalls auf die Can- cer-Prevention-Study 11 und erfaßt

635 031 Erwachsene, die ASS regel- mäßig über mindestens ein Jahr ein- nahmen. Die Autoren fanden ein ver- mindertes Erkrankungsrisiko für das Ösophagus-, Magen- und Rektumkar- zinom, verglichen mit den Nicht- einnehmern (68). Ein positiver Effekt auf das Ösophaguskarzinom bei regel- mäßigen ASS-Konsumenten konnte von Funkhouser (18) und von Farrow (15) festgestellt werden. Letztere konnten zudem zeigen, daß auch die Inzidenz für das Magenkarzinom sinkt.

Im Tierversuch wird das Wachs- tum von experimentellen Bronchus- karzinomen günstig beeinflußt (8, 13, 44, 52). Suzui (66) wies beim Tier ei- nen ähnlichen Effekt für das experi- mentelle Mammakarzinom nach. In vitro liegen günstige Ergebnisse für Leukämie-, Epidermis- und Lungen- zellverbände vor (6, 11, 27).

ASS beeinflußt auch die Inzidenz kolorektaler Adenome. Da man bei der Adenom-Karzinom-Sequenz zu- grunde legt, daß Kolonadenome die Vorstufen des Karzinoms dar- stellen, hat dies eine besonde- re Bedeutung. Wird die Adenominzidenz bei Risiko- patienten vermindert, hat dies eine tumorvorbeugende Wir- kung. Neben der aufwendigen und als Massenscreening nicht durchführbaren Koloskopie sowie der relativ unzuverlässi- gen Suche nach okkultem Blut im Stuhl wäre die Aspirinein- nahme eine attraktive Alter- native der Tumorprophylaxe (22). Die Adenom-Karzinom- Sequenz wird von Stelzner be- zweifelt, er spricht von einer Adenom-Karzinom-Konko- mitanz.

Die genetischen Verän- derungen bei der Tumorentstehung wurden vor allem von Vogelstein et al.

erarbeitet. Das von ihnen entwickelte Tumorprogressionsmodell geht davon aus, daß ein bösartiger Tumor von der Initiation bis zur Metastasierung von einer Abfolge genetischer Änderun- gen verursacht wird (16). Das APC- Gen (Adematous Polyposis Coli) spielt dabei eine besondere Rolle, ihm wird eine gatekeeper function zuge- schrieben (71).

Es ist bereits in Mikroadenomen inaktiviert und steht damit am Anfang A-534 (30) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 9, 5. März 1999

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Chemoprävention

Studien zur Prophylaxe von Kolontumoren

Nachdem epidemiologische Kohortenstudien eine

Risikoreduktion von zirka 40 Prozent unter Acetylsalicylsäure gefunden haben, wird international weitergeforscht.

D

Am 6. März vor hundert Jahren wurde die Acetylsalicylsäure als Aspirin®in die Warenzeichenrolle des Kaiserlichen Patentamtes in Berlin eingetragen. Bei den Patienten besonders beliebt ist die Formulierung als Brausetablette. Foto: Bayer AG

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der genetischen Veränderungen beim Kolonkarzinom. Der Verlust des APC-Gens wird von einer Induktion von COX-2 begleitet. Damit geht gleichzeitig die Butytrat-induzierte Fähigkeit zur Apoptose (program- mierter Zelltod) der Kolonmukosa verloren (9). Auf der anderen Seite induzieren nichtsteroidale Antirheu- matika (NSAIDs) die Apoptose in der Darmmukosa von Patienten mit familiärer Adenomatosis coli (23) und in Tumorzellinien (14, 61) bezie- hungsweise hemmen das Wachstum derartiger Zellen (51).

Die Größenzunahme und die De- differenzierung des Adenoms ist mit einer Aktivierung des K-RAS-Gens verbunden. Der Übergang vom Adenom zum Karzinom geht mit ei- nem Verlust des Tumorsuppressor- gens p53 einher.

Es liegen mehrere Arbeiten zur Frage ASS und Kolonadenome vor.

Die erneute Bildung von Adenomen ist in einer Studie von 795 Teilneh- mern, die koloskopisch saniert und da- mit frei von Polypen waren, bei ASS- Verwendern seltener als bei Nichtkon- sumenten (25). Martinez konnte zei- gen (40), daß Patienten, die ASS oder andere NSAIDs mindestens einmal pro Tag mindestens drei Monate ein- nahmen, ein 40 Prozent geringeres Ri- siko (Einnahme > fünf Jahre) bezie- hungsweise ein 60 Prozent geringeres Risiko (Einnahme < fünf Jahre) hat- ten, Adenome zu entwickeln. Weitere Untersuchungen beim Menschen (36, 57) und beim Tier (4) wiesen ähnliche Resultate auf.

Kann eine Chemoprävention zum jetzigen Zeitpunkt empfohlen werden? Den weitesten Schritt in die- se Richtung tat Marcus (38), der für Patienten mit erhöhtem Risiko für ein Kolonkarzinom empfahl, regelmäßig ASS einzunehmen. Andere Autoren sind vorsichtiger (7, 58, 67). Für die derzeitige Zurückhaltung sprechen mehrere Gründe: Der Mechanismus, wie ASS chemopräventiv wirken könnte, ist nicht genau untersucht. Es gibt jedoch verschiedene Erklärungs- ansätze.

So ist bekannt, daß die Prosta- glandinspiegel in kolorektalen Tumor- zellen erhöht sind (7, 31). ASS senkt diese Spiegel über eine Hemmung der Cyclooxygenase (8). Weiterhin könnte

es sein, daß die Hydroxy-Fettsäure 15R-HETE für den antitumoralen Effekt verantwortlich ist. Sie wird unter ASS vermehrt gebildet, da bei ASS-inaktivierter Cyclooxygenase die anderen Arachidonsäureabbau- wege (TXA2, Prostaglandine) blok- kiert sind.

Die in den Tumorzellen expri- mierte COX-2 (60) vermindert die Apoptose (9). Nichtsteroidale Anti- rheumatika hingegen steigern die Apoptose in Tumorzellinien (4, 14, 23, 51, 61). Kürzlich wurde von Tsujii (70) vermutet, daß die Cyclooxygenase die Bildung angiogenetischer Fakto- ren induzieren kann, die für das Tumorwachstum wichtig sind. Eine Hemmung des Enzyms würde in die- sem Modell das Tumorwachstum über die Blockade der Angiogenese beein- flussen.

Außerdem wird diskutiert, ob die chemopräventive Wirkung Cyclooxy- genase-unabhängig ist. So kann die exogene Zufuhr von Prostaglandinen den antitumoralen Effekt von ASS nicht umkehren. Zudem wurden die zytostatischen Wirkungen von ASS auch in Zellinien festgestellt, denen die Cyxclooxygenase fehlt (23). Prä- neoplastische Veränderungen können auch mit ASS-ähnlichen Substanzen, welche die Cyclooxygenase nicht hemmen, verhindert werden (3).

Es ist zu berücksichtigen, daß in den bisherigen klinischen Studien nur

unzureichend Aussagen über einge- haltene Dosierungen gemacht wer- den. Dies ist um so wichtiger, da die Wirkung von ASS dosisabhängig ist.

Außerdem erlauben die Studien nicht immer eine Trennung zwischen der Einnahme von ASS und anderen nichtsteroidalen Antirheumatika, da die Untersuchungen häufig an Rheu- matikern durchgeführt wurden, die verschiedene Wirkstoffe gleichzeitig einnehmen. Demzufolge kann auch nicht genau zwischen den Wirkungen der jeweiligen Substanzen unterschie- den werden.

Die Chemoprävention von ma- lignen Kolontumoren und Dick- darmadenomen mit ASS ist noch nicht ausreichend untermauert, um die Substanz mit dieser Indikation ge- nerell zu empfehlen. Der positive Trend der bisherigen Untersuchun- gen rechtfertigt weitere Studien, die zur Zeit auf nationaler und interna- tionaler Ebene durchgeführt werden (33, 58). Insbesondere für Risiko- gruppen (Adenomträger, Patienten mit Polyposis coli, familiäre Bela- stung) muß noch genauer evaluiert werden, ob und mit welcher Dosis eine Prophylaxe mit ASS das Erkran- kungsrisiko vermindert.

Priv.-Doz. Dr. med. Frank-W. Peter

Literaturverzeichnis beim Verfasser. Anschrift:

Klinik für Plastische Chirurgie und Schwer- brandverletzte, Universitätsklinik Bergmanns- heil, Buerkle de la Camp-Platz 1, 44789 Bochum

A-535

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 9, 5. März 1999 (31)

Wirkmechanismus von Acetylsalicylsäure

Bei mechanischer oder chemischer Reizung wird aus der Zellwand Arachi- donsäure freigesetzt. Sie ist der Grundbaustein für alle Prostaglandine (PGI2, PGD2, PGE2und PGF2) und vieler Prostaglandin-ähnlicher Substanzen wie Thromboxan A2. Diese Reaktion wird durch das Enzym Cyclooxygenase katalysiert. ASS acety- liert die Cyclooxygenase und inaktiviert sie damit. Nach neueren Untersuchungen bestehen zwei Isoformen der Cyclooxygenase: COX-1 und COX-2. ASS ist ein rela- tiv selektiver Inhibitor von COX-1. COX-2 ist in der Lage, die Hydroxy-Fettsäure 15R-HETE zu synthetisieren. Diese Reaktion wird durch ASS nicht beeinflußt. Die mRNA für COX-2 ist in Kolontumorzellen vermehrt nachgewiesen und kann damit die erhöhten Prostaglandinspiegel in diesen Zellen erklären.

Ein weiteres Produkt des Arachidonsäuremetabolismus sind die überwiegend in den Leukozyten gebildeten Leukotriene. Sie entstehen via Lipoxygenasen, die gleichfalls ASS-unabhängig sind. Leukotriene spielen eine Rolle bei der Aktivie- rung und Chemotaxis von Leukozyten (LTB4) und vermitteln als slow reacting sub- stances die allergische Reaktion (LTC4, LTD4, LTE4) an Bronchien und Gefäßen.

Daneben katalysieren Lipoxygenasen die Synthese von S-HETE. Wird die Enzym- aktivität von COX-1 und COX-2 durch ASS gehemmt, steht die Arachidonsäure vermehrt für die Synthese von Lipoxygenaseprodukten zur Verfügung. Ob dies zum Antitumoreffekt von ASS beiträgt, ist noch unklar.

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