Zu den wichtigsten Schutzme- chanismen der Lunge gehört der ␣-1-Proteaseinhibitor – auch als ␣-1-Antitrypsin be- zeichnet. Die Substanz bindet vor allem Elastase, die von Entzündungszellen freigesetzt wird, und schützt das Lungen- parenchym vor enzymatischer Zerstörung. Ein ausgeprägter
␣-1-Pi-Mangel ist genetisch bedingt und führt zu einer neonatalen Lebererkrankung und zu einem Lungenemphy- sem bei Erwachsenen.
Bei Neugeborenen kann die Mutation des ␣-1-Pi-Gens auf dem Chromosom 14 zu Cholestase, Leberzirrhose und hepatozellulärem Karzinom führen, erklärte Prof. Roland Buhl (Mainz) in München.
Aufgrund der Häufigkeit des
␣-1-Pi-Mangels empfiehlt die WHO ein Screening von Neu- geborenen, um ␣-1-Pi-Träger vor passivem Zigarettenrau- chen besser schützen zu kön- nen.
Aktiver Zigarettenkonsum und passives Rauchen verkür- zen die asymptomatische Pha- se des Leidens und die Le- benserwartung um zehn bis 20
Jahre. Auch ergeben sich Kon- sequenzen für die Berufswahl der Betroffenen. Ein ␣-1-Pi- Mangel kann mit dem Hered-
Test®mit höchster Spezi- fität und Sensitivität ein- fach in einem auf Papier eingetrockneten Tropfen Blut diagnostiziert werden.
Auch bei Erwachsenen mit Emphysem wird ein ␣-1-Pi- Mangel häufig zu spät diagno- stiziert, was angesichts der Möglichkeit einer wirksamen Substitutionstherapie beson- ders zu bemängeln ist. Sinn-
voll ist die Testung auch bei Patienten mit chronischer ob- struktiver Lungenerkrankung (COPD). Dr. Robert Bals (Marburg) berichtete über das diagnostische Labor an der Universität Marburg, das auch für niedergelassene Ärz- te solche Tests kostenfrei durchführen wird.
Prof. Wolfgang Petro (Bad Reichenhall) bezeichnete die Früherkennung eines ␣-1-Pi- Mangels im Rah- men eines Scree- nings als sinnvoll bei allen Patienten, die Verwandte mit einem ␣-Pi-Mangel haben, mit COPD und bei allen Asth- ma-Patienten. Ob dann bei einem po-
sitiven Testergebnis eine Sub- stitution mit ␣-1-Pi (Prolastin® HS) durchgeführt wird, sollte vom FEV1-Wert abhängig ge- macht werden. Beginnen sollte diese Therapie spätestens dann, wenn die 1-Sekunden- Kapazität jährlich um etwa 120
ml abnimmt oder wenn sie we- niger als 65 Prozent des Soll- wertes beträgt. Die im Kin- desalter auftretende Leberer- krankung ist dagegen keine In- dikation zur Substitutionsbe- handlung. Für interessierte Ärzte wurde eine Emphysem- Hotline eingerichtet (www.
emphysem-info.de).
Prolastin HS muss nicht mehr in jedem Fall intravenös injiziert werden, die Substanz kann auch durch Inhalation appliziert werden. Ein dafür geeignetes Inhalationssystem ist Akita (Firma InAmed, Gauching). Es zeichnet sich durch hohe Dosiergenauigkeit und Reproduzierbarkeit aus.
Depositionsstudien belegten, dass mehr als 83 Prozent der vom Gerät abgegebenen Wirkstoffmenge in der Lunge wieder gefunden würden und dass die inter- individuelle Schwankung weniger als drei Prozent betrüge, betonte Dr. Tho- mas Meyer (Gauting). Bei intravenöser Infusion er- reichen dagegen nur etwa drei Prozent des ␣-1-Pro- teinaseinhibitors die Lun- ge, was bei den hohen Ko- sten des Präparates zu beden- ken ist. Siegfried Hoc
Symposium „Alpha-1-Pi-Mangel – Früh erkannt hilft Arzt und Patient“ der Bayer Vital GmbH im Rahmen des 44. Kongres- ses der Deutschen Gesellschaft für Pneu- mologie in München
V A R I A
A
A2814 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 4324. Oktober 2003
Alpha-1-Antitrypsin-Mangel
Referenzlabor zur
Diagnose eingerichtet
Unternehmen
Oben: Schnitt durch ein nor- males, gesundes Lungen- parenchym. Rechts: Schnitt durch das Lungenparenchym bei Lungenemphysem
Zwischen den einzelnen COX- 2-Hemmern bestehen bedeut- same Strukturdifferenzen, so- dass die Medikation individu- ell abgestimmt werden kann.
In jüngster Zeit wurde mehr- fach vor Überempfindlich- keitsreaktionen gegen COX- 2-Hemmer gewarnt, die auf deren Sulfonamid-Struktur zurückzuführen sind. Im Un- terschied zu den anderen
in Deutschland verfügbaren Coxiben (Celecoxib, Pareco- xib, Valdecoxib) handelt es sich bei Rofecoxib (Vioxx®, MSD) nicht um ein Sulfon- amid, sodass diese speziel- len Überempfindlichkeitsre- aktionen unter Rofecoxib nicht zu befürchten sind. Sul- fonamide tragen eine Amid- Gruppe an einer Sulfonyl- Struktur. Bei Rofecoxib hängt
an der Sulfonyl-Struktur je- doch statt des Amids eine Methylgruppe. Rofecoxib ge- hört somit zu den Methylsul- fonen und kann deshalb auch bei Patienten mit bekannter Sulfonamid-Allergie einge- setzt werden.
Hintergrund der aktuellen Diskussion sind zum Teil schwere, sulfonamid-beding- te Überempfindlichkeitsreak- tionen auf Valdecoxib (Ana- phylaxien, Angioödeme, Ste- vens-Johnson- und Lyell-Syn- drom). Daraus resultierte in Deutschland ein befristeter Vertriebsstopp von Pareco- xib, dem Prodrug von Valde-
coxib. Die europäische Arz- neimittelbehörde EMEA hat verfügt, dass Parecoxib und Valdecoxib bei Patienten mit bekannter Sulfonamidallergie nicht mehr angewandt wer- den dürfen. Von verschiede- nen Seiten, einschließlich der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, sind Warnhinweise veröffentlicht worden, auch andere Coxibe könnten aufgrund ihrer Sul- fonamid-Struktur anaphylak- toide Reaktionen auslösen.
Das trifft jedoch für Rofeco- xib, so der Hersteller, wegen seiner differenten chemischen Struktur nicht zu. EB
COX-2-Hemmer
Rofecoxib bei Sulfonamid- Allergie möglich
Fotos:Hoc