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Antirheumatika, Plättchen- und COX-2-Hemmer

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Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) können den Magen-Darm- Trakt ganz unterschiedlich stören.

Einerseits können sie uner- wünschte Symptome auslösen, andererseits gefährliche Komp li - kationen provozieren, die meist ohne Warnsymptome auftreten.

Über die Prävention von Sympto- men und Komplikationen sprach Prof. Christoph Beglinger, Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie, Universitätsspital Basel, in einem Referat und an einem Workshop im Rahmen des Symposiums Rheuma Top 2011, organisiert vom Univer - sitätsspital Zürich und vom Insel- spital Bern mit Unterstützung von Mepha Pharma AG .

ALFRED LIENHARD

NSAR lösen in 15 bis 30 Prozent dys- peptische Symptome und bei 20 Pro- zent der chronischen Benutzer (über vier Wochen) ein Ulkus aus. Ausserdem sind sie pro Jahr bei 1 bis 2 Prozent der chronischen Benutzer für schwerwie-

gende Komplikationen verantwortlich, hauptsächlich für Ulkusblutungen oder Ulkusperforationen. Solche Komplika- tionen sind lebensgefährlich – jeder zehnte Patient mit akuter Ulkusblutung stirbt. Symptome wie Nausea, Dys -

pepsie, epigastrische Schmerzen oder Krämpfe treten häufig und abhängig vom verwendeten Medikament auf.

Nicht ungewöhnlich ist auch die NSAR-induzierte Diarrhö. Zur Symp- tomverminderung sind einige Tipps und Tricks geläufig wie beispielsweise die Einnahme mit dem Essen, weil dann weniger Säure vorhanden ist und der pH ansteigt, oder Dosisanpassung, Wechsel des Medikaments oder Zu- gabe eines Protonenpumpeninhi bitors (PPI) – eine allerdings nicht gut unter- suchte Empfehlung. Mit prophylak - tischer Verordnung von 20 mg Ome- prazol konnte die Häufigkeit dyspep - tischer Symptome im Rahmen einer plazebokontrollierten Studie zwar redu- ziert werden. Säuresekretionshemmer sind aber bei der Verhinderung von Komplikationen wesentlich effizienter als bei der Vorbeugung von Symptomen.

Symptome können nicht als Hinweise auf drohende Komplikationen gewer- tet werden. Bei der Aufgabe, Kompli- kationen zu verhindern, kann man sich keineswegs auf Symptome verlassen, denn zwei Drittel der ernsthaften Kom- plikationen ereignen sich ohne Warn- symptome. Weil Komplikationen in der Regel bei Risikopatienten auftreten, ist die individuelle Identifizierung von Risikofaktoren wichtig. Beim Risiko-

profil ist ein Alter über 60 Jahre der stärkste Faktor. Bei über 65-Jährigen muss mit einem vier- bis fünffach er- höhten gastrointestinalen Komplika - tionsrisiko gerechnet werden. Weitere Risikofaktoren sind: Vorgeschichte

einer Ulkuskrankheit oder einer Ulkus- komplikation, hohe Dosierung des NSAR, Kombination verschiedener NSAR oder Kombination mit Azetylsali - zylsäure (ASS, auch Aspirin®Cardio), gleichzeitige Einnahme anderer Medi- kamente (Kortikosteroide, Antikoagu- lanzien, Clopidogrel, SSRI), schwere Begleiterkrankung (z.B. koronare Herz- krankheit oder Leberkrankheit). In Monotherapie haben Kortikosteroide keinen negativen Einfluss auf den Magen-Darm-Trakt. Aber in Kombi- nation mit einem NSAR verstärkt das Steroid im Sinne einer Interaktion das Risiko, das vom NSAR ausgeht.

Zunehmend mehr Komplikationen im unteren Magen-Darm-Trakt Im unteren Verdauungstrakt (unter- halb des Treitz-Bands, also distal des vierten Abschnitts des Duodenums) richten NSAR häufiger Schaden an als bisher angenommen wurde. Beispiels- weise treten Komplikationen bei Diver- tikelkrankheit (Blutungen, Perforatio- nen) unter NSAR häufiger auf, oder es kann zu Kolitis mit chronischer An - ämie, Kolonulzera, Polypenblutungen oder Rektumläsionen kommen. Prof.

Beglinger nannte als Faustregel, dass etwa zwei Drittel der Blutungen unter NSAR aus dem oberen Magen-Darm- Trakt und ein Drittel aus Blutungsquel- len weiter unten stammen. Nicht selten bleibt die Blutungsquelle unauffindbar.

Vom Magen bis zum Rektum wird der gesamte Verdauungstrakt durch Pros- taglandine geschützt. Die COX-1-ab- hängige Prostaglandinproduktion ist im Duodenum, Jejunum, Ileum und Kolon deutlich stärker ausgeprägt als im Magen. Die Hemmung der Prosta- glandinsynthese macht den ganzen Magen-Darm-Trakt anfälliger für Lä- sionen, wobei die höher oben gelege- nen Läsionen zweifellos gefährlicher

Bericht

ARS MEDICI 22 2011

931

Antirheumatika, Plättchen- und COX-2-Hemmer

Mit verbesserten Strategien den Magen-Darm-Trakt schützen

«Bei der Aufgabe, Komplikationen zu verhindern, kann man sich

keineswegs auf Symptome verlassen, denn zwei Drittel der ernsthaften

Komplikationen ereignen sich ohne Warnsymptome.»

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sind. Anders als im Magen und Duo- denum ist die Säure an Läsionen im Dünn- und Dickdarm nicht beteiligt.

Hier können vielmehr Gallensalze, die zusammen mit NSAR «super-toxische»

Mizellen bilden, bei gehemmter Prosta- glandinsynthese zu Schäden und Läsio- nen in der Schleimhaut führen.

Gastrointestinale Probleme mit Plättchenhemmern

Um die Prostaglandinsynthese im Magen-Darm-Trakt zu supprimieren, reichen bereits 10 mg ASS aus. Das Ri- siko, unter ASS (auch Aspirin®Cardio) ein Ulkus zu entwickeln oder eine Ul- kuskomplikation zu erleiden, nimmt mit steigender Dosis klar zu. Zur Hem- mung der Plättchenaggregation reichen 75 mg täglich aus. In manchen Ländern beträgt deshalb die Standarddosis 75 mg, anders als in der Schweiz (100 mg) oder

in den USA (325 mg). Aus gastroentero- logischer Sicht sollte eine möglichst tiefe Dosierung bevorzugt werden. Mit 300 mg wird das Risiko im Vergleich zu 75 mg vervierfacht. Die von Neurolo- gen empfohlene Dosierung von 300 mg, die aufgrund von Studien abgeleitet wurde, ist im Hinblick auf den Mecha- nismus der Plättchenaggregationshem- mung unnötig hoch, wie der Gastro - enterologe anmerkte.

Populationsweit betrachtet ist ASS sehr gut verträglich und das Blutungs risiko nur gering (etwa 3%). Aber im Alter und zusammen mit anderen NSAR sowie bei weiteren Risikofaktoren steigt das individuelle Komplika - tionsrisiko beträchtlich an. Wenn Kar- diologen ASS mit Clopidogrel kombi- nieren, resultiert ein deutlich höheres Risiko gastrointestinaler Blutungen (8,5%). Neue prospektive Studien haben gezeigt, dass PPI – entgegen frü- heren retrospektiven Analysen – das kardiovaskuläre Risiko nicht erhöhen, wenn sie zum Schutz von Risikopatien- ten eingesetzt werden, die ASS zusam- men mit Clopidogrel erhalten.

Neue Fixkombinations-Strategie In vergleichenden Studien zur Gastro- protektion zeigte sich, dass COX-2- Hemmer eine ebenso wirksame Pro - tektionsstrategie des oberen Magen- Darm-Trakts darstellen wie die Kombination eines klassischen NSAR mit einem PPI. Säuresekretionshemmer können aber nur im Magen und Duo- denum schützen. Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass im Rahmen der CON- DOR-Studie mit dem klassischen NSAR Diclofenac plus PPI im unteren Gastrointestinaltrakt deutlich mehr Läsionen entstanden als mit dem COX- 2-Hemmer Celecoxib (1). Für Hoch -

risikopatienten eignet sich die zum Schutz des oberen Gastrointestinal- trakts wirksamste Strategie, die sich am Prinzip «Hosenträger und Gürtel»

orientiert und einen COX-2-Hemmer mit einem PPI kombiniert.

In der Praxis nehmen nur 70 Prozent der Patienten den zusätzlich zum NSAR verordneten PPI auch wirklich ein. Deshalb ist eine Fixkombination eine sinnvolle Strategie, um die Gastro-

protektionslücke zu schliessen. Neuer- dings ist eine Kombinations-Filmta - blette von Naproxen mit Esomeprazol (Vimovo®) erhältlich. Auch bei Patien- ten, die gleichzeitig niedrig dosiert ASS benötigen, wird die Gastroprotektion nicht beeinträchtigt, und das Ulkus - risiko im Magen und im Duodenum steigt nicht an. Dagegen muss man bei der Wahl einer COX-2-Hemmer-Stra- tegie daran denken, dass die gleichzei- tige Verwendung von ASS, die ja von vielen über 65-Jährigen benötigt wird, den protektiven Nutzen des COX-2- Hemmers aufhebt, sodass dasselbe Risiko resultiert wie mit einem klassi- schen NSAR. Sinnlos ist es, ein NSAR mit einem H2-Blocker zu kombinieren, so Prof. Beglinger, diese veraltete Stra- tegie bleibt wirkungslos.

Helicobacter bei NSAR-Therapie suchen und eradizieren?

Es besteht kein Anlass, aus Prophylaxe - gründen Personen, die früher eine Ulkuskrankheit hatten und aktuell ein NSAR benötigen, auf Helicobacter zu testen. Bei Helicobacter-positiven, mit NSAR behandelten Personen stellt die Helicobactereradikation keine ausrei- chende Prophylaxe von Ulkuskompli- kationen dar. Wenn also ohnehin zur Gastroprotektion eine Säuresekretions- hemmung mittels PPI erforderlich ist, braucht man den Helicobacter nicht zu suchen. Die Helicobactereradikation ist aber nicht nur ungenügend als Kom- plikationsschutz, sondern sie hat auch keinen wesentlichen Einfluss auf dys- peptische Nebenwirkungen von NSAR.

Höchstens jeder zehnte Patient könnte bezüglich dyspeptischer Symptome von der Eradikationsbehandlung profitieren.

❖ Alfred Lienhard

Referenz:

1. Chan F, et al.: Celecoxib versus omeprazole and diclo - fenac in patients with osteoarthritis and rheumatoid arthritis (CONDOR): a randomised trial. Lancet 2010; 376:

173–179.

«Wenn zur Gastroprotektion eine Säuresekretionshemmung mittels PPI erforderlich ist, braucht man den Helicobacter nicht zu suchen.»

Prof. Dr. med. Christoph Beglinger, Universitäts- spital Basel

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ARS MEDICI 22 2011

Bericht

Referenzen

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