THEMEN DER ZEIT
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von Verdachtsfällen, in denen eine mögliche Verunreinigung eines Han- delspräparates vermutet wird. Dem- zufolge ist es auch nicht primär Auf- gabe des Bundesgesundheitsamtes (BGA) oder des Paul-Ehrlich-Insti- tutes (PEI), derartige Verdachtsfälle zu verfolgen.
Zuständig sind vielmehr die Ge- sundheitsbehörden der Länder (Überwachung der Herstellung eines Fertigarzneimittels). Der Hersteller muß jeden Verdacht einer Verunrei- nigung eines seiner Präparate an die zuständige Landesbehörde melden.
Die jeweilige verunreinigte Charge muß dann aus dem Handel genom- men werden. Je nach Risiko werden Apotheken, Krankenhäuser und nie- dergelassene Ärzte informiert oder
—durch einen Aufruf in den Medien
— die gesamte Bevölkerung. Die Landesbehörden können zusätzlich noch die mit den jeweiligen Präpara- ten befaßte Bundesbehörde (Überwa- chung des allgemeinen Arzneimittelrisi- kos) um Amtshilfe bitten, zum Bei-
KOMMENTAR / BERICHTE
spiel um Überprüfung der Zulassung eines Arzneimittels.
Aber damit ein Hersteller über- haupt von einer möglichen „Verun- reinigung" erfährt (und nachfolgend eine sogenannte „Produzentenhaf- tung" eintritt), muß ein Verdacht ausgesprochen werden. Ärzte waren und sind daher verpflichtet, dem je- weiligen Hersteller ihre Verdachts- momente bezüglich einer Verunrei- nigung eines seiner Präparate mitzu- teilen, um eine mögliche Gefährdung der Bevölkerung abzuwenden. Auch die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft kann gefragt werden: sie wird und muß den Her- steller informieren.
Nur prinzipiell vergleichbar sind die Informationspflicht von Werk- stätten bezüglich eines Produktions- fehlers und die Rückrufaktionen der jeweiligen Markenhersteller: Für ei- nen Arzt ist es fast unmöglich, die Folgen des „Produktionsfehlers", nämlich die HIV-Infektion im An- fangsstadium, festzustellen.
Fazit: Die Diskussion um eine Meldepflicht der möglichen HIV- Kontamination von Blut oder Blut- produkten hat zu einer Fehleinschät- zung der bestehenden gesetzlichen Regelungen geführt. Der Gesetzge- ber sollte seine Bemühungen auf ei- ne bessere Überwachung dieser Re- gelungen und auf andere Maßnah- men lenken, um die Bevölkerung vor einer HIV-Infektion zu schützen, wie unter anderem genauere Kontrolle der Blutspender, Quarantänelage- rung der Blutprodukte, Chargendo- kumentation (von der Arzneimittel- kommission schon vor Jahren gefor- dert!) oder verstärkte Aufklärung.
Dr. Günter Hopf
Literatur:
(1) Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zur 5. No- velle des AMG, Drucksache des Deut- schen Bundestages 12/6480 vom 21. 12. 1993, 34
Berufsordnung für die deutschen Ärzte, Dt. Ärztebl. 1994; 91: A-53-58
A. Hahn, G. Heinemeyer, Erste Auswer- tungen der ärztlichen Meldungen, Dt.
Ärztebl. 1993; 90: A 1 -2907-2910
Stellenausschreibungen im Deutschen Ärzteblatt
Nachfrage nach Ober- und Chefärzten auch 1993 auf hohem Niveau
Das „Jahr Eins" nach Inkrafttreten des Gesundheitsstruk- turgesetzes (GSG) hat für große Unruhe unter den bun- desdeutschen Fachärztinnen und Fachärzten gesorgt. Da- bei standen die Turbulenzen um die Niederlassungsbe- schränkungen im Mittelpunkt des Interesses. Die vom GSG angeregten Strukturveränderungen im Kranken- haus stehen dagegen noch am Anfang. Gab es 1993
trotzdem schon meßbare Auswirkungen auf den klini- schen Stellenmarkt für Fachärztinnen und Fachärzte? Ein Vergleich der Ausschreibungen von Chef- und Oberarzt- positionen des Jahres 1993 im Deutschen Ärzteblatt mit denen des Vorjahres, vorgenommen von der Zentralstel- le für Arbeitsvermittlung (ZAV) in Frankfurt/Main, gibt auf diese Frage eine eindeutige Antwort.
Insgesamt wurden 1993 mit 2 043 Chef- und Oberarztpositionen 3,4 Prozent mehr Stellen für leitende Ärzte ausgeschrieben als im Vorjahr (1 976). Dabei sorgte eine über- durchschnittliche Zahl von Aus- schreibungen in den Monaten April bis Juli ( + 20 Prozent im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum des Vorjahres) für das positive Jahreser- gebnis. Hauptursache für diese unge- wöhnliche Ausschreibungsspitze war
sicherlich die verstärkte Abwande- rung von Klinikfachärzten in die ei- gene Praxis. Das in diesem Zusam- menhang entscheidende Datum „30.
September 1993" als spätestmögli- cher Zeitpunkt für eine Niederlas- sung nach altem Recht hinterließ im Stellenteil des Deutschen Ärzteblat- tes keine Spuren. Im dritten und vier- ten Quartal wurden ebenso viele Ausschreibungen gezählt wie im zweiten Halbjahr 1992.
Auswertung der Stellenanzeigen
Die Verteilung der Stellenaus- schreibungen auf die Funktionsebe- nen Chefarzt (31,9 Prozent) und Oberarzt (68,1 Prozent) sowie auf die Krankenhausarten (Akutkliniken 86,9 Prozent, Rehabilitations- und Kurkliniken 13,1 Prozent) blieb ge- genüber dem Vorjahr nahezu unver- ändert.
Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 16, 22. April 1994 (31) A-1111
Innere Medizin Chirurgie Psych./Neurol.
Gynäkologie Orthopädie Radiologie Anästhesiologie Urologie Pädiatrie
+ 8,7 + 3,8 + 5,0 - 28,6 + 49,2 - 22,0 - 9,2 + 57,1 - 41,6
23,3 17,3 15,1 10,1 9,6 6,0 5,8 2,7 2,5 22,1
17,2 14,9 14,7 6,7 8,0 6,6 1,8 4,5 475
353 309 207 197 123 118 55 52
Verteilung der ausgeschriebenen Chef- und Oberarztpositionen auf einzelne Fachgebiete
Stellenan- zeigen
1993
Veränderungen gegenüber 1992 in Prozent
Anteil an Stellenan- zeigen in Prozent
1992 1993 Fachgebiet
THEMEN DER ZEIT
Die Tabelle macht sichtbar, daß sich unter der im Vergleich zum Vor- jahr fast identischen Gesamtbilanz an Stellenausschreibungen zum Teil deutlich veränderte Angebotssitua- tionen in einzelnen Fachgebieten verbergen:
C) Neben der leicht überdurch- schnittlichen Steigerungsrate bei den ausgeschriebenen Ober- und Chef- arztpositionen in der Inneren Medi- zin fällt der sprunghafte Anstieg bei den Orthopäden und Urologen ins Auge. Inzwischen stammt jede zehn- te Stellenanzeige aus der Orthopä- die; dabei stieg die Nachfrage in Akut- und Reha-Kliniken gleicher-
maßen. Waren die Urologen 1992 im Anzeigenteil des Deutschen Ärzte- blattes noch unterrepräsentiert, hat sich das Blatt 1993 zu ihren Gunsten gewendet.
® Für die Chirurgen und Psychiater/Neurologen blieben die Anteile am Anzeigenkuchen gegen- über dem Vorjahr unverändert.
® Pädiater, Gynäkologen, Ra- diologen und Anästhesiologen sahen sich einer rückläufigen Nachfrage ge- genüber. Bei den Gynäkologen führ- te der Rückgang bei den Stellenaus- schreibungen nur zu einer Abschwä- chung der günstigen Angebotslage des Jahres 1992, während sich die un- günstige Situation für die Anästhe- siologen weiter verschlechterte.
Karriere-Chancen
Die Chancen, als Facharzt eine freie Ober- oder Chefarztposition in
BERICHTE
seinem Fachgebiet besetzen zu kön- nen, lassen sich anhand der absolu- ten Zahlen an Stellenanzeigen nur ungenügend abschätzen. Aufschluß- reicher ist es, wenn man die Anzahl an ausgeschriebenen Positionen in Relation zum Bewerberpotential setzt. Da der Anzeigenteil des Deut- schen Ärzteblattes den Stellenmarkt Krankenhaus für Fachärztinnen und Fachärzte recht umfassend wider- spiegelt, bietet er sich für eine derar- tige repräsentative Auswertung an.
Neben der von der ZAV vorge- nommenen Auswertung der Stellen- ausschreibungen wurden die vom Statistischen Bundesamt veröffent-
lichten Zahlen für die in den einzel- nen Fachgebieten tätigen Klinikfach- ärzte (Stand: 31. Dezember 1991) herangezogen. Als Ausdruck für die Angebotslage in einem Fachgebiet wurde der Anteil an den Stellenan- zeigen ins Verhältnis gesetzt zum Anteil der Facharztgruppe an der Gesamtzahl der Klinikfachärzte.
Die günstigste Angebotssituati- on bietet sich damit wie im Vorjahr den Orthopäden; ihr Anteil an den Stellenausschreibungen liegt um den Faktor 3,4 höher als ihr Anteil an den Klinikfachärzten. Auf der anderen Seite der Skala ist der auf die Pädia- ter entfallende Anzeigenanteil um den Faktor 2,6 geringer, als man auf- grund ihres Facharztanteiles erwar- ten würde.
Während rein rechnerisch in Fachgebieten mit ausgeglichener An- gebotslage (Verhältnis 1:1) auf eine ausgeschriebene Ober- oder Chef- arztposition 26 Klinikfachärzte als
potentielle Bewerber kommen, sind es in der Orthopädie noch nicht ein- mal acht, in der Pädiatrie aber 67.
Ausblick
Insgesamt bewegte sich die Nachfrage nach Chef- und Oberärz- ten im Jahr 1993 weiter auf hohem Niveau. Dahinter verbargen sich je- doch gegenläufige Entwicklungen in den verschiedenen Fachgebieten.
Die Praxis vieler Krankenhaus- träger, Leistungen im Bereich der Radiologie durch einen niedergelas- senen Facharzt erbringen zu lassen, führte sicherlich zum Rückgang bei den Stellenausschreibungen in die- sem Fachgebiet. In der Gynäkologie und Pädiatrie wirkte sich der Gebur- tenrückgang weiterhin negativ auf das Stellenaufkommen aus.
Ob der Anstieg bei den ausge- schriebenen Ober- und Chefarztposi- tionen in der Urologie und Ortho- pädie auf eine überdurchschnittliche Niederlassung von Klinikärzten die- ser Fachrichtungen beruht, läßt sich nicht eindeutig ablesen.
Das Jahr 1994 wird durch eine verstärkte Wettbewerbssituation in der deutschen Krankenhausland- schaft gekennzeichnet sein. Wie je- des Jahr werden 7 000 bis 8 000 Ärz- tinnen und Ärzte ihre Weiterbildung abschließen, aber in weitaus stärke- rem Maß als bisher in Konkurrenz um klinische Dauerstellen treten.
Die Krankenhäuser selbst werden ebenfalls einem größeren Wettbe- werbsdruck ausgesetzt sein. Dem werden sowohl Klinikträger bei ihrer Personsalsuche als auch Fachärztin- nen und Fachärzte bei ihrer berufli- chen Planung Rechnung tragen und neue Wege beschreiten müssen.
Das Beratungsteam des Berufs- bereichs Medizin der ZAV hat sich mit seinem Informations- und Ver- mittlungsangebot auf die veränderte Arbeitsmarktlage eingestellt.
Anschrift des Verfassers:
Dr. Wolfgang Martin
Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV)
Berufsbereich Medizin Feuerbachstraße 42-46 60325 Frankfurt am Main
A-1112 (32) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 16, 22. April 1994