• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "PGD im Deutschen Ärzteblatt" (25.12.2000)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "PGD im Deutschen Ärzteblatt" (25.12.2000)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

sollte es zu denken geben, dass sich die durch die Argumentation begrün- dete abgestufte Schutzwürdigkeit des Embryos in vitro problemlos auf an- dere Bereiche menschlichen Lebens übertragen lässt. In dem Maß, wie man dem Hedonismus-Prinzip Raum ge- währt, wird man sich bei konsistenter Argumentation kaum gegen ethische Dammbrüche in anderen Bereichen wehren können.

Die Argumentation in der medizini- schen Praxis läuft auf einer anderen Ebene: Die Verfechter der PGD wollen mit hohem Ethos Menschen helfen, und zwar Menschen, die „an der Furcht vor einem genetisch bedingt schwerst- kranken Kind gesundheitlich zu zer- brechen drohen“ (Bundesärztekam- mer, Vorwort zum Richtlinienentwurf).

Wenn die Hilfe für die betroffenen Menschen jedoch darin besteht, ihnen zu einem „gesunden“ eigenen Kind zu verhelfen, dient die Erzeugung (und Verwerfung) der Embryonen letztlich fremden Zwecken.

Immanuel Kant wollte dieser Ver- zweckung des menschlichen Lebens ei- nen Riegel vorschieben. Eine Formu- lierung seines so genannten kategori- schen Imperativs in der „Grundlegung der Metaphysik der Sitten“ lautet:

„Handle so, dass du die Menschheit in deiner Person als in der Person eines je- den anderen, jederzeit zugleich als Zweck, und niemals bloß als Mittel ge- brauchst“ (Kant 1991, 79). Der Mensch, und das gilt auch für das Kind und den Embryo in jedem Entwicklungsstadi- um, „existiert als Zweck an sich selbst“.

Ein Embryo kann deshalb nicht zum Mittel der Furchtbekämpfung seiner Eltern angesichts ihres Wunsches auf ein gesundes eigenes Kind eingesetzt werden.

„Praktische Ethik“

Fazit: Weder die klinische Notwendig- keit noch der Hinweis auf die Praxis in Nachbarländern können als ethisches Argument hinreichen (Hepp 2000, 1221). Ebenso wenig kann der Wunsch der Eltern nach einem gesunden Kind eine ethische Validität beanspruchen, die das Lebensrecht anderen menschli- chen Lebens außer Kraft setzen könn-

te. Wenn man anerkennt, dass die Schutzwürdigkeit des menschlichen Embryos vom Zeitpunkt der Fertilisa- tion an besteht, dann könnte das Le- bensrecht des Embryos nur dann einer positiven Güterabwägung mit den In- teressen der Mutter unterworfen wer- den, wenn der spätere, die Straffreiheit bei Schwangerschaftsabbruch begrün- dende Konflikt im Analogieschluss be- reits bei der PGD antizipiert wird. Eine ethische Argumentation, die dies be- jaht, stützt sich auf utilitaristische Ma- ximen wie Interessenabwägung, Hedo- nismus-Prinzip und Totalansicht unter Einbeziehung noch nicht existierender Wesen. Wem diese „praktische Ethik“

angemessen erscheint, der findet darin einen moralischen Rückhalt zur Be- gründung der Präimplantationsdiagno- stik. Wer jedoch gegenüber dieser Moralphilosophie mit ihren bekann- ten Konsequenzen (vgl. Peter Singers Euthanasie-Thesen) skeptisch bleibt, sollte die ethische Argumentation in der Begründung der PGD noch einmal überdenken.

Literatur

1. Hare RM: Das missgebildete Kind. Moralische Dilem- mata für Ärzte und Eltern. In: Leist A (Hg.): Um Leben und Tod. Moralische Probleme bei Abtreibung, künst- licher Befruchtung, Euthanasie und Selbstmord, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 3. Aufl. 1992; 374–383

(zuerst: The Abnormal Child: Moral Dilemmas of Doc- tors and Parents, Dokumentation in Medical Ethics 3, 1974).

2. Hepp H: Diskussionsentwurf zu einer Richtlinie der Bundesärztekammer: Präimplantationsdiagnostik – medizinische, ethische und rechtliche Aspekte, Dt Ärztebl 2000; 97: A-1213–1221 [Heft 18].

3. Höffe O: Einführung in die utilitaristische Ethik, Tübin- gen, ²1992.

4. Kant I: Grundlegung der Metaphysik der Sitten (1785), Stuttgart, 1991.

5. Ministerium der Justiz Rheinland-Pfalz (Hg.): Prä- implantationsdiagnostik. Thesen zu den medizini- schen, rechtlichen und ethischen Problemstellungen.

Bericht der Bioethik-Kommission des Landes Rhein- land-Pfalz vom 20. Juni 1999, Alzey, 1999.

6. Singer P: Praktische Ethik. Neuausgabe, Stuttgart:

Reclam, 1994 (orig. Cambridge 1993).

7. Zimmermann M, Zimmermann R: Präferenz-Utilitaris- mus. Zur Neuausgabe der „Praktischen Ethik“ von Pe- ter Singer, Zeitschrift für Evangelische Ethik 40 (1996), 295–307.

8. Zimmermann M: Geburtshilfe als Sterbehilfe? Zur Behandlungsentscheidung bei schwerstgeschädigten Neugeborenen und Frühgeborenen, Frankfurt a. M.

u. a., 1997.

9. Zimmermann M, Zimmermann R: Präimplantations- diagnostik: Chance oder Irrweg?, Zeitschrift für Evan- gelische Ethik 45 (2001), 47–57.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2000; 97: A 3487–3489 [Heft 51–52]

Anschrift der Verfasser:

Dr. theol. Mirjam Zimmermann Dr. theol. Ruben Zimmermann Nadlerstraße 17

69226 Nußloch

E-Mail: ir8@ix.urz.uni-heidelberg.de D O K U M E N T A T I O N

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 51–52½½½½25. Dezember 2000 AA3489

PGD im Deutschen Ärzteblatt

Der von der Bundesärztekammer vorgelegte, von deren Wissenschaft- lichem Beirat ausgearbeitete „Diskussionsentwurf zu einer Richtlinie zur Präimplantationsdiagnostik“ (PGD = preimplantation genetic diagnosis) wur- de im Deutschen Ärzteblatt, Heft 9/2000, dokumentiert. Außerdem sind bis- her folgende Beiträge erschienen: „Auftakt des öffentlichen Diskurses“ von Sabine Rieser (Heft 9), „Am Rande der schiefen Bahn“ von Norbert Jachertz (Heft 9), „Plädoyer für eine unvoreingenommene offene Debatte“ von Ulrike Riedel (Heft 10), „Mensch von Anfang an“ von Joachim Kardinal Meisner (Heft 14), „Kein Blick aufs Ganze“ von Sabine Rieser (Heft 16), „Schöne Neue Welt: Muss man alles machen, was man kann?“ von Dr. med. Frank Ulrich Montgomery (Heft 18), „Präimplantationsdiagnostik – medizinische, ethische und rechtliche Aspekte“ von Prof. Dr. med. Hermann Hepp (Heft 18),

„Absage an jede Art eugenischer Zielsetzung“ (Heft 22), „Ethisches Dilemma der Fortpflanzungsmedizin“ (Heft 47) und „Unterschiedliche Schutzwürdig- keit“ (Heft 48) von Gisela Klinkhammer. Zu einigen zentralen Punkten der Diskussion hat der Wissenschaftliche Beirat selbst in Heft 17 Stellung bezogen.

In Heft 17 und Heft 28–29 erschien außerdem eine umfangreiche Aussprache.

Die kontroverse Diskussion zur Thematik Präimplantationsdiagnostik wird in diesem Heft mit zwei Aufsätzen fortgesetzt. Kli

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Außerdem sind bisher folgende Beiträge erschienen: „Auftakt des öffentlichen Diskurses“ von Sabine Rieser (Heft 9), „Am Rande der schiefen Bahn“ von Norbert Jachertz (Heft

Es ist in das gemeine Wesen gleichsam eingeschlichen (wie verbotene Ware), so dal~ dieses seine Exi- stenz (weil es billig auf diese Art nicht h~itte existieren

In diesen Fallkonstellationen wird der Konflikt auf dem Boden der Autonomie der Mutter und der ihr durch ein krankes Kind nicht zumut- bar erscheinenden Belastung für

fähigen – Embryo und dem sehr engen Zeitfenster zwischen verlorener Totipo- tenz der Blastomere und noch Erfolg ver- sprechender Implantation des Embryos handelt es sich

fähigen – Embryo und dem sehr engen Zeitfenster zwischen verlorener Totipo- tenz der Blastomere und noch Erfolg ver- sprechender Implantation des Embryos handelt es sich

fähigen – Embryo und dem sehr engen Zeitfenster zwischen verlorener Totipo- tenz der Blastomere und noch Erfolg ver- sprechender Implantation des Embryos handelt es sich

Wenn ein Arzt im Rahmen einer In- vitro-Fertilisation (IVF) eine Eizelle be- fruchtet und diese durch Entnahme einer nicht mehr totipotenten Zelle auf bestimm- te genetische

Wenn ein Arzt im Rahmen einer In- vitro-Fertilisation (IVF) eine Eizelle be- fruchtet und diese durch Entnahme einer nicht mehr totipotenten Zelle auf bestimm- te genetische