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Archiv "PGD im Deutschen Ärzteblatt " (05.05.2000)

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identisch sind mit jenen seinerzeit für die Einführung der PND vorgebrach- ten Begründungen, führen zur Dis- kussion der beiden Verfahren.

4. PGD und PND

Die PGD kann nicht, wie viel- fach geäußert, schlichtweg als eine vorverlegte PND angesehen werden.

Zunächst hat die PGD das mit kör- perlichen und seelischen Risiken für die Mutter behaftete Verfahren der In-vitro-Fertilisation – hormonelle Stimulation, Follikelpunktion und IVF – zur Voraussetzung. Darüber hinaus weist die PGD, wie aus den Pro- und Kontraargumenten ables- bar, eine andere ethische Handlungs- qualität auf: Die konventionelle PND hat – in der Regel (s. u.) – nicht primär einen selektiven oder sogar eugenischen Ansatz. Im Zentrum der PND steht der informative, über Be- ratung nicht selten lebenserhaltende und zunehmend auch intrauterin- therapeutische Ansatz. Pränataldia- gnostik mit einem primär und aus- schließlich selektiven Ansatz ist ethisch fragwürdig – wenn wohl rechtlich zulässig (s. Hanak). Der Gesetzgeber hat die „embryopathische Indikati- on“ zum Schwangerschaftsabbruch im reformierten § 218 StGB gerade deshalb gestrichen und deren Inhalte in der medizinischen Indikation „ver- steckt“ (Hepp, 1996), da er aus der Gesetzessystematik jeden selektiven Ansatz beziehungsweise jedes Urteil über lebenswert und lebensunwert nehmen wollte – was jedoch, wie von mir mehrfach gezeigt, utopisch ist.

Die PND ist heute ein Verfahren, durch das die Eltern – in der Regel – unerwartet in Not und Panik geraten, und der Abbruch der Schwanger- schaft ohne primär selektiven An- satz, das heißt ohne bereits vor der Empfängnis antizipierten Konflikt, erfolgt. Es ist jedoch unbestreitbar, dass mit der Entwicklung immer sub- tilerer Verfahren der PND in der Ge- sellschaft das Bewusstsein über die Möglichkeit der Selektion menschli- chen Lebens hin zum Anspruch auf das unbehinderte Kind gewachsen ist, auch wenn der Gesetzgeber die- sen selektiven Ansatz durch die Sub- sumierung in die mütterlich-medizi-

nische Indikation verstecken oder verneinen wollte.

Die klinische Wirklichkeit lässt uns immer wieder erleben, dass Paare im Wissen um die medizinischen Mög- lichkeiten der PND, zum Beispiel bei Bestehen eines deutlich erhöhten Al- tersrisikos für die Empfängnis eines Kindes mit Down-Syndrom, eine

„Schwangerschaft auf Probe“ anstre- ben, erleben und nach „positiver“

PND den Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen. Die so genann- te „Altersindikation“ zur PND ist nicht mehr und nicht weniger als die Antizipation dieses Konfliktes. Die im Bereich der PND Handelnden ste- hen zudem unter dem Druck des Haftungsrechtes. Man kann mit Hilfe der PND die Geburt eines gesunden Kindes gleichsam erzwingen, indem man aufeinander folgende Schwan- gerschaften so lange abbricht, bis ein nachweislich gesundes Kind empfan- gen wird.

In diesen Fallkonstellationen wird der Konflikt auf dem Boden der Autonomie der Mutter und der ihr durch ein krankes Kind nicht zumut- bar erscheinenden Belastung für die Phase nach der Geburt gleichsam an- tizipiert. Die Antizipation dieses

schweren Konfliktes erfolgt für Eltern eines genetisch und auf den Tod hin schwer erkrankten Kindes – im Ge- gensatz zur allgemeinen „Altersindi- kation“ – aus der erlebten Wirklich- keit. Aufgrund der anamnestischen Erfahrung eines genetisch schwer kranken Kindes steht das Lebens- recht des Embryos beziehungsweise Fötus gegen die antizipierte, gesund- heitliche Gefährdung der zukünftigen Mutter und bewirkt so eine Analogie von Embryoselektion in vitro nach PGD und Schwangerschaftsabbruch in vivo nach PND, da . . . „die real exi- stierende Schwangerschaft für das Be- stehen des Konfliktes nicht konstitu- tiv ist“ (Woopen, 1999).

Es gibt demnach nicht nur die un- ter Vorbehalt stehende (bedingte) Zeugung, sondern im Hinblick auf die Möglichkeiten der PND auch die un- ter Vorbehalt stehende Schwanger- schaft. Bei diesem Ansatz ist die PGD tatsächlich eine zeitlich vorverlegte PND – mit anders gearteten und der- zeit höheren medizinischen Risiken.

Nimmt man diese medizinische Wirklichkeit zur Kenntnis und bejaht für bestimmte Fallkonstellationen die aufgezeigte Analogie von PND zu PGD, dann ist in einem zu erwarten- den Fortpflanzungsmedizingesetz die PGD nur dann strafrechtlich zu ver- bieten, wenn auch eine „Schwanger- schaft auf Probe“ expressis verbis als ein Verstoß gegen § 218 a Abs. 2 ge- ahndet wird. Anderenfalls bestünde ein Wertungswiderspruch zwischen

§ 218 a Abs. 2 und ESchG – wobei die Beweisführung für eine „illegale Schwangerschaft auf Probe“ mit Ab- bruch der Schwangerschaft wohl sehr schwierig sein dürfte.

5. Schlussbemerkung

Der Bedarf und die klinische Notwendigkeit einer PGD sind eben- so wenig ein ethisches Argument wie der Hinweis auf die Praxis in benach- barten Ländern. Der Zweck bezie- hungsweise das Ziel heiligt nicht das Mittel. Dennoch sind wir durch das neue Machbare herausgefordert, uns mit den medizinischen, ethischen und rechtlichen Aspekten ernsthaft, das heißt ergebnisoffen, auseinander zu setzen.

A-1220 Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 18, 5. Mai 2000

D O K U M E N T A T I O N AUFSÄTZE

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Der von der Bundesärztekammer vorgelegte, von deren Wissenschaftli- chem Beirat ausgearbeitete „Diskus- sionsentwurf zu einer Richtlinie zur Präimplantationsdiagnostik“ (PGD

= preimplantation genetic diagnosis) wurde in Heft 9/2000 dokumentiert.

Außerdem sind folgende Beiträge bisher erschienen: „Auftakt des öf- fentlichen Diskurses“ von Sabine Rieser (Heft 9), „Am Rande der schiefen Bahn“ von Norbert Jachertz (Heft 9), „Plädoyer für eine unvor- eingenommene, offene Debatte“ von Ulrike Riedel (Heft 10), „Mensch von Anfang an“ von Joachim Kardi- nal Meisner (Heft 14). Zu einigen zentralen Punkten der Diskussion hat der Wissenschaftliche Beirat in zwei Kommentaren in Heft 17 Stel- lung genommen. Im selben Heft erschien zudem eine umfangreiche

Aussprache NJ

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