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Archiv "PID im Deutschen Ärzteblatt" (06.04.2001)

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te anführen. Wenn es eines Be- weises bedurft hätte, dass wir uns in einer wertepluralen Ge- sellschaft befinden, hier ist er.

Was folgt aus dieser ernüch- ternden Diagnose? Die Debat- te um den moralischen Status des ungeborenen menschli- chen Lebens führt uns mit Deutlichkeit vor Augen, dass in dieser Frage eine politische Entscheidung gefällt werden muss, da kein moralischer Konsens erwartet werden darf.

Der Staat in Form seiner de- mokratisch legitimierten In- stitutionen muss sich Fragen jenseits der verschiedenen Überzeugungen stellen. Er- stens: Auf welchen Prämissen basieren die jeweiligen Positio- nen zum Lebensschutz des un- geborenen Lebens, und inwie- weit sind diese Vorannahmen – zum Beispiel religiöser Art – für alle verbindlich? Zweitens:

Nicht die Frage, welche Vorge- hensweise ist moralisch die einzig richtige, stellt sich, son- dern: Welche Handlungen soll

der Staat erlauben? Im Grunde hat sich der Gesetzgeber so bereits beim § 218 verhalten. Dieses Gesetz ist einzig ein politischer Kompromiss, der dem mo- ralischen Dissens in unserer Gesell- schaft nicht beikommen konnte.

Auch die Konsequenzen aus der no- torischen Uneinigkeit beim Embryo- nenschutz sind lange bekannt. Schon vor über zehn Jahren beendete Anton Leist seine Untersuchung zum morali- schen Status des ungeborenen Lebens mit der Feststellung, dass sie in die Frage der Toleranz münden würde.

Was soll erlaubt werden, ohne die Zu- mutbarkeit der Vertreter anderer An- sichten zu überfordern? Wenn gute Argumente für einen gestuften Le- bensschutz von Embryonen angeführt werden können und die Gegenargu- mente zumeist auf bedingt verallge- meinerungsfähigen Vorannahmen be- ruhen, dann sollte man den Schutz der Embryonen in der frühesten Phase zumindest gegen andere hochrangige Güter zur Abwägung stellen. Dass die- se Überlegungen nicht ganz folgewid- rig sind, sei mit Verweis auf die Rea-

lität untermauert: Die Tötung von Embryonen geschieht beispielsweise durch die Spirale millionenfach, ohne dass sie sonderlich kontrovers wäre.

Entweder die Spirale müsste verboten werden, oder die Überlegungen der Bundesärztekammer zur PID sind nicht ganz abwegig. Zudem schließen liberale rechtliche Regelungen nicht aus, dass für zahlreiche Bürger auf- grund von moralischen, hoch respekta- blen Überzeugungen eine PID oder ein Schwangerschaftsabbruch nicht in- frage kommen.

Die Ärzteschaft – welche Rolle?

In die Diskussion haben sich Ärzte und Vertreter der verfassten Ärzteschaft eingeschaltet – mit deutlicher Reso- nanz. Insbesondere ein Artikel des Präsidenten der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, in der Frankfur- ter Allgemeinen Zeitung hat zahlreiche Reaktionen provoziert. Nicht zuletzt von ihm selbst, wurde doch sein Artikel

ohne Rücksprache gekürzt, entstellend überschrieben und redaktionell vernichtend kom- mentiert: Seine Ausführungen seien „in weiten Teilen ein Do- kument der Hilflosigkeit“.

Das bitterböse Urteil des redaktionellen Kommentars richtete sich unter anderem ge- gen Hoppes Äußerung, die aufgeworfenen Fragen könn- ten nur von der „Gesamtge- sellschaft“ beantwortet wer- den. Dem hielt wenig später Stephan Sahm entgegen, es zähle „zu den vornehmsten ärztlichen Pflichten [. . .], zu den ethischen Herausforde- rungen medizinischer Praxis einen Standpunkt zu finden“ . Unweigerlich drängt sich die Frage auf, welche Rolle der Ärzteschaft bei der Auseinan- dersetzung zukommt. Zweier- lei sollte man sich vergegen- wärtigen. Erstens: Wen betref- fen die Entscheidungen? Und zweitens: Gibt es eine Gruppe, die über einen privilegierten Zugang zu einer besseren und in höherem Maße verbindlichen Moral verfügt?

Die erste Frage lässt sich leicht be- antworten: Die Auswirkungen neuer Technologien in der Medizin betreffen alle potenziellen Kranken, also im Prin- zip alle Bürger. Die Frage, wie eine Gesellschaft mit dem ungeborenen menschlichen Leben umgehen soll, be- trifft gleichermaßen alle Bürger. Hier steht kein professionsinternes, sondern ein „gesamtgesellschaftliches“ Problem zur Debatte.

Bei der Frage nach einem privilegier- ten Zugang zu einer Moral wird man auf Grundannahmen unseres Gemein- wesens verweisen müssen. Zu diesen gehört, dass ein jeder Bürger in Sachen Moral zunächst einmal selbst Experte ist. Als sittliche Subjekte sind wir in ho- hem Maße auf uns selbst verwiesen, und darin sind sich alle Bürger gleich.

Es ist mit dem Selbstverständnis einer demokratischen und offenen Gesell- schaft daher kaum zu vereinbaren, dass einer Berufsgruppe exklusive morali- sche Fähigkeiten zugestanden werden, und Gleiches gilt für exklusive morali-

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 14½½½½6. April 2001 AA897

D O K U M E N T A T I O N

PID im Deutschen Ärzteblatt

Der von der Bundesärztekammer vorgelegte, von deren Wissenschaftlichem Beirat ausgearbeitete „Diskussionsent- wurf zu einer Richtlinie zur Präimplantationsdiagnostik“ (PID) wurde im Deutschen Ärzteblatt, Heft 9/2000, dokumentiert.

Außerdem sind bisher folgende Beiträge erschienen: „Auftakt des öffentlichen Diskurses“ von Sabine Rieser (Heft 9), „Am Rande der schiefen Bahn“ von Norbert Jachertz (Heft 9), „Plä- doyer für eine unvoreingenommene offene Debatte“ von Ulri- ke Riedel (Heft 10), „Mensch von Anfang an“ von Joachim Kar- dinal Meisner (Heft 14), „Kein Blick aufs Ganze“ von Sabine Rieser (Heft 16), „Schöne Neue Welt: Muss man alles machen, was man kann?“ von Dr. med. Frank Ulrich Montgomery (Heft 18), „Präimplantationsdiagnostik – medizinische, ethische und rechtliche Aspekte“ von Prof. Dr. med. Hermann Hepp (Heft 18), „Absage an jede Art eugenischer Zielsetzung“ (Heft 22),

„Ethisches Dilemma der Fortpflanzungsmedizin“ (Heft 47),

„Unterschiedliche Schutzwürdigkeit“ (Heft 48) von Gisela Klinkhammer, „Zunehmendes Lebensrecht“ (Heft 51–52) von Dr. jur. Rudolf Neidert sowie „Gibt es das Recht auf ein gesun- des Kind?“ von Dr. theol. Mirjam Zimmermann und Dr. theol.

Ruben Zimmermann (Heft 51–52). Zu einigen zentralen Punk- ten der Diskussion hat der Wissenschaftliche Beirat in Heft 17 Stellung bezogen. In Heft 17 und Heft 28–29 erschien außer- dem eine umfangreiche Aussprache. Die kontroverse Diskussi- on zur Thematik Präimplantationsdiagnostik wird in diesem Heft mit einer Aussprache zu dem Beitrag „Zunehmendes Le- bensrecht“ und einem weiteren Aufsatz fortgesetzt. Kli

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