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Archiv "Grenzen ärztlichen Handelns am Ende des Lebens: Sterben ist nicht normierbar" (01.12.2006)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 48⏐⏐1. Dezember 2006 A3219

P O L I T I K

I

n Deutschland lehnt die Ärzte- schaft aktive Euthanasie entschie- den ab. Das betonte der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, Ende November in Berlin. Und da- mit stünden die deutschen Ärzte keineswegs allein. Nur in wenigen Ländern, wie den Niederlanden, sei aktive Sterbehilfe unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Auf der anderen Seite wünschten die Bürger in den westlichen Industrienationen zunehmend eine Zulassung der akti- ven Sterbehilfe, berichtete Prof. Dr.

med. Dr. phil. Urban Wiesing, Vor- sitzender der Zentralen Ethikkom- mission bei der BÄK. Doch für Hoppe ist dies keineswegs ein Argu- ment, um von der Linie der Bundes- ärztekammer abzuweichen. „Was machen wir, wenn das wirklich wichtige Vertrauensverhältnis des Patienten zu seinem Arzt derart be- lastet wird, dass er annehmen muss, in der schwierigsten Situation sei- nes Lebens nicht den Heiler und Helfer, sondern die vollstreckende Hand einer familiären oder sogar gesellschaftlichen Erwartungshal- tung vor sich zu haben?“, fragte der BÄK-Präsident.

Patientenverfügungen

Eine wesentliche Hilfe für das Han- deln des Arztes seien Patientenver- fügungen. Deshalb sollten mög- lichst viele Bürger motiviert wer- den, von den Möglichkeiten einer Patientenverfügung, einer Vorsor- gevollmacht oder Betreuungsverfü- gung Gebrauch zu machen. Patien- tenverfügungen seien verbindlich, wenn sie der aktuellen Situation ent- sprächen und keine konkreten An- haltspunkte für einen Widerruf er- kennbar seien.

Es sei allerdings illusorisch, dass man alle denkbaren Fälle mit einer

Patientenverfügung erfassen kann.

„Deshalb ist es fraglich, ob mit ei- nem Gesetz tatsächlich Rechtsver- bindlichkeit hergestellt werden kann. Krankheitsverläufe sind im- mer individuell und lassen sich nicht einfach mit einem Gesetz re- geln. Das Sterben ist nicht normier- bar.“ Der Gesetzgeber sollte sich nach Auffassung Hoppes darauf be- schränken, eventuelle notwendige verfahrensrechtliche Fragen klarzu- stellen, jedoch auf eine weiterge- hende Regelung zur Patientenverfü- gung verzichten.

Anfang des Jahres 2005 hat das Bundesjustizministerium fürs Erste Abschied von seinen Plänen ge- nommen, Patientenverfügungen im Betreuungsrecht gesetzlich zu ver- ankern. Die Bundesärztekammer begrüßt diese Entscheidung. Hoppe:

„Denn eine gesetzliche Regelung kann nicht am Anfang eines Mei- nungsbildungsprozesses stehen, son- dern immer nur am Ende. Dieser Prozess ist aber noch lange nicht in Gang gekommen.“ Dr. med. Wolf- gang Wodarg, Mitglied des Gesund- heitsausschusses des Deutschen Bundestages, sprach sich ebenfalls gegen eine vorschnelle gesetzliche Regelung von Patientenverfügun- gen aus. Es gebe bereits jetzt gute Instrumente, die das ärztliche Han- deln steuerten. Dazu gehörten die medizinische Indikation, die Sorg- faltspflicht und die Dokumentati- onspflicht. Ärzte dürften nicht ge- gen den Willen des Patienten han- deln und müssten im Zweifelsfall versuchen, diesen zu ermitteln.

Der 63. Deutsche Juristentag hat- te sich dagegen kürzlich mit großer Mehrheit für eine gesetzliche Rege- lung der Verbindlichkeit von Patien- tenverfügungen ausgesprochen, wie der Justiziar der Bundesärztekam- mer, Rechtsanwalt Horst Dieter

Schirmer, berichtete. Außerdem wur- de vom Juristentag folgende Ent- schließung gefasst: „Die ausnahms- los standesrechtliche Missbilligung des ärztlich assistierten Suizids soll- te einer differenzierten Beurteilung weichen, welche die Mitwirkung des Arztes an dem Suizid eines Pati- enten mit unerträglichen, unheilba- ren und palliativmedizinischen Mit- teln nicht ausreichend zu lindernden Leiden als eine nicht nur strafrecht- lich zulässige, sondern auch ethisch vertretbare Form der Sterbebeglei- tung toleriert.“

Palliativmedizin

Hoppe befürchtet, dass der Juristen- tag mit seinen Beschlüssen zum ärztlich assistierten Suizid mögli- cherweise dem Druck des Main- streams erlegen sein könnte. Er selbst lässt „bei dieser grundsätzli- chen ethischen Frage kein Diktat des Zeitgeistes zu“. Wenn eine lebenser- haltende Behandlung nicht mehr möglich sei oder das Leiden nur ver- längere, ändere sich das Behand- lungsziel: Anstelle von lebenserhal- tenden Maßnahmen sei die palliativ- medizinische Versorgung indiziert.

Auf keinen Fall dürfte Deutsch- land auf eine solche schiefe Ebene wie die Niederlande und Belgien geraten, forderte Hoppe. „In den Niederlanden gibt es längst keine stabile Grenze mehr gegen Fremd- bestimmung und Tötung auf Verlan- gen anderer, die Mitleid haben, der Situation nicht gewachsen sind oder die Pflege nicht mehr bezahlen wol- len.“ 60 Prozent der Fälle aktiver Sterbehilfe in den Niederlanden sei- en nicht ordnungsgemäß gemeldet worden. Circa tausend Fälle nicht freiwilliger aktiver Sterbehilfe seien im Nachbarland verzeichnet wor- den, ergänzte Wiesing. I Gisela Klinkhammer

GRENZEN ÄRZTLICHEN HANDELNS AM ENDE DES LEBENS

Sterben ist nicht normierbar

Es gibt zunehmend Bestrebungen, Patientenverfügungen möglichst bald gesetzlich zu regeln. Vor diesem Hintergrund diskutierten in Berlin Ärzte und Juristen

mit Journalisten über das Thema „Selbstbestimmt sterben – mit ärztlicher Hilfe?“.

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