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Archiv "Sterbehilfe: „Sterben ist Teil des Lebens“" (31.01.2014)

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A 160 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 5

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31. Januar 2014

D

as meistverkaufte und um- satzstärkste Buch des ver- gangenen Jahres, „Ein ganzes hal- bes Jahr“ von Jojo Moyes, ist eine Liebesgeschichte. In dem Roman geht es aber auch um Beihilfe zum Suizid: Die Protagonistin verliebt sich in einen Tetraplegiker, der sei- nem Leben mit Hilfe von Dignitas ein Ende setzt. Die große Resonanz auf einen Roman mit einem derart schwierigen Inhalt ist auch ein In- diz dafür, dass sich die Menschen mit dieser Thematik beschäftigen.

„Wer hat das Recht, für einen ande- ren zu definieren, was Lebensquali- tät ist? Wie reagiert man als Eltern, wenn das eigene Kind zum Sterben entschlossen ist?“, fragte die Auto- rin in einem Interview.

Eine Diskussion über diese The- matik hat jetzt ebenfalls Bundes - gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) entfacht, indem er eine Neu- regelung der Sterbehilfe ankündigte.

Gröhe will jede geschäftsmäßige Hilfe zur Selbsttötung unter Strafe stellen. Bisher gibt es in Deutsch- land kein spezielles Gesetz, das die Sterbehilfe regelt. Laut Umfrage der Krankenkasse DAK fänden es 79

Prozent der Befragten gut, wenn der Bundestag dieses Thema aufgreifen und entscheiden würde. Die Zustim- mung ist in der Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen mit 86 Prozent deut- lich größer als bei den über 60-Jähri- gen mit 74 Prozent. Nach der Um- frage möchten 70 Prozent der Be- fragten im Falle schwerster Krank- heit die Möglichkeit haben, auf akti- ve Sterbehilfe zurückzugreifen.

Die Tötung auf Verlangen ist in Deutschland verboten

Gleichzeitig zeigen sich 41 Prozent der von der Krankenkasse Befrag- ten „weniger gut“ und 16 Prozent

„überhaupt nicht gut“ über die der- zeit geltenden Regelungen bei der Sterbehilfe informiert. Dessen sind sich offenbar auch die Ärzte be- wusst. „In der Diskussion werden viele Begriffe – oft fälschlich – ver- wendet“, schreibt die Deutsche Ge- sellschaft für Palliativmedizin (DGP) im Deutschen Ärzteblatt (Heft 3/2014). Die Fachgesellschaft benutzt den Begriff aktive Sterbe- hilfe nicht und weist explizit darauf hin, dass die Tötung auf Verlangen in Deutschland verboten sei. Und

das soll nach Ansicht des Präsi - denten der Bundesärztekammer (BÄK), Prof. Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, auch so bleiben. Es sei nicht würdig, „sein Leben weg- gespritzt zu bekommen“. Würdig sei es vielmehr, sein Leben zu Ende zu leben, denn das Sterben sei Teil des Lebens. Das Ergebnis der Um- fragen ist für Montgomery dennoch nicht überraschend. Er sieht darin den Wunsch, „möglichst viel Ent- scheidungsfreiheit auch über den eigenen Tod hinweg zu bewahren“, sagte er dem Deutschen Ärzteblatt.

Die Union hatte in ihrem Wahl- programm betont, dass sie „aktive Sterbehilfe ablehnt und sich dafür einsetzt, dass die gewerbsmäßige und organisierte Hilfe zur Selbsttö- tung künftig unter Strafe gestellt wird“. So findet Gröhe unter ande- rem Zustimmung bei Unions-Frak- tionschef Volker Kauder (CDU), der sich ebenfalls für ein umfassen- des Verbot aller Formen der organi- sierten Sterbehilfe aussprach.

Unterstützung bekamen beide vom früheren SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering, der in der „Süd- deutschen Zeitung“ deutliche Worte STERBEHILFE

„Sterben ist Teil des Lebens“

Tötung auf Verlangen, ärztlich assistierter Suizid, Behandlungsabbruch – der Vorstoß für eine gesetzliche Regelung von Gesundheitsminister Gröhe hat die Diskussion neu entfacht.

Foto: laif

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Deutsches Ärzteblatt

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31. Januar 2014 A 161 fand: „Wenn Altsein wirklich so

trottelig und wertlos ist und außer- dem in seiner Massenhaftigkeit auch recht kostenträchtig – muss man dann den Menschen nicht rechtzeitig abraten davon und ihnen zum runden Geburtstag einen kos- tenlosen süßen Auf-immer-Ein- schlaftrunk andienen? Win-win?

Die Erbenkonten werden nicht für Trotteligkeiten verplempert.“

Ärzte sind auf den Erhalt des Lebens ausgerichtet

Zuständig für ein neues Sterbehilfe- gesetz ist das Bundesjustizministe- rium. Minister Heiko Maas (SPD) hat sich dafür ausgesprochen, ein Gesetz zur Sterbehilfe über Frakti- onsgrenzen hinweg im Bundestag zu erarbeiten. „Der Fraktionszwang sollte aufgehoben werden, und wir sollten interfraktionelle Anträge in den Bundestag einbringen“, sagte Maas der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. 2005 hatte er sich für die Möglichkeit der aktiven Sterbehilfe „in engen Grenzen“

ausgesprochen. „Ich möchte im Fall des Falles dieses Recht für mich in Anspruch nehmen können“, hatte Maas damals gesagt.

Beihilfe zum Suizid bleibt im Gegensatz zur Tötung auf Verlan- gen in Deutschland bisher straflos.

Strafrechtlich gesehen ist der ärzt- lich assistierte Suizid ebenfalls straffrei. In der (Muster-)Berufsord- nung (MBO) der Bundesärztekam- mer heißt es allerdings: „Ärztinnen und Ärzte dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.“ Diese vom Kieler Ärztetag beschlossene Neu- ordnung des § 16 MBO befindet sich derzeit in der Umsetzungspha- se in die Berufsordnungen der 17 Landesärztekammern. Die eindeuti- ge Formulierung des § 16 MBO in Verbindung mit dem in allen 17 Lan- desärztekammern seit jeher gelten- den § 1 (2) der ärztlichen Berufs- ordnung setzt Befürchtungen ein klares Nein entgegen, Sterbewillige könnten innerhalb von Deutschland Regionen aufsuchen, in denen die Vorgaben für den ärztlich assistier- ten Suizid weniger strikt geregelt sind. Die Berufsordnungen der Landesärztekammern formulieren einheitlich und bundesweit „Aufga-

be der Ärztinnen und Ärzte ist es, das Leben zu erhalten, die Gesund- heit zu schützen und wiederherzu- stellen, Leiden zu lindern, Sterben- den Beistand zu leisten . . .“.

Die DGP betont, dass es nicht zum Grundverständnis der Pallia- tivmedizin gehört, Beihilfe zum Suizid zu leisten oder über die ge- zielte Durchführung eines Suizids zu beraten. Allerdings zähle es unbe- dingt zu den ärztlichen Aufgaben, sich respektvoll mit Todeswünschen von Patienten – wie auch Suizid- wünschen im engeren Sinne – aus- einanderzusetzen. Ähnlich argumen- tiert ebenfalls der BÄK-Präsident.

Der Patient müsse wissen, dass Ärzte in ihrer Grundausrichtung auf den Erhalt des Lebens ausgerichtet seien: „Der Patient muss gleichzei- tig wissen, dass der Arzt nicht an sein Bett tritt, um zu töten.“

Schwer kranke Menschen, die den Wunsch zu sterben äußerten, wünschten nicht zwingend den so- fortigen Tod, sondern oftmals das Ende einer unerträglichen Situation, so die DGP. Häufig sei es die Angst, Schmerzen, Luftnot oder anderen

schweren Symptomen ausgeliefert zu sein. Ziel der Palliativversorgung sei es, durch bestmögliche Unter- stützung Menschen im Sterben mehr Leben zu geben und zugleich das Sterben nicht aufzuhalten. Auch Montgomery betont die Bedeutung der palliativen Versorgung: „Wenn man todkranken Menschen die Angst vor dem Sterben nimmt und ihnen Schmerzfreiheit garantiert, dann ist bei den meisten Menschen innerhalb von 24 Stunden der Todes- wunsch verschwunden.“

Die Evangelische Kirche im Rheinland (EKiR) plädiert in einem Ende Januar verabschiedeten Papier mit dem Titel „Niemand nimmt sich gern das Leben“ dafür, durch eine gute seelsorgliche Begleitung Sui- ziden vorzubeugen. Die EKiR spricht sich für einen Ausbau der Palliativmedizin aus, um unheilbar

Kranken Ängste vor Schmerzen zu nehmen. Eine Zusammenarbeit mit Sterbehilfeorganisationen lehnt sie ab. Die Deutsche Bischofskonfe- renz begrüßt es, „wenn Initiativen ergriffen werden, um die in den letzten Jahren alarmierend gestiege- ne Anzahl von Fällen des begleite- ten Suizids grundlegend einzudäm- men und die Beihilfe zur Selbsttö- tung nicht zu einer normalen, ge- sellschaftlich anerkannten Dienst- leistung werden zu lassen“.

Unterschied zwischen Suizid und Behandlungsabbruch

Auf den Unterschied zwischen ärzt- licher Beihilfe zum Suizid und Be- handlungsabbruch machte auf ei- ner Fortbildungsveranstaltung im Agaplesion-Markus-Krankenhaus in Frankfurt am Main am 22. Januar die ehemalige Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof, Prof. Dr. jur.

Ruth Rissing-van Saan, aufmerk- sam. Unter einem Suizid wird ihrer Ansicht nach das auf einer mögli- cherweise freien Entscheidung beru- hende Beenden des eigenen Lebens verstanden. Davon zu unterscheiden

sei aber der Behandlungsabbruch,

„der dann vorliegt, wenn der Betrof- fene seine letztlich tödlich verlau- fende Erkrankung nicht mehr behan- deln lässt. Eine dem Patientenwillen entsprechende Unterlassung, Be- grenzung oder Beendigung einer le- benserhaltenden medizinischen Maß- nahme ist deshalb rechtlich keine Beihilfe zum Suizid.“

Auch in den Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung der BÄK heißt es: „Ein offensichtlicher Sterbevorgang soll nicht durch le- benserhaltende Therapien künstlich in die Länge gezogen werden. Dar - über hinaus darf das Sterben durch Unterlassen, Begrenzen oder Been- den einer begonnenen medizini- schen Behandlung ermöglicht wer- den, wenn dies dem Willen des Pa- tienten entspricht.“

Gisela Klinkhammer

Ziel der Palliativversorgung ist es, durch bestmögliche Unterstützung Menschen im Sterben mehr Leben zu geben und gleichzeitig das Sterben nicht aufzuhalten.

P O L I T I K

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