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Archiv "Ärztekammern und Sterbehilfe: Darf ein Arzt beim Sterben helfen?" (15.03.2013)

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A 500 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 11

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15. März 2013

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eihilfe zum Suizid ist in Deutschland derzeit straffrei.

Ein Gesetzentwurf von Bundesjus- tizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger (FDP) sieht aller- dings vor, die „gewerbsmäßige“

Beihilfe zum Suizid unter Strafe zu stellen. Kritiker aus Kirchen, Ver- bänden und der Union fürchten, dass damit zugleich jede organi- sierte Suizidbeihilfe ohne Gewinn- absicht legalisiert werden könnte.

Das Kabinett hat den Gesetzent- wurf aus dem Justizministerium bereits beschlossen. Der Bundestag überwies ihn nach der Ersten Le- sung an den Rechts- und den Innen- ausschuss. Die Union will jetzt zu- nächst intern neu beraten und dann das Gespräch mit dem Koalitions- partner FDP suchen.

Ob es ein Gesetz geben wird, bleibt also ungewiss. Doch nicht nur die Politik, sondern auch die Ärzteschaft diskutiert lebhaft über die Thematik der Beihilfe von Ärz- ten bei der Selbsttötung.

(Muster-)Berufsordnung:

Verbot ärztlicher Sterbehilfe

So gingen auf einer Podiumsdis- kussion des Zentrums für Medizi - nische Ethik in Bochum Medizin- ethiker, Ärzte, Juristen und Ver - treter der nordrhein-westfälischen Ärztekammern der Frage nach, wie weit in Bezug auf ärztlich assistier- te Selbsttötung die Befugnisse der Kammern reichen.

Zur Erinnerung: Anfang 2011 novellierte die Bundesärztekammer ihre Grundsätze zur ärztlichen Ster-

bebegleitung. Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung sei kei- ne ärztliche Aufgabe, heißt es darin.

Diese Formulierung trat an die Stelle der bisherigen Feststellung, dass die Mitwirkung des Arztes an der Selbsttötung des Patienten dem ärztlichen Ethos widerspreche. „Da- mit werden die verschiedenen und differenzierten individuellen Moral- vorstellungen von Ärzten in einer pluralistischen Gesellschaft aner- kannt, ohne die Grundausrichtung und die grundlegenden Aussagen zur ärztlichen Sterbebegleitung in- frage zu stellen“, betonte der da - malige, inzwischen verstorbene Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe.

Wenig später wurde auf dem 114. Deutschen Ärztetag in Kiel

Foto: laif

ÄRZTEKAMMERN UND STERBEHILFE

Darf ein Arzt beim Sterben helfen?

Medizinethiker, Ärzte, Juristen und Vertreter der Ärztekammern nehmen teilweise konträre Positionen ein.

T H E M E N D E R Z E I T

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erstmals ausdrücklich ein über das Strafrecht hinausgehendes Verbot der ärztlichen Beihilfe zu Selbsttö- tungen festgelegt (Kasten). In der vorher geltenden Berufsordnung war ein explizites Verbot der ärztli- chen Suizidbegleitung nicht enthal- ten. Dort hieß es, dass Ärztinnen und Ärzte verpflichtet seien, auf le- bensverlängernde Maßnahmen nur dann zu verzichten, wenn ein Hin- ausschieben des unvermeidbaren Todes für die sterbende Person le- diglich eine unzumutbare Verlänge- rung des Leidens bedeute.

Engere Grenzen durch das Berufsrecht

Die neue Bestimmung der (Mus- ter-)Berufsordnung (MBO) kann al- lerdings nur dann rechtsverbindlich werden, wenn die Landesärztekam- mern den Passus in ihre Berufsord- nungen übernehmen. Doch das ist bislang nicht überall geschehen.

„Es gibt Ärztekammern, die den Passus der (Muster-)Berufsordnung übernommen haben. Es gibt Ärzte- kammern, die die Änderungen nicht übernommen haben, und dann gibt es beispielsweise die Ärztekammer Westfalen-Lippe, die eine abge- wandelte Formulierung dieses Be- schlusses des Ärztetages umgesetzt hat“, berichtete Prof. Dr. jur. Stefan Huster, Bochum. Dort heißt es in der Berufsordnung nicht: Ärzte dürfen keine Beihilfe zum Suizid leisten, sondern Ärzte sollen keine Beihilfe zum Suizid leisten. Für Ju- risten stelle sich jetzt, so Huster, die Frage: „Wie weit reichen die Be- fugnisse der Ärztekammern? Dür- fen die Ärztekammern so etwas überhaupt regeln?“

Ja, meint Prof. Dr. jur. Winfried Kluth, Halle an der Saale. Seiner Ansicht nach können es Ärzte nur schwer mit ihrer Berufsethik in Ein- klang bringen, Menschen bei der Selbsttötung zu helfen. Sie sollten vielmehr Leben schützen und Ster- benden beistehen, und das Berufs- recht könne durchaus engere Gren- zen ziehen als das Strafrecht, wo- nach Beihilfe zum Suizid erlaubt sei. Generelle Verbote der ärztli- chen Suizidassistenz in den Berufs- ordnungen sind Kluths Ansicht nach zulässig. „Rechtfertigendes

Schutzgut sind dabei der wirksame Lebensschutz sowie der Schutz der institutionellen Rolle der Ärzte- schaft in der gesellschaftlichen Ordnung.“ Kluth kritisiert die un- einheitliche Regelungspraxis der Ärztekammern. Dadurch werde nämlich die Legitimationskraft der Verbotsregelungen in den Berufs- ordnungen gestört und der „ethi- sche Appell“ der MBO geschwächt.

Der Jurist fordert deshalb die Ärzte- schaft dazu auf, „sich über eine ein- heitliche Fassung in die eine oder andere Richtung zu verständigen“.

Gegen eine explizite berufs- rechtliche Regelung sprach sich der Wittener Anästhesiologe Dr. med.

Matthias Thöns aus. Der Wunsch nach Selbsttötung sei schließlich eine Seltenheit. Nur etwa einer von circa 1 000 palliativ versorgten Pa- tienten äußere ihn. „Doch es gibt sie, die Einzelfälle, in denen selbst ein Spezialist das Leiden des Pa-

tienten nicht ausreichend lindern kann und bei denen der Sterbe- wunsch bestehen bleibt“. In sol- chen Extremfällen sollte der Arzt seinem Gewissen folgen dürfen und keine rechtlichen Sanktionen fürchten müssen, fordert Thöns.

Damit könne man es immerhin ver- meiden, dass sich Menschen erhän- gen, aus großer Höhe stürzen oder erschießen.

Keine Beihilfe zum Suizid bei psychisch Kranken

Prof. Dr. med. Dr. Jochen Voll- mann, Bochum, kritisierte die Ver- schärfung der MBO. Auf der Veran- staltung in Bochum erläuterte er seine Bedenken am Beispiel des US-Bundesstaates Oregon. Dort ge- be es keinerlei Hinweise darauf, dass die erlaubte Hilfe bei einer Selbsttötung einen Vertrauensver-

lust in den Arztberuf bewirke. Eine völlig andere Situation, vor die ein Arzt häufig gestellt würde, sei die Bitte nach Beihilfe zum Suizid bei psychisch Kranken, die oft in der jeweiligen Krankheitsphase oder Krisensituation nicht einwilli- gungsfähig seien. „Selbstverständ- lich habe ich einen solchen Patien- ten vor der Selbsttötung zu schüt- zen“, stellte Vollmann klar. Bei der überwiegenden Mehrheit handele es sich aber um selbstbestimmungs- fähige Patienten, die meistens an ei- ner langwierigen Krebserkrankung oder einer chronisch-neurologi- schen Erkrankung litten und die zu einer wohldurchdachten Entschei- dung gelangt seien.

Entscheidung für eine abgeschwächte Formulierung

Aus ähnlichen Gründen hat sich of- fenbar auch die Ärztekammer Westfalen-Lippe nach zähem Rin- gen, wie deren Präsident Dr. med.

Theodor Windhorst berichtete, auf eine abgeschwächte Formulierung geeinigt. In der Berufsordnung heißt es dort jetzt, dass Ärzte keine Hilfe zur Selbsttötung leisten „sol- len“. Die Regelung in seinem Lan- desteil zwinge ihn nicht, einen Arzt zu bestrafen, der bei der Selbsttö- tung geholfen habe. Dennoch möchte auch Windhorst keinesfalls

„holländische oder belgische Ver- hältnisse“ in seinem Kammerbe- reich. In erster Linie müssten Ärzte schwerst- und sterbenskranke Men- schen begleiten und palliativmedi- zinisch unterstützen, forderte er.

Der Vizepräsident der Ärztekam- mer Nordrhein, Dr. med. Bernd Zimmer, verwahrt sich grundsätz- lich gegen ärztliche Beihilfe zum Suizid. Er berichtete, dass seine Kammer das strenge Verbot zur Selbsttötung aus der (Muster-)Be- rufsordnung übernommen habe.

„Wir wollen kein uneinheitliches Arztbild haben.“ Seiner Ansicht nach kann die Ärzteschaft als freier Beruf über das hinausgehen, was im Strafgesetzbuch steht. „Wenn ich als Arzt Beihilfe zum Suizid leisten soll, werde ich zum Leis- tungserbringer degradiert“, betonte

Zimmer.

Gisela Klinkhammer Ärztinnen und Ärzte haben Sterbenden unter Wahrung

ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen. Es ist ihnen verboten, Patientinnen und Patienten auf deren Verlangen zu töten.

Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.

§ 16 (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte

BEISTAND FÜR STERBENDE

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