A 1996 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 106|
Heft 41|
9. Oktober 2009DEUTSCHER APOTHEKERTAG
„Das Gesundheitswesen ist kein Abenteuerspielplatz“
Die Apotheker fordern von der Politik verlässliche Rahmenbedingungen und den Erhalt des Apothekerberufs als eigenverantwortlicher und unabhängiger Heilberuf.
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ie Apotheker haben derzeit allen Grund zufrieden zu sein. Im Mai hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass das deutsche Fremdbesitzver- bot für Apotheken mit europä - ischem Recht vereinbar ist. Das bedeutet, dass auch künftig in Deutschland nur Apotheker eine Apotheke besitzen dürfen und Ka- pitalgesellschaften der Eintritt in den lukrativen Arzneimittelmarkt verwehrt ist – zumindest solange der deutsche Gesetzgeber nichtsGegenteiliges beschließt. Damit ist jedoch derzeit kaum zu rechnen.
Gegen Pick-up-Stellen
Bei der Eröffnung des Apothekerta- ges am 24. September in Düsseldorf begrüßten Politiker quer durch alle Parteien das EuGH-Urteil. Grüne und Linke waren allerdings nicht zu- gegen. Die Anwesenden würdigten die heilberufliche Verantwortung der Apotheker und sprachen sich gegen sogenannte Pick-up-Stellen für Me- dikamente in Drogeriemärkten oder an Tankstellen aus. „Das EuGH- Urteil zum Fremdbesitzverbot hat Rechtsklarheit geschaffen“, sagte Klaus Theo Schröder, Staatssekre-
tär im Bundesgesundheitsministeri- um. „Die inhabergeführte Apotheke ist damit auch in Zukunft gesichert.“
Allerdings sei es der Koalitionsre- gierung in dieser Legislaturperiode nicht gelungen, Auswüchse beim Bestell- und Abholservice von Me- dikamenten einzudämmen.
Auch die Bundestagsabgeordne- ten Marlies Volkmer (SPD) und Wolfgang Zöller (CSU) lobten das Urteil, weil es die heilberufliche Verantwortung der Apotheker stär- ke und eine flächendeckende Ver- sorgung gewährleiste. Der nord- rhein-westfälische Gesundheitsmi- nister Karl-Josef Laumann (CDU) ging einen Schritt weiter: „Es ist be- dauerlich, dass der Arzneimittelver- sand immer noch erlaubt ist“, sagte er unter dem Beifall der Apotheker.
Sie sähen es gerne, wenn diese Re- gelung wieder abgeschafft würde.
Zumal der Versandhandel ohnehin nur auf einen Marktanteil von gut einem Prozent komme. Außerdem bekräftigte Laumann, dass den Pick- up-Stellen in der nächsten Legisla- turperiode ein Ende bereitet werden müsse. „Ich habe mich immer für die mittelständische, inhabergeführ- te Apotheke eingesetzt“, betonte der Minister. „Warum sollte geändert werden, was gut funktioniert?“
Bei so viel Zuspruch fiel es Heinz-Günter Wolf, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apo- thekerverbände (ABDA), leicht, die Forderungen der Apotheker an eine künftige Bundesregierung in ver- bindliche Worte zu kleiden. Zu- nächst einmal benötigten die Apo- theker einen stabilen, verlässlichen Gesetzesrahmen mit Bestand, sagte er. Denn: „Das Gesundheitswesen ist kein Abenteuerspielplatz.“ Der Apothekerberuf müsse als eigen- verantwortlicher und unabhängiger
freier Heilberuf erhalten bleiben – ein Anspruch, den das EuGH-Urteil zum Fremdbesitzverbot bestätige.
Außerdem müsse die Überregulie- rung des Arzneimittelmarkts über- wunden werden. Inzwischen kon- terkarierten sich 27 unterschiedli- che Regulierungsinstrumente zum Teil selbst. Beispiel Rabattverträge:
Seit Krankenkassen und Arzneimit- telhersteller Preisnachlässe insbe- sondere für Generika verhandeln, kennt niemand mehr die tatsächli- chen Abgabepreise der Präparate.
Die bilden jedoch die Grundlage für die Anpassung der Festbeträge.
Neue Verantwortlichkeiten In diesem Punkt erhielt Wolf Unter- stützung von Daniel Bahr. „Was wir brauchen, sind weniger, aber dafür wirkungsvolle Regelungsinstrumen- te“, betonte der Gesundheitsexperte der FDP. Er sprach sich zudem dafür aus, dass bei den Verhandlungen über Rabattverträge auch für die Krankenkassen das volle Wettbe- werbs- und Kartellrecht greife.
ABDA-Präsident Wolf plädierte in Düsseldorf dafür, die Verantwort- lichkeiten bei der Arzneimittelver- sorgung neu zu verteilen. Er berief sich dabei auf ein Konzept der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung.
Danach sind künftig Krankenkassen und Pharmaindustrie allein für die Arzneimittelpreise verantwortlich, die Ärzte stellen die Indikation und verordnen entsprechende Wirkstof- fe, während die Apotheker für die Auswahl der Präparate zuständig sind. Dabei, sagte Wolf, sei nicht zwangsläufig immer die Auswahl nach rein wirtschaftlichen Kriterien die richtige: „Wichtig ist vielmehr, dass die pharmazeutische Entschei- dung im Vordergrund steht.“ ■ Heike Korzilius Heinz-Günter
Wolf, Präsident der ABDA, möchte, dass die Über - regulierung des Arzneimittelmarkts ein Ende hat.
Foto: Elke Hinkelbein