A2516 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 39⏐⏐29. September 2006
P O L I T I K
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eiß-blau war der Himmel über dem Deutschen Apo- thekertag – wie schon zuvor bei der Fußballweltmeisterschaft und dem Papstbesuch. Für diese gewagte Aufzählung erhielt die bayerische Sozialministerin Christa Stewens viel Beifall von den 350 Delegier-ten, die sich am 21. September in München versammelt hatten. An- sonsten haben die Apotheker dieser Tage wenig Grund zur Freude.
„Für uns ist der Arbeitsentwurf zur Gesundheitsreform ein Frontal- angriff auf das Berufsbild des Apo- thekers“, erklärte der Präsident der ABDA – Bundesvereinigung Deut- scher Apothekerverbände, Heinz- Günter Wolf. Setze die Regierungs- koalition ihre Pläne zur Änderung der Arzneimittelpreisbildung um, werde der Apotheker vom Heilbe- rufler zum Kaufmann degradiert.
Dem zweiten Arbeitsentwurf zufol- ge sollen die Preise für Arzneimittel künftig keine Festpreise mehr sein, sondern Höchstpreise. Die Apothe- ken könnten somit bei der Abgabe von Arzneimitteln an ihre Kunden auf einen Teil ihrer Marge verzich- ten, heißt es in der Begründung des Entwurfs. Möglich ist danach auch die Beteiligung an Rabattverträgen mit Pharmaunternehmen und/oder Krankenkassen. Dabei ist die gel- tende Arzneimittelpreisverordnung erst vor zwei Jahren geändert wor- den. Das sogenannte Kombi-Modell sieht bei verschreibungspflichtigen Medikamenten einen dreiprozenti- gen Aufschlag auf den Apothe- keneinkaufspreis sowie einen Fest- zuschlag von 8,10 Euro je Packung vor. Das garantiert bislang bundes- weit einheitliche Arzneimittelprei- se. Ein weiterer Vorteil aus Sicht der ABDA ist die Abkopplung des Apo- thekerhonorars vom Einkaufspreis.
Zuvor hatten die Apotheker umso mehr verdient, je teurer ein Medika- ment war. Die Änderung der Arznei- mittelpreisverordnung fördere die Glaubwürdigkeit der Beratung und damit die heilberufliche Kompo- nente des Apothekerberufs, urteilte damals die ABDA. All das sehen die Apotheker mit dem Gesundheitsre- formentwurf infrage gestellt. Sie be- fürchten einen ruinösen Wettbewerb mit negativen Folgen für die flä- chendeckende Arzneimittelversor- gung. Dabei hat die ABDA nicht grundsätzlich etwas gegen Höchst- preise einzuwenden. Der Vorschlag des Verbandes sieht vor, dass künf- tig Pharmafirmen und Krankenkas- sen die Preise für Arzneimittel aus- handeln und die Apotheken über das Inkasso dafür sorgen, dass die Kas- sen nur den Preis zahlen, den sie für
ihre Versicherten ausgehandelt ha- ben. Die Apothekenvergütung müs- se aber weiterhin vom Medikamen- tenpreis abgekoppelt bleiben.
Besonders empört reagierten die Apotheker darauf, dass der zweite Arbeitsentwurf sie für Einsparun- gen bei Arzneimitteln haftbar macht. Wird durch Preisvereinba- rungen zwischen Krankenkassen und Apothekern im Jahr 2007 nicht mindestens ein Einsparvolumen von 500 Millionen Euro erzielt, tra- gen die Apotheker die Differenz durch einen entsprechend erhöhten Apothekenrabatt, heißt es in der Be- gründung. „Bei dieser Enteignung machen wir nicht mit“, betonte Heinz-Günter Wolf unter dem großen Beifall der Delegierten.
Ungemach droht auch von ande- rer Seite. Anfang Juli hatte die nie- derländische Internetapotheke Doc- Morris in Saarbrücken mit Ge- nehmigung des dortigen Gesund- heitsministeriums eine Filiale eröff- net. Dagegen hatten Apotheker vor Ort geklagt. Sie beriefen sich auf das in Deutschland geltende Verbot des Fremdbesitzes. Das saarländi- sche Gesundheitsministerium dage- gen sieht in dem Verbot einen Verstoß gegen die EU-rechtlich verbriefte Niederlassungsfreiheit. Einen ersten Etappensieg können die Apotheker inzwischen verbuchen. Mitte Sep- tember ordnete das Verwaltungsge- richt Saarlouis die Schließung der DocMorris-Filiale an. In der Haupt- sache ist allerdings noch nicht ent- schieden. Rückendeckung erhielten die Apotheker von der bayerischen Gesundheitsministerin. Sie wolle keine Kapitalgesellschaften als Apo- thekenbetreiber, erklärte Stewens.
Aber es gebe noch komplexe juristi- sche Fragen zu klären.
Vor den Delegierten verteidigte die CSU-Politikerin die Eckpunkte zur Gesundheitsreform. Im Arbeits- entwurf gebe es aber viele Bereiche, die „absolut nicht geklärt sind“, so Stewens. „Wir müssen jetzt ver- nünftig weiterverhandeln.“ ABDA- Präsident Wolf ging einen Schritt weiter: „Dieser Entwurf gehört da- hin, wo er herkam: nämlich ins Mi- nisterium zur grundlegenden Über-
arbeitung.“ I
Heike Korzilius
DEUTSCHER APOTHEKERTAG
Wir lassen uns nicht zu Händlern degradieren
Die Apotheker plagen Existenzängste und die Sorge um eine Verschlechterung der Arzneimittelversorgung.
Haftbar für 500 Millionen Euro:
„Bei dieser Ent- eignung machen wir nicht mit!“, sagte ABDA-Prä- sident Heinz- Günter Wolf.
Foto:Elke Hinkelbein