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eit Mitte August sind die 12. Novel- le zum Arzneimittelgesetz (AMG) und die Verordnung über die An- wendung der Guten Klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln zur An- wendung am Menschen (GCP-V) rechtswirksam und müssen ohne Über- gangsfristen angewandt werden. Da- durch haben sich die Rahmenbedingun- gen für die Durchführung von klini- schen Arzneimittelstudien wesentlich geändert. Alle Beteiligten – Sponsoren, Prüfärzte, Behörden und Ethik-Kom- missionen – stehen somit vor erhebli- chen Aufgaben.Erste positive Ergebnisse aus der Pilotphase
Der Arbeitskreis der Medizinischen Ethik-Kommissionen hat in den letzten Jahren mehrfach auf die Konsequenzen der Umsetzung der EU-Direktive hin- gewiesen. Die zurückliegenden Jahres- tagungen wurden genutzt, um ein mit den einzelnen Ethik-Kommissionen ab- gestimmtes Verfahren bei der Beratung von multizentrischen klinischen Arznei- mittelprüfungen zu erarbeiten. Dadurch wird sichergestellt, dass die Ziele der EU-Direktive – Stärkung des Schutzes der Studienteilnehmer, Erarbeitung von glaubwürdigen Ergebnissen in der Arz- neimittelforschung, Verkürzung der Be- ratungsfristen, Qualitätssicherung und Harmonisierung im EU-Binnenraum – auch erreicht werden. Erste positive Er-
fahrungen wurden in einer seit Septem- ber 2003 laufenden Pilotphase gewon- nen. Die Vereinheitlichung der Bera- tung von multizentrischen klinischen Arzneimittelprüfungen trägt dazu bei, dass das Verfahren bei den Ethik-Kom- missionen planbar und transparent ist, die vorgegebenen engen Zeitfristen ein- gehalten werden und Deutschland als Standort für klinische Forschung ge- stärkt wird. Im Sinne einer größtmögli- chen Harmonisierung und Qualitätssi- cherung hat die Bundesärztekammer kürzlich eine Ständige Konferenz der Ethik-Kommissionen der Ärztekam- mern eingerichtet.
Der Arbeitskreis der Medizinischen Ethik-Kommissionen hat zuletzt im Ju- ni dieses Jahres in München die Antrag- stellung und Verfahrensweise beraten und eine Anleitung zur Antragstellung auf seiner Internetseite publiziert (www.ak-med-ethik-komm.de). Die Grundzüge des Verfahrens:
Bei der Empfehlung zur Antrag- stellung hat sich der Arbeitskreis von der Vorstellung leiten lassen, auf ein ei- genes Antragsformular für Deutsch- land zu verzichten. Die EU-Richtlinie zur Antragstellung bei den Ethik-Kom- missionen sieht das so genannte Modul 1 und 2 vor (application form Annex 1, ENTER CT/1 Modul 1 und ENTER CT/2 Modul 2; [http://pharmacos.eudra.
org/F2/pharmacos/new.htm]). Nahezu alle Angaben zur Antragstellung, wie in
§ 7 Absatz 2 und 3 der GCP-V angege- ben, können durch eine angemessene Erstellung von Modul 1 und 2 beant- wortet werden. Dabei setzen die Ethik- Kommissionen jedoch voraus, dass die einzelnen Fragen in Modul 1 und 2 in- haltlich umfassend und angemessen be-
antwortet werden. Querverweise auf den Prüfplan oder die Prüfer- information sind nicht vertretbar. Die weiteren Anlagen/Unterlagen (siehe www.ak-med-ethik-komm.de) sind in den jeweils angegebenen Kopien der federführenden und den beteiligten Ethik-Kommissionen zeitgleich zuzu- leiten. Der Arbeitskreis vertritt den Standpunkt, dass die Unterlagen zur Qualifikation der einzelnen lokalen Prüfärzte und Prüfzentren nur den je- weils zuständigen Ethik-Kommissionen und nicht allen Ethik-Kommissionen (federführende und alle beteiligten) zu- zuleiten sind.
„Mehraugenprinzip“
bleibt erhalten
Der Antragsteller (Sponsor) kom- muniziert während des Beratungsver- fahrens nur noch mit der federführen- den Ethik-Kommission.
Die beteiligten (lokalen) Ethik- Kommissionen müssen innerhalb von 30 Tagen der federführenden Ethik- Kommission eine Stellungnahme zur Eignung des Prüfarztes/der Prüfstelle zuleiten. Ferner können sie sich zu übergeordneten Aspekten der geplan- ten klinischen Prüfung äußern (interne Mitberatung), jedoch kein Veto gegen die klinische Prüfung einlegen. Die in- terne Mitberatung ist für den Sponsor nicht sichtbar und ermöglicht die be- rufsrechtliche Beratung ohne Verzöge- rung oder zusätzlichen Zeitbedarf. Die interne Mitberatung ist qualitätssi- chernd („Mehraugenprinzip“) und för- dert den Probanden-/Patientenschutz.
Die federführende Ethik-Kommission T H E M E N D E R Z E I T
A
A3088 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 101⏐⏐Heft 46⏐⏐12. November 2004
Ethik-Kommissionen
Verfahren vereinfacht
Mit der zwölften Novelle zum Arzneimittelgesetz und der Verordnung über die Anwendung der Guten Klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln wird die EU-Richtlinie 2001/20/EG in deutsches Recht umgesetzt.
Ignaz Wessler1, Rudolf Burger2, Elmar Doppelfeld3
1Landesärztekammer Rheinland-Pfalz,2Bayerische Lan- desärztekammer,3Vorsitzender des Arbeitskreises der Medizinischen Ethik-Kommissionen
hat die Aufgabe, die Mitteilungen der beteiligten Ethik-Kommissionen ange- messen zu bewerten. Um die engen Zeitfristen einhalten zu können, wurde eine Datenbank zur Kommunikation untereinander eingerichtet.
Nachdem die federführende Ethik- Kommission eine abschließende Bera- tung vorgenommen hat, informiert sie den Sponsor, ob eine zustimmende Be- wertung erteilt wird oder Unterlagen nachzureichen sind (zum Beispiel er- gänzende Stellungnahmen oder Unter- lagen, zu ändernde Unterlagen wie Prüfplan, schriftliche Patienteninforma- tion und Ähnliches). Wenn sprachliche Änderungen vorzunehmen sind, wird die federführende Ethik-Kommission eindeutige Formulierungen an den Sponsor weiterleiten, da der Sponsor nur ein einziges Mal die Möglichkeit hat, Unterlagen nachzureichen. Dies be- deutet: In den nachzureichenden Unter- lagen müssen die mitgeteilten Mängel oder Fragen umfassend durch den Sponsor berücksichtigt werden, andern- falls besteht die Gefahr einer ablehnen- den Bewertung (negatives Votum).
Die federführende Ethik-Kommis- sion erstellt das nationale Votum, in dem bei zustimmender Bewertung die posi- tiv beurteilten Prüfärzte/Prüfzentren und die beteiligten Ethik-Kommissio- nen aufgeführt werden. Bei einer Ab- lehnung hat der Antragsteller das Recht, gegen die Stellungnahme der fe- derführenden Ethik-Kommission Wi- derspruch einzulegen. Näheres dazu sollte in den jeweiligen Landesgesetzen geregelt werden, weil die Länder als Trä- ger der Ethik-Kommissionen entspre- chende Regelungskompetenz haben.
Ansprechpartner ist die federführende Kommission
Wenn nach Erstellung des Votums ein neues Prüfzentrum an der klinischen Prüfung teilnehmen soll, sind alle Unter- lagen an die neue, beteiligte Ethik-Kom- mission zu schicken, die federführende Ethik-Kommission ist zeitgleich zu be- nachrichtigen. Soll ein neues Prüfzen- trum/ein neuer Prüfarzt im Geltungsbe- reich einer schon zuvor beteiligten Ethik-Kommission rekrutiert werden, sind nur die Unterlagen zur Eignung des
neuen Prüfzentrums/Prüfarztes an die zuständige Ethik-Kommission zu leiten.
Wenn die neue, beteiligte Ethik-Kom- mission die lokale Eignung befürwortet, wird dies dem Sponsor durch die feder- führende Ethik-Kommission mitgeteilt.
In gleicher Weise wird verfahren, wenn die neue, beteiligte Ethik-Kommission die Eignung verneint.
Ziel ist die Intensivierung der klinischen Forschung
Wichtige Aufgaben während der Studiendurchführung nimmt im We- sentlichen die federführende Ethik- Kommission wahr (siehe www.ak-med- ethik-komm.de). Nachträgliche Ände- rungen sind der federführenden und den beteiligten Ethik-Kommissionen zuzuleiten, die federführende Ethik- Kommission erstellt analog zu dem ge- schilderten Verfahren (siehe Punkte 2, 3 und 4) innerhalb von 20 Tagen eine zu- stimmende oder ablehnende Bewer- tung. Sicherheitsbericht/Jahresbericht, aktualisierte Versionen der Prüferinfor- mation (siehe Erläuterungen dazu www.ak-med-ethik-komm.de) sowie der Abschlussbericht sind der feder- führenden Ethik-Kommission zuzulei- ten. Ein vorzeitiges Ende in einem Prüf- zentrum ist der federführenden Ethik- Kommission und der jeweils lokal be- teiligten Ethik-Kommission mitzutei- len, ein vorzeitiger Studienabbruch der federführenden und allen beteiligten Ethik-Kommissionen.
Die Handhabung von Zwi- schenfällen wird ebenfalls auf der In- ternetseite des Arbeitskreises publi- ziert (siehe www.ak-med-ethik-komm.de oder www.laek-rlp.de). Verwiesen wird auf die entsprechende EU-Richtlinie ENTER/CT3. Die berichtspflichtigen Ereignisse sind der federführenden und der jeweils lokal beteiligten Ethik- Kommission zuzuleiten, in deren Gel- tungsbereich das Ereignis beobachtet wurde. Dabei sind die in den Erläute- rungen aufgeführten Punkte zu beach- ten (siehe www.ak-med-ethik-komm.
de). Unzureichende Angaben werden nicht bearbeitet, wobei eine zuvor er- teilte befürwortende Bewertung nur unter der Annahme gleich bleibender Gegebenheiten gültig ist.
Aus der geschilderten Vorgehens- weise geht hervor, dass die berichts- pflichtigen Zwischenfallsmeldungen nicht mehr an alle beteiligten Ethik-Kommis- sionen zu verschicken sind.
Den medizinischen Ethik-Kommis- sionen ist es ein Anliegen, dass die kli- nische Forschung in Deutschland in- tensiviert wird. Im Fall der Investiga- tor-initiierten, klinischen Prüfungen sollten sich die wissenschaftlich tätigen Ärzte bei Fragen oder Unklarheiten frühzeitig mit der zuständigen Ethik- Kommission in Verbindung setzen.
Wenn die Prüfsubstanz im Binnenraum der EU zugelassen ist, reicht die Vorla- ge der Fachinformation (deutsch oder englisch) aus. Ergänzende Angaben sind notwendig, wenn das zu prüfende Indikationsgebiet nicht mit dem zuge- lassenen Anwendungsbereich im Zu- sammenhang steht, eine andere Darrei- chungsform (i. v. versus p. o.) geprüft werden soll oder deutliche Dosierungs- unterschiede im Vergleich zu der zuge- lassenen Dosierung geplant sind. Bei den so genannten Therapieoptimie- rungsstudien hat der Verordnungsge- ber gewisse Erleichterungen zum Bei- spiel bei der Etikettierung der Prüfsub- stanz ermöglicht. Bei solchen klini- schen Studien soll aus dem Prüfplan hervorgehen, dass entsprechend der vorgesehenen Dokumentation und des geplanten Monitoring die Ergebnisse glaubwürdig sind.
Die medizinischen Ethik-Kommis- sionen gehen davon aus, dass die neuen Rechtsvorschriften und Verfahrenswei- sen in den ersten Monaten nicht ohne Probleme umgesetzt werden können;
gegebenenfalls notwendige Überarbei- tungen der Verfahrensweise werden zeitnah auf der Internetseite des Ar- beitskreises publiziert. Die internen Abstimmungsprozesse sind erheblich, die föderalen Strukturen sind zu beach- ten. Jedoch ist man um eine größtmögli- che Harmonisierung, auch in der Ge- bührenfrage, bemüht.
❚Zitierweise dieses Beitrags:
Dtsch Arztebl 2004; 101: A 3088–3089 [Heft 46]
Anschrift für die Verfasser:
Prof. Dr. med. Ignaz Wessler Landesärztekammer Rheinland-Pfalz Deutschhausplatz 3
55116 Mainz T H E M E N D E R Z E I T
Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 101⏐⏐Heft 46⏐⏐12. November 2004 AA3089