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Archiv "Aufgaben von Ethik-Kommissionen" (14.02.1980)

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Aufsätze • Notizen

FORUM

Die Austragung einer Schwanger- schaft nach einem In-vitro-fertilisier- ten Embryo durch Implantation in den Uterus ist geeignet, nach dem Interesse, das dieses „Experiment"

in der Öffentlichkeit gefunden hat, eine Kontrolle von reproduktiven Ex- perimenten zur Diskussion zu stel- len. Bei den bisherigen Diskussio- nen wurde der Begriff „Ethik" ge- braucht, ohne daß so recht klar zu sein scheint, worüber gesprochen wird.

Aus der bisherigen Anwendung des Begriffs und der Unbefangenheit, mit der dieser Begriff verwandt wur- de und wird, läßt sich der Schluß ableiten, daß der Begriff „Ethik"

häufig mit dem Begriff „Moral"

gleichgesetzt wird. Da sich kaum je- mand seine moralische Integrität ab- sprechen lassen möchte, konnte die ethische Seite gar nicht zur Diskus- sion gestellt werden. Die Sorge war, und ist nicht unverständlich, daß über die Ethik die

Moral

eines For- schers angezweifelt werden könnte.

Eine „Gebrauchsethik"

reicht nicht aus

Offensichtlich infolge eines Mangels an philosophischen Grundkenntnis- sen hat sich eine „Gebrauchsethik"

herausgebildet, die zur Lösung der heute anstehenden Probleme, die im folgenden besprochen werden sol- len, nicht ausreicht. Wenn — mit Recht — Ethik-Kommissionen gefor- dert werden, dann müssen diese auf Grund von Normen urteilen, die nachvollziehbar sind.

Nicht ganz unbegründet wurde die Frage gestellt, warum diese Diskus- sionen erst jetzt in Gang kommen.

Die Tabuisierung von Begriffen wie

„Experimente am Menschen" war in Deutschland vermutlich eine Folge der nationalsozialistischen Konzen- trationslager-Versuche. Es wird ver- gessen, daß Mitscherlich und Mielke noch während der Nürnberger Pro- zesse im Auftrage der deutschen Ärzteschaft sich von diesen Versu- chen distanziert haben. Es hätte also eines Tabus gar nicht bedurft, denn die Konzentrationslager-Versuche („Medizin ohne Menschlichkeit") waren eindeutig kriminelle Verstöße gegen die Menschlichkeit und nicht nur Vergehen gegen ethische Ver- haltensmuster.

Sie haben aber ein grundsätzliches Problem zur Diskussion gebracht, nämlich die Selbstbeschränkungen des Arztes, um es allgemein auszu- drücken. Sie werden umschrieben mit einer Reihe von Verpflichtungen, von denen der Eid des Hippokrates der bekannteste ist. Solche Festle- gungen gibt es meines Wissens in keinem Beruf in dieser elementaren Form, warum also für den Arzt? Mar- guerite Mead hat darauf hingewie- sen, daß der Eid des Hippokrates vermutlich Jahrtausende überdauert hat, weil durch ihn aus einem Prie- ster-Arzt, der je nach Willkür heilen oder töten konnte, der moralische Anspruch des Arztes entstand, der nur noch heilen durfte. Tötung von

„lebensunwürdigem" Leben oder die Konzentrationslager-Versuche wären geeignet gewesen, diesen Verhaltenscode aufzuheben, sofern sie von einer größeren Gruppe von Ärzten getragen gewesen wäre, als das wirklich der Fall war.

„Nürnberg-Code" fast vergessen Dennoch hat das Bekanntwerden dieser Versuche zu einem tiefen Er-

schrecken vieler Ärzte geführt. Ih- nen

wurde bewußt,

welche Verstrik- kungen und Folgen sich aus Versu- chen am Menschen ergeben können und wie eng die Grenze zum ethisch nicht mehr akzeptablen Versuch sein kann. Als Folge entstand irn Jahre 1947 der „Nürnberg-Code", der in einer freiwilligen Verpflich- tung die Grundlage dafür abgeben sollte, unter welchen Bedingungen Forschungen am Menschen erlaubt sind.

Merkwürdigerweise aber haben sich Wissenschaftler für über ein Jahr- zehnt nicht an diesen Code gehal- ten. Offensichtlich glaubten sich Ärzte und/oder Forscher berechtigt, im Interesse eines fragwürdigen Fortschritts Versuche an Menschen auch ohne deren Einwilligung vor- zunehmen. Eine lange Periode des Umdenkens war notwendig, bis man verstand, daß der Wunsch, ein be- stimmtes Forschungsprojekt durch- zuführen, bereits eine Einschrän- kung an Objektivität zugunsten ei- nes subjektiven Wunsches beinhal- ten muß.

Obwohl der „Nürnberg-Code" durch die Deklaration von Helsinki 1964 und schließlich in der Deklaration von Tokio 1975 erneuert, verbessert

und erweitert wurde, blieb er doch für viele nur ein Lippenbekenntnis.

Ausbildung für das Fach

„Ethik in der Medizin"

Als eine von vielen Folgen der Thali- domid-Katastrophe hat sich dieses Umdenken ausgebreitet und zu der Entwicklung von Ethik-Kommissio- nen geführt. In den USA wurde

Ende

der 60er Jahre, aufgrund des Inter- esses und der finanziellen Möglich- keiten der Kennedy-Familie, ein In- stitut für Bioethics gegründet, das der Georgetown University in Wa- shington, D. C., angeschlossen ist.

In diesem Institut wurden in den letz- ten zehn Jahren Professoren für das Fach „Ethik in der Medizin" ausge- bildet. Daneben finden jährlich In- tensivkurse statt, die es in der Ver- gangenheit erst ermöglicht haben, daß für die Ethik-Kommissionen in

Aufgaben von Ethik-Kommissionen

Begründung ihrer Notwendigkeit am Beispiel der In-vitro-Fertilisation

Fritz K. Beller

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft

7

vom 14. Februar 1980

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Aufsätze • Notizen Ethik-Kommissionen

den Kliniken der USA genügend Ärz- te mit philosophischen Kenntnissen und andererseits Philosophen mit medizinischen Kenntnissen, zur Ver- fügung standen. Davon sind wir in der Bundesrepublik noch weit ent- fernt.

Obwohl wir Ärzte dem zwiespältig gegenüberstehen, steht im Vorder- grund der Betrachtung die Bedeu- tung der Aufklärung vor jeder thera- peutischen Maßnahme (nicht nur ei- ner Operation). Versäumt sie ein Arzt, hat er gegen ethische Grundre- geln verstoßen. Das kann entweder unwissentlich sein oder aber, wenn es bewußt geschieht, „patronisiert"

er den Patienten und befindet sich in einem ethischen Dilemma.

Welche Rechte aber haben in die- sem Zusammenhang Strafgefange- ne, Geisteskranke, Kinder oder schließlich das Ungeborene?

Nutzen von Ethik-Kommissionen Befassen wir uns mit der zuletzt ge- nannten Gruppe besonders. Es ist zu hoffen, daß es in einigen Jahren als selbstverständlich gilt, daß ein Forscher, der angewandte oder Grundlagenforschung im reproduk- tiven Bereich betreibt, sich seiner gesellschaftspolitischen Verantwor- tung bewußt ist und sich davon lei- ten läßt. Man kann nicht übersehen, daß jeder experimentelle Erfolg der Genmanipulation an Bakterien oder der Geschlechtsmanipulation am Warmblüter, um nur einige Beispiele zu nennen, schließlich auch beim oder am Menschen möglich sein oder sich auf den Menschen auswir- ken wird. Armitai Etzioni hat sehr eindrücklich die Forderung erho- ben, daß jede Forschung, insbeson- dere aber diejenige, die mit repro- duktiven Fragen des Menschen be- faßt ist, kontrolliert werden muß.

Auf welche Weise diese Kontrolle er- folgen kann, ist dagegen strittig. Ich glaube, daß hierfür Ethik-Kommis- sionen in Frage kommen, die aus Ärzten, Biologen, Philosophen, Juri- sten und Politikern zusammenge- setzt sind, wobei zu hoffen ist, daß die moralische Integrität einer sol-

chen Kommission dafür sorgen wird, daß die Entscheidungen auch ohne juristische Vollmacht durchge- führt werden können. Wenn es ge- lingt, das Übergehen einer solchen Entscheidung von den Mitbürgern als unmoralisch festzulegen, wäre schon viel gewonnen. Aus diesem Zusammenhang ergibt sich, daß un- ter bestimmten Umständen ethische Normen zu moralischen Verpflich- tungen führen können.

Nicht übersehen werden kann, daß Ethik-Kommissionen unter Umstän- den forschungshemmend wirken können. Ich glaube jedoch, daß das in Kauf genommen werden muß, weil in Zukunft in einigen Fällen die Freiheit der Forschung im Interesse der Menschenrechte eingeengt wer- den muß. Langsam setzt sich der Gedanke durch, daß ein hemmungs- loser Fortschrittglaube zum Scha- den der Menschheit führen kann und der Grundsatz der Freiheit der Forschung einen sehr elitären An- spruch beinhaltet.

Wenn wir auf die Rechte des Indivi- duums zurückkommen und die Auf- klärung, dann ist die Freiwilligkeit ein ethisches Grundproblem. Im Fal- le der Versuche an Kindern wurde 1978 dem amerikanischen Reprä- sentantenhaus eine Gesetzesvorla- ge des Departments of Health, Edu- cation and Welfare betreffend „Re- search involving children" vor- gelegt. In der sogenannten Ryan- Commission (for the protection of Human Subjects and Biomedical Behavioral Research), die für die Vorlage federführend war, wurde zunächst diskutiert, ob Versuche an Kindern generell unethisch und da- her abzulehnen wären.

Die Kommission kam jedoch zu dem Schluß, daß eine Experimentation auch an kranken Kindern für die Er- haltung der Gesundheit von Kindern allgemein notwendig sein kann, wo- bei man sich in langer Begründung darüber ausließ, was es bedeutet, wenn ein etwaiges Risiko „nur we- nig" über dem gesunder Kinder lie- gen darf. Wie steht es nun aber um die Rechte der Ungeborenen? Damit kommen wir zurück zu unserer Aus-

gangsfrage. Wie kann man diese Fragen beurteilen?

Ethik und Moral

Der Zugang zu einer „Ethik in der Medizin" ist über die Philosophie, und zwar die normative Ethik, mög- lich. Da die deutschsprachige Phi- losophie das Fach „angewandte Philosophie" seit Jahrzehnten ver- nachlässigt hat, ist das gar nicht ein- fach. Gegenwärtig vertritt in der Bundesrepublik kein Lehrstuhlinha- ber das Fach Ethik in der Philoso- phie. Vielmehr wurde die Problema- tik von katholischen Moraltheologen abgedeckt, was vermutlich dazu bei- getragen hat, die bereits erwähnte unglückliche Gleichsetzung der bei- den Begriffe Ethik und Moral zu un- terstützen. Das ist nicht etwa Schuld der Moraltheologen, sondern Folge der Unkenntnis der Situation durch die Ärzte.

In der Tat ist es nicht so ganz ein- fach, die Begriffe zu trennen. Moral und Ethik gehen ineinander über.

Aber es hilft gedanklich, der Moral Begriffe wie „gut" und „böse" zuzu- ordnen und der Ethik solche wie

„richtig" und „falsch" (Schüller).

Damit können für den medizini- schen Bereich die Emotionen ge- glättet werden.

Utilitarismus, Deontologismus, Naturrecht

Welche Prinzipien der angewandten Philosophie bzw. der normativen Ethik kommen für die Lösung eines ethischen Dilemmas in Frage? Hier seien nur die wichtigsten kurz auf- geführt. Eine wichtige Theorie ist der Utilitarismus, die sog. Nützlich- keitstheorie (Jeremy Bentham und John Stuart Mill). Danach ist eine Handlung ethisch gerechtfertigt, wenn sie im Endeffekt mehr Gutes erbringt als jede andere gleichwerti- ge Handlung unter gleichen Um- ständen. Dabei werden unter „Gu- tes" Begriffe wie Glück, Wohlbefin- den u. a. gesetzt, die Gegenstand philosophischer Diskussion sind.

Das utilaristische Prinzip ist ein te- leologisches Prinzip, das heißt es wird durch einen Zweck begrenzt

402 Heft 7 vom 14. Februar 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Ethik

-

Kommissionen

oder ist auf einen Zweck ausgerich- tet. Das Sprichwort: „der Zweck hei- ligt die Mittel" kann sich aus diesem Prinzip ergeben und ermöglicht eine ganze Reihe von Gedankenspielen, die verständlich machen, daß das Nützlichkeitsprinzip anfechtbar ist.

Dieses Prinzip wurde daher erwei- tert oder vielleicht auch neu geformt von E. D. Ross, der versucht, eine verbindliche Reihenfolge von Pflich- ten einzuführen, ein subtiler Intuitio- nismus, der von R. L. Purtill als Si- tuationsethik erweitert wurde.

Eine weitere Theorie ist der Deonto- logismus, die Pflicht der Sittenlehre.

Danach ist eine Aktion ethisch ge- rechtfertigt, wenn die sittliche Ver- pflichtung, aus der sie erfolgt, grö- ßer ist als alle ähnlichen Verpflich- tungen, die sich aus gleichartigen Möglichkeiten ergeben.

Zu diesen grundlegenden Theorien, die mit einer Reihe von Abwandlun- gen verwandt werden, kommt das Naturrecht hinzu, das vermutlich in seiner christlichen Form auf Thomas von Aquin zurückgeht und das sehr viel schwerer in eine Kurzform zu bringen ist.

Fragenkomplex der „Bioethik"

Das in vitro fertilisierte Baby bein- haltet nun eine ganze Reihe von Pro- blemen, die in den Fragenkomplex der „Bioethik" gehören. In den Ver- einigten Staaten ist in den letzten Jahren jede Experimentation an der Schwangeren, vor allem aber am Ungeborenen, unterblieben. Dies wurde dadurch erreicht, daß das Na- tional Institute of Health keine For- schungsunterstützungen für derarti- ge Vorhaben vergeben hat. Zweifel- los werden die Rechte des Ungebo- renen offene Fragen beinhalten, die weder vom religiösen noch vom juri- stischen Standpunkt aus gelöst wer- den können. Beim „Retortenbaby"

ist schon der Begriff falsch, weil nur der Befruchtungsvorgang in vitro er- folgt, der Foet aber dann in utero ausgetragen und geboren wird.

Demgegenüber steht der Begriff des

„Cloning", das heißt der asexuellen Reproduktion, bei der identische

Zellen oder Lebewesen beliebig du- pliziert werden. Ich hoffe, daß die Anwendung beim Menschen nie ge- lingen und die entsprechende For- schung mit allen Mitteln unterbun- den wird, da ich die beliebige Her- stellung von identischen Lebewesen mit Mensch-Sein auf dieser Erde nicht für vereinbar halte.

Der Erfolg von Edwards und Steptoe ist ohne Frage therapeutisch ein we- sentlicher medizinischer Durch- bruch, wenn er sich reproduzieren läßt. Viele Frauen werden ein eige- nes Kind austragen können, die bis- her hierzu nicht in der Lage waren.

Das würde im Sinne aller normativen ethischen Prinzipien akzeptabel sein, mit Ausnahme vielleicht des christlich determinierten Natur- rechts, obwohl es auch da andere Auffassungen gibt.

Kontrolle

neuer reproduktiver Techniken Das ethische Dilemma entwickelt sich aus den Möglichkeiten, die sich aus der Anwendung dieser neuen reproduktiven Technik ergeben. Um das zu erklären, muß man auf das neue Abortgesetz zurückkommen.

Der Neufassung des § 218 liegt die Feststellung aller Fachgesellschaf- ten der westlichen Länder zugrunde, nach der eine Schwangerschaft nicht mit der Befruchtung, sondern erst mit der Einnistung des Eies in die Gebärmutter (Implantation) be- ginnt. Das erschien seinerzeit not- wendig, um die vermutliche Wirkung der Intrauterinpessare (Spirale) nicht unter dem Begriff des frühen Abortivums einordnen zu müssen.

Dieser an sich logische Gedanke führt unter den neuen Gesichts- punkten der In-vitro-Fertilisation zu einem schweren Konflikt.

Der wesentliche Erfolg der Technik von Edwards und Steptoe besteht darin, daß das im Reagenzglas be- fruchtete Ei nach einer gewissen Zeit im Reagenzglas in der Gebär- mutter zur Implantation gebracht wird. Nach dem Gesetz wird aber erst von der Implantation an die Schwangerschaft gerechnet, mit all den — wenigen — Rechten, die der

Gesetzgeber einem Embryo zubil- ligt. Ein in vitro. Lebe- wesen ist aber demzufolge bis zur Implantation rechtlich völlig schutzlos.

Abgesehen davon, daß die bisher aufgezählten Probleme ein rechtli- ches Eingreifen erfordern, sind ethi- sche Normen zu berücksichtigen.

Man bedenke beispielsweise, ein Arzt könnte inhumane In-vitro-Ferti- lisationen unkontrolliert durchfüh- ren und das neue Lebewesen, das möglicherweise bewußt oder unbe- wußt manipuliert worden ist, zur Im- plantation bringen. Des weiteren ist es nicht nur eine Frage des Ge- schmacks oder der Ästhetik, wenn ein überflüssiger in-vitro-fertilisier- ter menschlicher Embryo in den Ausguß gespült wird. Insofern wider- spricht der Respekt vor der beson- deren Leistung von Edwards und Steptoe in keiner Weise der ethi- schen Forderung nach Kontrolle dieser Versuche oder von Personen, die sie durchführen.

So lange, bis der Gesetzgeber die- sen Mangel im Gesetz korrigiert, müßten Ethik-Kommissionen den Schutz des neuen, in-vitro-fertili- sierten Lebewesens übernehmen.

Eine solche Kontrolle könnte z. B.

darin bestehen, nur Laboratorien zuzulassen, die von einer Ethik- Kommission überwacht werden.

Aufgaben von Ethik-Kommissionen Eine Selbstlimitierung erscheint aber auch deshalb notwendig, um die unsachgemäße Anwendung von reproduktiven Techniken vor Miß- brauch zu schützen. Auch dafür gibt das „Retorten-Baby" ein gutes Bei- spiel ab. Diese neue reproduktive Technik ermöglicht es, einen Men- schen ohne Eltern herzustellen. Ein Sperma irgendeines Mannes kann mit dem Ei irgendeiner Frau verei- nigt und das neue Leben in die Ge- bärmutter irgendeiner Frau implan- tiert werden. Auch ohne die Vorstel- lung des Rassenwahns im Dritten Reich fällt die Vorstellung nicht schwer, daß ein diktatorisches Re- gime sich dieser reproduktiven Techniken ohne Menschlichkeit be-

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BRIEFE AN DIE REDAKTION

ÄRZTEMUSTER

Zu Meldungen, die Apotheker setzten sich dafür ein, die Ärztemuster zu ver- bieten:

Wer ist sachkundig?

Dem Arzt einfach die Sachkunde für den Umgang mit Arzneimitteln abzu- sprechen betrachte ich als eine Frechheit gegenüber der Ärzte- schaft. Welche Sachkunde braucht man denn überhaupt, um eine Pak- kung Tabletten mit deutlicher Auf- schrift des Verfalldatums dem Pa- tienten zu überreichen? Könnten das nicht auch, aber viel billiger, Drogisten mit abgeschlossener Leh- re, wie in anderen Ländern üblich?

Wenn die Abgabe und Lagerhaltung von Medikamenten in den Apothe- ken größtenteils durch Helferinnen besorgt wird, warum sollen appro- bierte Ärzte dazu nicht in der Lage sein? (Fehler passieren überall!

Neulich verwechselte eine „Apothe- kenangestellte" Perspiran und Pas- pertin.) Wie steht es eigentlich mit der „Sachkunde" und "Verantwor- tung" der Apotheker bei der um- fangreichen Entgegennahme von Heilpraktikerrezepten? Die Ärzte ha- ben sich um die Ärztemuster nicht gerissen. Ich halte sie aber in der jetzigen, reduzierten Form für not- wendig .. .

Dr. med. Hartmut Ziehm Herdestraße 4

2943 Esens/Ostfriesland

Liebe Apothekerkollegen!

Eure Aversion gegen Ärztemuster ist seit langem bekannt. Es wurde ja auch inzwischen in Euerm Sinne einiges erreicht. Wie ich bestätigen kann, nimmt es die Industrie mit der zahlenmäßigen Begrenzung der Mu- ster sehr genau. Das von Euch ge- forderte Verbot in Bausch und Bo- gen trägt aber zu sehr den Stempel des vordergründig Materiellen. Wir Ärzte sind manchmal ganz froh, wenn wir Ärztemuster haben. Wir er- halten sie nur auf persönliche Anfor- derung, womit sichergestellt ist, daß

keine Muster mehr bei uns landen, mit denen wir nichts anfangen kön- nen. Eure Begründung, man habe ärztlicherseits gelegentlich Muster verabfolgt, die verfallen oder gar verdorben waren, mag stimmen.

Aber — Hand aufs Herz: Gibt es nicht solche Ausrutscher auch bei den Apothekerkollegen? Kommt es nicht da auch manchmal zu Verwechslun- gen und zur Abgabe von verfallenen Medikamenten? Hier ist doch nicht nur das Pochen auf der speziellen Fachkunde, sondern die Erziehung zu Verantwortlichkeit und Zuverläs- sigkeit maßgebend. Ich als Doppel- berufler, der beide Studiengänge absolviert hat, kann bestätigen, daß auch der Mediziner in der Lage ist, verantwortlich zu handeln und zu- verlässig zu agieren. Entscheidend ist beim Zustandekommen von Miß- griffen immer, ob man fahrlässig ge- handelt hat oder ob man sich ein- fach einmal geirrt hat. Daß Irren menschlich ist, gilt nicht nur für Ärz- te, sondern auch für alle übrigen Be- rufe — auch für die Apotheker. Man sollte auch nicht immer sofort nach dem Gesetzgeber rufen. Wir alle wis- sen aus Erfahrung, daß der Kadi, wenn er leichtfertig gerufen wird, manchmal nicht nur den Beklagten, sondern auch den Kläger ganz schön belästigen kann. Ich fürchte hier besonders den ausgeprägten Hang der Deutschen zum Gesetzes- perfektionismus, der oftmals uner- träglich ist. Man sollte schlafende Hunde nicht wecken! Wir alle müs- sen finanziell das akademische Überangebot — und damit die über alle Maßen expandierende Nieder- lassung sowohl von Ärzten als auch von Apothekern — ebenso wie die uns verordnete Billigmedi2in schluk- ken. Diese Kröte rutscht nicht nur den Apothekern, sondern auch den Ärzten wenig wohlschmeckend durch den Hals. Wir sitzen wirklich in einem Boot: Lassen Sie uns, liebe Apothekerkollegen — doch unsere paar Arzneimuster. Sie würden den Bankrott ohnehin nicht aufhalten.

Dr. E. Krüger

Facharzt für innere Medizin und Apotheker

Koblenzer Straße 121 5440 Mayen

Ethik-Kommissionen

dienen kann. Es ist kein erfreulicher Gedanke, daß Ethik-Kommissionen das nicht verhindern können.

Auch deshalb war die neue Technik ein Durchbruch, aber—wie ich glau- be — für den Menschen ein gefährli- cher Durchbruch. Es scheint nicht absurd, den therapeutischen Erfolg den Gefahren gegenüberzustellen.

Den Nutzen gegenüber den Gefah- ren auf der Basis von ethischen Prinzipien abzuwägen, das ist Auf- gabe der Bioethik und von entspre- chenden Ethik-Kommissionen.

Schließlich ein Wort zur Zusammen- setzung von Ethik-Kommissionen.

Aus den Ausführungen dürfte klar sein, daß Ärzte allein, sofern sie sich nicht intensiv mit philosophisch- ethischen Fragen befaßt haben, nur als Fachpartner mitsprechen kön- nen. In der Einbeziehung von Phi- losophen, Moraltheologen und Juri- sten sehe ich keine Überdominie- rung über die Biologie, sondern eine notwendige Balance. Ihre Hilfe kann ohne die Ausbildung in der Philoso- phie auch bei Medizinern, die noch in weiter Ferne steht, nicht entbehrt werden.

Literatur

(1) Etzioni, A.: Die zweite Erschaffung des Menschen. Westdeutscher Verlag, Opladen 1977 — (2) Hellegers, A. E.: Biological origins of bioethical problems. In: Obstetr. Gynec. Ann.

Ralph Wynn (ed.) Appelton — Century — Crofts 1977, p. 1 — (3) McCormick, R., and P. Ramsey:

Doing evil to achieve good. Loyola Univ. Press Chicago 1978 — (4) Mitscherlich, A., und F.

Mielke: Medizin ohne Menschlichkeit Fischer 1948 — (5) Purtill, R. L.: Grundfragen der Ethik.

Patmos Verlag Düsseldorf, 1977 — (6) Ross, W.

D.: The Right and the Good. Oxford University Press, 1930 (7) Schüller, B.: Die Begründung sittlicher Urteile. Patmos Verlag Düsseldorf, 1973 — (8) Veatch, A. M.: Case studies in Medi- cal Ethics Harvard University Press, Cambridge Mass., 1977 — (9) Moore, G. E.: Grundprobleme der Ethik. Becksche Schwarze Reihe Nr. 128 München, 1975 — (10) Research Involving Chil- dren. Report and Recommendations of the Na- tional Commission for the Protection of Human Subjects of Biomedical and Behavioral Re- search. Federal Register Part III, Department of Health, Education and Welfare. USA Jan. 13, 1978.

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med. Fritz K. Beller Westring 11

4400 Münster

404 Heft 7 vom 14. Februar 1980

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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