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Archiv "Ethik-Kommissionen zu Tierversuchen und Gentechnologie" (14.08.1985)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

TAGUNGSBERICHT

D

er Arbeitskreis medizinischer Ethik-Kommissionen will sei- ne Kommissionen vereinheit- lichen. Aus juristischer Sicht spre- chen vier Punkte für eine gemein- same Verfahrensordnung, denn sie dient:

1. der Verfassungsrechtlichkeit der Entscheidung,

2. der Transparenz der Entschei- dung, so daß sie nachvollziehbar und durchschaubar wird,

3. der Akzeptanz der Entschei- dung, was vertrauensbildend wirkt, und

4. der Einheitlichkeit, was beson- ders wichtig bei Multi-Center-Stu- dien ist.

Dies wurde Ende letzten Jahres bei der Jahresversammlung des Arbeitskreises in Hannover be- schlossen, der sich auch mit den aktuellen Themen Tierschutz und Gentechnologie beschäftigte.

Da die Verfahrensordnung für in- terdisziplinäre Gremien bestimmt ist, muß sie fair, einfach und ver- ständlich sein. Sie sollte eine Defi- nition und Abgrenzung des Ar- beitsbereiches enthalten. Dies ist deshalb wichtig, weil die Kommis- sionen verpflichtet sind, sich mit allen Projekten zu befassen, die in ihren Arbeitsbereich fallen. Da sich die Ethik-Kommissionen in einem Konflikt befinden zwischen der Forderung nach Transparenz (diese verlangt Öffentlichkeit) und der nach Akzeptanz (die durch Öf- fentlichkeit vermindert wird), muß auch der Geheimnisschutz gere- gelt werden. Dasselbe gilt für die Wahrung der Unabhängigkeit.

Den Kommissionen darf niemand angehören, dessen Interessen von der Entscheidung der Gre- mien betroffen sind. Die Entschei- dungen der Kommissionen sollten dem Antragsteller in neutraler Form mitgeteilt werden; im Falle einer Ablehnung ist diese zu be- gründen. Das Antragsformular sollte so gestaltet sein, daß damit

Inhalt, Form und Methoden des Vorhabens sowie die Nutzen-Risi- ko-Relation erfaßt werden. Dabei ist nachzuweisen, daß es sich um medizinisch und ethisch vertret- bare Risiken handelt. Außerdem müssen Angaben zur Wissen- schaftlichkeit des Projektes ge- macht werden. Häufig akzeptie- ren die Kommissionen Methodik und geplante statistische Analy- sen der Projekte in einer Weise, als ob dieser Teil sakrosankt sei.

Vielmehr müsse man auch ihn auf seine Wissenschaftlichkeit über- prüfen, da statistisch nicht aus- wertbare Studien unethisch sind.

Tierschutz kann nicht mehr primär auf den

Menschen ausgerichtet sein Im Laufe der Zeit hat sich die Ein- stellung des Menschen zum Tier gewandelt. Vielfach betrachtet man mittlerweile Tiere als „Mit- wesen". Deshalb kann der Tier- schutz nicht mehr in dem Sinne primär auf den Menschen ausge- richtet sein, daß man Tierquälerei verhindern muß, damit die Men- schen nicht verrohen. Statt des- sen sollte der Tierschutz eine di- rekte Verpflichtung dem Tier ge- genüber sein. Ein solcher ethisch ausgerichteter Tierschutz muß notwendigerweise mit in Konflikt geraten mit einer „Nutzung" des Tieres, beispielsweise für die Ver- besserung der menschlichen Ge- sundheit. Hier muß man abwägen:

Tierversuche sollten soweit einge- schränkt werden, wie dies mög- lich ist, ohne dadurch den Schutz des Menschen zu vernachlässi- gen. Deshalb ist eine Kontrolle der Tierversuche wichtig.

Im Entwurf zum neuen Tierschutz- gesetz findet sich der Begriff

„ethische Vertretbarkeit". Es wird verlangt, daß die tatsächliche Not- wendigkeit eines Tierversuches nachgewiesen wird. Außerdem dürfen solche Versuche nur Wis- senschaftler durchführen, die ei- ne entsprechende Ausbildung ha- ben. Versuche an Wirbeltie- ren dürfen nur bei den Tieren durchgeführt werden, die speziell zu diesem Zweck gezüchtet wur- den.

Über die personelle Zusammen- setzung der Ethik-Kommissionen für Tierversuche gibt es sehr un- terschiedliche Vorstellungen. Ei- ne Kontrolle des Forschers durch Fachkollegen allein reicht sicher- lich nicht aus. Vielmehr müssen auch Wissenschaftler anderer Fachgebiete und Vertreter von Tierschutzvereinen einem sol- chen Gremium angehören. Aller- dings müßten die Tierschützer ih- re sachliche Qualifikation für die Arbeit in diesen Gremien nach- weisen.

Für den Mediziner ist ein vollstän- diger Verzicht auf Tierversuche aber nicht möglich. Denn sie sind absolut notwendig, um neue chir- urgische Methoden zu entwickeln und bestimmte Substanzen auf ih- re „gesundheitliche Unbedenk- lichkeit" zu überprüfen. Auch bei Verdacht auf teratogene Wirkung von Arzneimitteln kann man oft nicht auf Tierversuche verzichten, obgleich sich in manchen Fällen Versuche am Hühnerei als geeig- nete Ersatzmethode erwiesen ha- ben. Solche Ergänzungs- und Er- satzmethoden müssen also weiter entwickelt werden, wobei man al-

Ethik-Kommissionen

zu Tierversuchen und Gentechnologie

Elisabeth Pflanz

2312 (24) Heft 33 vom 14. August 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Ethik-Kommissionen

lerdings zunächst wieder Tierver- suche zu ihrer Evaluierung benö- tigt.

Zweifellos ließe sich jedoch die Zahl der Tierversuche beispiels- weise dadurch verringern, daß das Bundesgesundheitsamt jene Vor- schriften ändert, die zu unsinni- gen und überflüssigen Tierversu- chen zwingen. Eine weitere Mög- lichkeit, Tierversuche einzuspa- ren, wäre eine lückenlose Doku- mentation aller Befunde, auch so- genannter „Leer- oder Negativbe- funde", um so unnötige Wieder- holungen zu vermeiden. Vor- aussetzung hierfür wäre aller- dings der Schutz der Informa- tion und die Festsetzung einer Art „gesetzlicher Lizenzgebühr".

Diese Gebühr ist als Beitrag zu den ursprünglichen Versuchs- kosten anzusehen, wenn die Er- gebnisse von anderen genutzt werden.

Bei den notwendigen Tierversu- chen ist auf die Einhaltung der ethischen Normen zu achten:

Zum einen gibt es die Ethik des ei- gentlichen Experimentes; hierzu gehört die artgerechte Tierhal- tung und Schmerzfreiheit des Versuchstieres. Das andere ist die Ethik des Versuchszwecks.

Die praktischen Anwendungs- möglichkeiten gentechnolo- gischer Forschung, die heute be- reits vorhanden sind, stellen kein prinzipielles Novum im medizini- schen Handeln dar. Das aufsehen- erregende Neuartige liegt viel- mehr in der Technik. Weder die Herstellung biosynthetischer Hor- mone noch der Einsatz monoklo- naler Antikörper in der Tumordia- gnostik oder bei der Gewebetypi- sierung sind mit neuen ethischen Fragen verbunden. Dies ist aber bei der Weiterentwicklung des ärztlichen Instrumentariums der Fall.

Ein besonders dringend benötig- tes Instrument erhofft man sich von der Gentechnologie, um an- geborene Krankheiten nachzu- weisen, die bei rund drei Prozent

aller Neugeborenen auftreten.

Nur bei zwei Prozent der rund 3000 bekannten monogen beding- ten Erbkrankheiten ist der Gende- fekt pränatal biochemisch diagno- stizierbar, da er sich nur dort nachweisen läßt, wo das Gen nor- malerweise exprimiert würde. Mit gentechnologischen Methoden kann man jedoch theoretisch alle Gene in der Amnionzelle direkt untersuchen, was bisher relativ selten auch praktisch gelingt. Für die Zukunft zeichnet sich als an- zustrebendes therapeutisches Konzept ab, daß man ein intaktes Gen in die Knochenmarkszellen einschleust und so die Krankheit heilt.

Ein zusammenhängendes Gesetzeswerk ist

gar nicht wünschenswert

Freilich ergibt sich theoretisch auch die Möglichkeit des Miß- brauchs, nämlich der Keimmani- pulation, indem man ein oder mehrere bestimmte Gene in das befruchtete Ei einbringt. Dies ist das eigentliche ethische Pro- blem in der Gentechnologie. Auf- gabe des Rechts ist es, Frei- heit für Forschung und Ent- wicklung zu gewährleisten, aber auch den einzelnen und die Allge- meinheit vor Gefahren dieser Technologie zu schützen und die Umwelt vor Zerstörungen zu be- wahren.

Angesichts der stürmischen Ent- wicklung der Gentechnologie ist ein zusammenhängendes Geset- zeswerk gar nicht wünschens- wert. Viel besser wären frag- mentarische Regelungen, die fle- xibel den neuen Gegebenheiten angepaßt werden können. Da es im Bereich der Gentechnologie keine schrankenlose Forschung geben darf, muß als erstes die Zu- lässigkeit geregelt werden. Man- che Formen der gentechnologi- schen Forschung müssen erlaub- nis-, andere meldepflichtig wer- den. Soweit die Zulässigkeit im Standesrecht durch entsprechen- de Verordnungen ausreichend

geregelt ist, braucht der Gesetz- geber nicht einzugreifen. Jedoch ist er für Folgeregelungen und fa- milienrechtliche Fragen verant- wortlich.

In jedem Fall befaßt sich das Recht mit vorhandenen Fakten und gegebenen Situationen und nicht mit hypothetischen Entwick- lungen. Genau diese sind es aber, mit denen sich die Ethik beschäf- tigen muß. Die ethische Auseinan- dersetzung mit Fakten, die durch die Anwendung gentechnolo- gischer Verfahren geschaffen werden, kommt zu spät. Hier kann die Ethik nur noch im nachhinein kritisieren oder legitimieren. Ihre Aufgabe ist es jedoch, Kriterien für künftige Entwicklungen anzu- bieten. Oberstes Prinzip einer sol- chen prospektiven Ethik könnte lauten: „Bei der gentechnolo- gischen Forschung und Anwen- dung müssen Humanisierung, Be- wahrung und Schutz mensch- lichen Lebens und seiner Umwelt gewährleistet sein."

Aus christlicher Sicht sind solche weitgehenden Eingriffe zulässig, wenn es ein verantwortliches Ein- greifen ist und der Mensch sich selbst als „Heger" der Natur ver- steht. Er muß dabei mögliche Fol- gen des Eingriffs abschätzen kön- nen. Ferner darf er das Leben des Menschen weder zerstören noch gefährden, noch seine Qualität mindern. Therapeutische Eingrif- fe und Experimente, die dazu die- nen, die Würde des Menschen zu verwirklichen und die zum Ge- samtwohl der Menschen beitra- gen, sind zu bejahen. Niemals darf jedoch der Mensch als Mittel zum Zweck in der Forschung be- nutzt werden. Das Prinzip der Menschenwürde verbietet Züch- tung oder Klonierung von Men- schen. Manipulationen und Gen- transfer in Keimbahnzellen sind daher nicht zulässig.

Anschrift der Verfasserin:

Elisabeth Pflanz Moorkamp 60 3100 Celle-Boye

Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 33 vom 14. August 1985 (27) 2313

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