KURZBERICHTE
Bedingungen im AK Barmbek zu keiner ungewöhnlichen Erhöhung der Infektionsrate geführt haben."
Da die Hamburger Gesundheits- behörde jedoch der Auffassung ist, daß auch ein Eingriff, der unter einer Vielzahl geglückter Opera- tionen eine mißlungene Ausnah- me darstellt, für den Betroffenen ein Fall zuviel ist, will sie im Inter- esse der Patienten bei den in Han- nover anhängigen Schlichtungs- verfahren auf eine möglichst ra- sche und vollständige Abwicklung und Aufklärung drängen.
Derzeit werden noch rund 100 Schadensersatzansprüche von der Schlichtungsstelle für Arzt- pflichtfragen in Hannover auf ihre Berechtigung hin geprüft.
Hackethai
erneuert die Vorwürfe
Als ein "Gefälligkeitsgutachten für einen Kollegen" bezeichnete
die "Patienteninitiative AK Barm-
bek" inzwischen das Ergebnis dieser Untersuchung. Sie fordert deshalb die Bildung eines Unter- suchungsausschusses der Ham- burger Bürgerschaft, der die Ope- rationsweise von Professor Bern- beck und die Hygienesituation im Barmbeker Krankenhaus aufklä- ren soll. "Methodik und Unterla-
gen", so Kerstin Hagemann, Spre-
cherin der Patienteninitiative,
"waren für das Gutachten völlig
unzureichend." Die Experten hät- ten lediglich in die von den betrof- fenen Patienten formulierten Schadensvorwürfe Einsicht ge- nommen, nicht aber in die Kran- kenblätter, Röntgenbilder oder Operationsberichte, die zu einer umfassenderen Beurteilung hät- ten führen können.
ln ihrem Vorhaben, einen parla- mentarischen U ntersuchu ngsaus- schuß einzusetzen, werden die ehemaligen Patienten des AK Barmbek von Professor Julius Hackethai unterstützt. Auf einer Versammlung der Patienteninitia- tive sagte Hackethal: "ln den Or-
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
thopäd ien bundesdeutscher Kran- kenhäuser wird allgemein zu häu- fig operiert, Barmbek ist dabei aber die Spitze."
Auch die Infektionshäufigkeit in der Hamburger Klinik entspreche nicht der Regel: Die Infektions- quote sollte unter einem Prozent liegen, bei den Operationen von Professor Bernbeck habe sie aber 25 Prozent betragen.
Rüdiger Rapke/ptv
Ethik-Kommissionen - Ausweg aus
einem Dilemma
"Ethik-Kommissionen sehen sich
häufig großen Schwierigkeiten ausgesetzt. Denn allgemein aner- kannte mo ral isch-ph i losoph ische Grundsätze zur Beurteilung des medizinisch Machbaren fehlen noch. Deshalb ist eine Zusam- mensetzung der Ethik-Kommis- sionen aus Theologen, Philoso- phen und Juristen gerechtfertigt."
Diese Auffassung vertrat Profes- sor Dr. med. Heinz Losse in einem Referat beim Fortbildungskon- greß der Bundesärztekammer in Grado. Losse, Direktor der Medizi- nischen Poliklinik der Universität Münster und Programmgestalter der Grado-Herbst-Kongresse, er- läuterte auch, was Ethik-Kommis- sionen prüfen sollten. Am Beispiel der Arzneimittelprüfung stellte er folgende Kriterien für die Durch- führung eines geplanten Ver- suchs heraus:
~ Der Forscher muß für die Durchführung des Versuchs quali- fiziert sein.
~ Die Studie muß wissenschaft- lichen Kriterien standhalten (Vali- dität).
~ Das Risiko des Versuchs muß in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen für den Patienten oder die Heilkunde stehen.
~ Bei Langzeitstudien müssen Abbruchkriterien aufgestellt wer- den.
~ Der Patient muß sorgfältig über den Versuch aufgeklärt werden. Eine Behinderung der For- schungsarbeit durch Ethik-Kom- missionen sieht Professor Losse nicht. Es sei im Gegenteil anzu- nehmen, daß dem Forscher be- reits in der Planungsphase seines Vorhabens mit Rat und Tat zur Seite gestanden werde, so daß seine Arbeit eher erleichtert wer- de. Ethik-Kommissionen könnten zudem für Transparenz sorgen und zum Abbau des öffentlichen Mißtrauens beitragen. Sie könn- ten auch verhindern, daß staat- liche Kontrollmechanismen in Gang gesetzt würden.
Die Tätigkeit von Ethik-Kommis- sionen beruhe, so Professor Los-
se, auf dem grundsätzlichen Kon-
sens der meisten Völker, daß wis- senschaftliche Versuche zulässig seien, wenn sie
~ der Vermehrung wissenschaft- lich gesicherten Wissens,
~ der Vertiefung ärztlicher Er- kenntnis,
~ der Verbesserung medizini- scher Verfahren dienten und es keine anderen Mittel gäbe, um diese Ziele zu erreichen. Der Wert solcher Ziele für die Allgemein- heit werde so hoch eingeschätzt, daß dabei einzelnen Mitgliedern der Gemeinschaft zugemutet wer- de, sich aus freien Stücken zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen machen zu las- sen. Auch wenn nicht auszu- schließen sei, daß das eigene Wohl dabei beeinträchtigt werde.
Die Forschung beziehungsweise der Versuch am Menschen weise, so Losse, auf ein Grunddilemma der modernen Medizin hin. Einer- seits widerspreche der Versuch am Menschen wegen des Risikos einer Schädigung der Verpflich- tung des Arztes, nicht zu schaden.
Andererseits sei es unethisch, ei- ne Therapie anzuwenden, deren Sicherheit' und Wirksamkeit nicht wissenschaftlich geprüft sei. SO 2784 (24) Heft 39 vom 26. September 1984 81. Jahrgang Ausgabe A