Zur Fortbildung Aktuelle Medizin KONGRESS-BERICHT
Zusammensetzung der Ethik-Kommissionen
Aus den Berichten der Ethik-Kom- missionen geht hervor, daß diese in- zwischen an fast allen Medizini- schen Fakultäten gegründet wurden beziehungsweise ihre Arbeit bereits aufgenommen haben. Die Kommis- sionen setzen sich aus fünf bis neun Mitgliedern zusammen, überwie- gend Professoren der Medizini- schen Fakultät und ein Jurist. An einigen Universitäten (zum Beispiel Berlin) sind auch Assistenten und Pflegepersonal sowie Professoren der Theologischen und Philosophi- schen Fakultät Kommissionsmitglie- der. In Münster und Homburg (Saar) sind die Kommissionen an den Fa- kultäten zugleich auch Einrichtun- gen der Ärztekammer. In Hamburg existiert nur eine Kommission der Ärztekammer, die an Stelle einer Fa- kultätskommission gegründet wur- de, der aber drei Professoren der Medizinischen Fakultät angehören.
Die Ärztekammer wird durch ihren Präsidenten vertreten. In München besteht am Institut für Klinische Pharmakologie in Ottobrunn für die Prüfungsphase I (an Gesunden) eine Kommission, die zugleich auch eine solche der Pharmaindustrie ist. Die längste Erfahrung hat Göttingen (seit 1973). Diese Kommission bear- beitete bisher 40 Anträge.
Alle Fakultäten sind sich darin einig, daß die Kommissionen nur beraten- de Funktion haben. Die Inanspruch- nahme der Kommissionen durch den Leiter eines Forschungsvorha- bens ist freiwillig.
Die Freiwilligkeit hat jedoch ihre Grenzen: Die Deutsche Forschungs- gemeinschaft (DFG) hat für ihre
Sonderforschungsbereiche Ethik- Kommissionen eingerichtet, und es wird kein Projekt ohne deren Einver- ständniserklärung genehmigt. Aller- dings können die Gutachter der DFG das jeweilige Forschungsvorhaben auch durch ihre örtlichen Ethik- Kommissionen prüfen lassen. Eine gleiche Regelung hat das Bundes- ministerium für Forschung und Technologie getroffen.
Vorrangig:
Die Prüfung ethischer Aspekte Nach einhelliger Meinung soll die Aufgabe der Ethik-Kommissionen vorrangig in der Prüfung ethischer Aspekte liegen; in einem Ergebnis- protokoll soll dem anfragenden For- schungsleiter berichtet werden.
Durch die Einbindung von Rechts- medizinern und Juristen in die Ethik- Kommissionen wird auch die Beant- wortung von Fragen auf arztrechtli- chem, zivil- und strafrechtlichem Gebiet mit abgedeckt. In diesem Zu- sammenhang wird auch auf das Merkblatt der Bundesärztekammer*) zu Arzneimittelprüfungen auf der Grundlage des am 1. 1. 1978 in Kraft getretenen Arzneimittelgesetzes ver- wiesen, in dem die wesentlichen rechtlichen und ethischen Belange aufgeführt sind.
Würde des Menschen und zivilrechtliche Fragen
Beller, Münster, stellte fest, daß der forschende Arzt keine Sonderrechte gegenüber anderen Forschern ver- langen kann und daß die Würde des Menschen als das höhere Gut zu gelten habe, wenn die Freiheit der Wissenschaft einmal mit der Würde
des Menschen kollidiere. Die Ethik- Kommissionen dürften keine staat- lich eingesetzten sein und keiner In- stanz gegenüber weisungsgebun- den sein.
Kollhosser, Münster, nahm zu zivil- rechtlichen Fragen Stellung. Ein Zwang zur Einrichtung von Ethik- Kommissionen bestehe zwar nicht, aber aus Gründen der Gewährlei- stung der Verkehrssicherungspflicht ließe sich ein Gründungsgebot für die Fakultäten beziehungsweise für die Universitäten ableiten. Wenn die Kommission gegen ein Versuchs- projekt keine Bedenken hat, der For- schungsleiter damit den Versuch durchführt und sich erst später her- ausstellt, daß Verstöße gegen beste- hende gesetzliche Regelungen (zi- vilrechtlicher oder strafrechtlicher Art) vorlagen, können sich Haftungs- ansprüche gegenüber Kommis- sionsmitgliedern ergeben, die aber im Rahmen der Amtshaftung — durch den Dienstherrn — zu regulie- ren seien. Der Forschungsleiter sei in solchen Fällen von Haftungsan- sprüchen zumeist freigestellt, weil er, gestützt auf die Kommissionsent- scheidung, den Vertrauensgrund- satz für sich in Anspruch nehmen kann. Für die Kommissionsarbeit empfiehlt es sich, eine Verfahrens- ordnung zu entwerfen, wie sie für Münster ausgearbeitet wurde, damit bei keinem Verfahren eine relevante Frage übersehen wird.
Die Erprobung von
Arzneimitteln an Kassenpatienten Wagner, Homburg (Saar), machte darauf aufmerksam, daß die aus 14 Punkten bestehenden Richtlinien für neuartige Heilbehandlung und für die Vornahme wissenschaftlicher Versuche des Deutschen Reichsmi- nisters des Inneren aus dem Jahre 1931 präziser und umfassender sei- en als die Deklarationen von Helsin- ki und Tokio. Er setzte sich für die Erneuerung dieser Richtlinien ein, die leider 1945 der Rechtsbereini- gung zum Opfer fielen. Im Mittel-
*) Prüfung neuer Arzneimittel in der Praxis des niedergelassenen Arztes, DEUT- SCHES ÄRZTEBLATT 75 (1978) 2773-2778
Aspekte und Aufgaben der
medizinischen Ethik-Kommissionen
Symposium der Medizinischen Fakultät in Münster
Hans-Joachim Wagner
168 Heft 5 vom 29. Januar 1981 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
KONGRESS-BERICHT
Angst vor unerwünschten
Nebenwirkungen der Medikamente Der Trend der Bevölkerung zu Na- turheilmethoden nimmt zu. Als Grund dafür ist die Angst vor den unerwünschten Nebenwirkungen der Medikamente anzusehen.
Erfreulich ist, daß von den soge- nannten Schulmedizinern die Me- thoden der Naturheilverfahren nicht mehr als im Gegensatz zu ihren Auf- fassungen stehend, sondern als Er- gänzung betrachtet werden, da sie sowohl allein als auch in Kombina- tion mit anderen Verfahren anwend- bar sind.
Schon seit vielen Jahren haben Me- thoden der Naturheilverfahren Ein- gang in die Kliniken gefunden: Er- nährungs-, Hydro-, Ordnungs-, Be- wegungs-, Phyto-, Elektro-, Neural- und Thermotherapie sind längst nicht mehr Domänen von Ärzten für Naturheilverfahren.
Nur wenige Ärzte denken bei der Verordnung von Digitalispräparaten heute noch daran, daß es sich bei diesen Präparaten ursprünglich um Phytotherapeutika handelte, deren Wirkmechanismus längst nicht mehr in den Bereich der Erfahrungsheil- kunde gehört; vielmehr sind Phyto- therapeutika nebenwirkungsfreie
Pflanzenpräparate mit definierten Wirkstoffen.
Eindringlich gewarnt wurde auf dem Kongreß davor, Phytotherapeutika mit homöopathischen Medikamen- ten zu verwechseln oder Phytothe- rapie mit Anthroposophie oder Ho- möopathie auf eine Stufe zu stellen.
Säulen der
modernen Kneipp-Therapie Erwartungsgemäß wurde auf dem Kongreß über die Anwendung von Naturheilverfahren in der Praxis des Arztes oder in der Wohnung des Pa- tienten gesprochen, wozu sich ins- besondere die Kneipp-Therapie eignet.
Die moderne Kneipp-Therapie ruht auf sechs Säulen: Hydro-, Bewe- gungs-, Phyto- und Ordnungsthera- pie, Gesundheitsbildung und Diäte- tik. Die weitverbreitete Meinung, Kneippen sei identisch mit dem Übergießen des Körpers mit kaltem Wasser, ist falsch. 80 Prozent aller Anwendungen werden mit warmem oder wechselwarmem Wasser vor- genommen! Für die Praxis eignen sich zum Beispiel Hautwaschungen, Hautbürstungen, Wechsel-, Arm- und Beinbäder, da sie eine Durch- blutungsverbesserung an den Extre- mitäten sowie im kleinen Becken be- wirken, das heißt, daß auch Blasen-, Prostata- und Adnexerkrankungen durch diese Anwendungen günstig beeinflußt werden können. Ein an- steigendes Fußbad ist auch einseitig anwendbar, zum Beispiel bei schwe- rem Ulcus cruris oder Gipsfuß nach Fraktur; es kommt dabei zur konsen- suellen Hyperämie am anderen Bein (Vorsicht bei organischen Gefäß- neurosen!).
Am verbreitetsten in der ambulanten Praxis dürften Kräuter- und Mineral- bäder sein, verabfolgt als warme Wannenbäder. Die spezifische Wir- kung eines Kräuterbades ergibt sich aus dem Zusatz: zum Beispiel Fich- tennadel zur allgemeinen Belebung, Ethik-Kommissionen
punkt des Referates standen sozial- rechtliche Fragen und damit die Er- probung von Arzneimitteln an Kas- senpatienten. Besonders kritisch wurde die Verabreichung von Place- bo und die Kostenfrage der Versu- che beleuchtet, nachdem es nach den Richtlinien des Bundesaus- schusses der Ärzte und Krankenkas- sen über Verordnung von Arzneimit- teln unter Nr. 11 in der Fassung vom 19. 6. 1978 unmißverständlich heißt:
„Erprobungen von Arzneimitteln auf Kosten des Versicherungsträgers sind unzulässig." Alle durch die Er- probung entstandenen Mehrkosten (zum Beispiel durch längeren statio- nären Aufenthalt, verlängerte Ar- beitsunfähigkeit einschließlich der Mehraufwendungen an Laborlei- stungen) dürfen deshalb keinesfalls dem Versicherungsträger angelastet werden. Die Vorschriften des § 17 Abs. 3 (Kostenregelung für wissen- schaftliche Forschung) des Kran- kenhausfinanzierungsgesetzes müs- sen vor allem außeruniversitäre Krankenhäuser beachten, wenn sie sich vor Regreßansprüchen bewah- ren wollen.
Warnung vor Bürokratisierung und Überformalisierung
In weiteren Referaten wurde die Ar- beit der Ethik-Kommissionen aus der Sicht des Bundesgesundheits- amtes, der ärztlichen Standesorga- nisationen, der Deutschen For- schungsgemeinschaft und der phar- mazeutischen Industrie beurteilt.
Dabei wurde vor einer Bürokratisie- rung und Überformalisierung der Kommissionen gewarnt; die Kom- missionen sollten sich nicht als neue, weitere Zulassungsbehörde für Arzneimittelprüfungen verste- hen. Es wurde darauf hingewiesen, daß bei der Kommissionsarbeit auch der Kosten-Nutzen-Effekt von Versu- chen unter ethischen Gesichtspunk- ten — unter Einbeziehung statisti- scher Methoden — zu prüfen sei.
Professor Dr. med.
Hans-Joachim Wagner Direktor des Instituts für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes 6650 Homburg (Saar)
Naturheilverfahren —
eine Ergänzung zur Schulmedizin
Bericht vom Internationalen Herbstkongreß für Ganzheitsmedizin in Velden/Wörther See
170 Heft 5 vom 29. Januar 1981 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT